ÖFB-Star David Alaba: "Ich musste auf viel Komfort verzichten"
Der zehnte Meistertitel mit den Bayern, seine zweite EM mit einem denkwürdigen Achtelfinale gegen Italien, ein spektakulärer Transfer zu Real Madrid und ein Traumtor sowie die Kür zum "Man of the Match" gleich in seinem ersten Clásico gegen Barcelona – Österreichs Fußballstar David Alaba hat im Jahr 2021 viel erlebt, dazu auch gleich zwei Infektionen mit Covid-19.
Auch die zweite vor mehr als einer Woche hat der 29-Jährige nahezu ohne Symptome überstanden, weshalb er erstmals in seiner Karriere keine richtige Winterpause hatte und schon am Sonntag um 14 Uhr in der spanischen Liga gegen Getafe wieder Fußball spielen kann.
KURIER: Sind Sie ein Mensch, der sich zum Jahreswechsel etwas vornimmt?
David Alaba: Ja, schon. Ich lasse das vergangene Jahr Revue passieren und denke noch einmal nach. Und ich bin eine Person, die sich Ziele setzt fürs neue Jahr.
2021 ist sehr viel passiert bei Ihnen. Im Nachhinein betrachtet: Hätten Sie es so genommen und unterschrieben, wie es gekommen ist?
(Denkt lange nach, Anm.) Gute Frage, das weiß ich nicht. Aber ich bin auf jeden Fall zufrieden. Es war ein spannendes Jahr, auch als Mensch. Und sicherlich auch ein emotionales und schönes Jahr.
Sie haben Ihren Wechsel zu Real damit begründet, dass Sie der Komfortzone entfliehen wollen. Wie viel Komfort mussten sie aufgeben?
München ist zu meiner zweiten Heimat geworden nach 13 Jahren. Beruflich gesehen habe ich im Klub und in der Mannschaft ein Standing gehabt, bin zu einem Führungsspieler gereift und kannte den Klub und die Stadt in- und auswendig. Und ich habe viele Freunde in München. Das alles verlässt man nicht einfach so. Ich musste auf sehr viel Komfort verzichten.
Mussten Sie sich fußballerisch umstellen?
Grundsätzlich bin ich ein Spieler, der versucht, auf seine eigenen Stärken zu schauen. So fahre ich über Jahre. Daher versuche ich, mein Spiel durchzusetzen. Natürlich musste ich mich aber auch irgendwo anpassen. Das ist normal, wenn man in eine neue Mannschaft kommt.
Können Sie ein Beispiel nennen für diese Anpassung?
Wir sind keine Mannschaft, die so hohes Pressing spielt, wie wir es bei Bayern getan haben, damit stehen wir auch mit der Abwehrkette nicht so hoch. Und was ich relativ schnell bemerkt habe: Ich habe nicht so viele Kopfballduelle nach einem Abstoß des Gegners. Die Mannschaften hier in der spanischen Liga spielen alle hinten raus.
Wie wurden Sie von der Mannschaft aufgenommen?
Sehr positiv, wodurch die Anpassung leicht war. Ich habe mich sofort wohlgefühlt.
Mussten Sie einen Einstand zahlen, etwa ein gemeinsames Abendessen?
Muss ich noch. Wir hatten es schon geplant gehabt, mussten aber wegen Covid absagen.
Gibt es dann Schnitzel?
Wenn es in diesem Restaurant auf der Karte steht, dann mit Sicherheit.
Wie kann man sich das vorstellen, wenn man zu einem neuen Verein kommt? Durften Sie sich einen Platz in der Kabine aussuchen? Und wie kam’s, dass Sie sich die Rückennummer 4 von Kapitän Ramos geschnappt haben, der den Klub verlassen hat?
Platztechnisch ist die Kabine so organisiert, dass es nach Nummern geht. Ich sitze also zwischen der Nummer drei, Éder Militão, und der fünf, Jesús Vallejo. Was die Rückennummer betrifft, wollte ich meine 27 haben. Aber in Spanien haben die Profis die Nummern 1 bis 25. Zum einen waren keine anderen Nummern mehr frei, zum anderen wollte auch der Verein, dass ich die Nummer 4 trage. Sie hat eine spezielle Geschichte im Klub. Vor Ramos hatte sie Fernando Hierro, beide waren Kapitän. Ich trage sie mit Stolz und sehe es als Ansporn. Dass die Erwartungen damit nicht schmäler werden, war mir bewusst.
Ihre ehemaligen Bayern-Kollegen haben rückwirkend nur positiv über Sie gesprochen. Etwa Leon Goretzka, der es als außergewöhnlich beschrieben hat, wie Sie die Mannschaft in der Kabine zusammengehalten haben. Ergreifen Sie bei Real auch schon das Wort?
Grundsätzlich bin ich eine Person, die versucht, sich da nicht zu verändern. Aber wenn du als neuer Spieler hierher kommst, musst du dir deinen Platz suchen und erkämpfen. Im Spiel bin ich der gleiche wie vorher, der Verantwortung übernimmt und versucht, seinen Kollegen zu helfen. In der Kabine ist es so, dass ich natürlich erst die Sprache lernen muss. Da bekomme ich auch viel Hilfe.
Was geht schon auf Spanisch? Und was noch nicht?
Ich kann mich schon sehr gut unterhalten innerhalb der Mannschaft, wo nur Spanisch gesprochen wird. Sehr viele können auch nicht Englisch, was mich zu Spanisch verpflichtet. Ein Interview zu geben, wäre noch einmal ein anderes Kaliber.
Das wäre doch ein schöner Neujahrsvorsatz für Sie, 2022 ein Interview auf Spanisch zu geben.
Das wäre ein Ziel.
Sie haben zuletzt in einem Interview betont, dass Sie sich daran gewöhnen müssen, dass in Spanien alles lockerer ist. Was zum Beispiel?
Mentalität und Kultur sind anders. Etwa das späte Essen oder die strenge Siesta, wo am Nachmittag alles geschlossen ist. Die Arbeitsweise ist auch eine andere.
Wie wichtig ist Pünktlichkeit, gemessen am deutschen Maßstab?
Bei Real Madrid ist Pünktlichkeit sehr wichtig.
Wie steht es um den Stellenwert des Fußballs in der Stadt? Können Sie durch Madrid spazieren, ohne von Fans belagert zu werden?
Wie in Deutschland steht der Fußball fast ganz oben. Hier ist es vielleicht noch eine Spur emotionaler. Wenn ich durch die Stadt spaziere, ohne Kappe, Sonnenbrille und Maske, wird es noch schwieriger als in München.
Wegen zweier Covid-Infektionen, einer im Sommer und einer vorige Woche, mussten Sie sich ganz abschotten. Wie ist es Ihnen dabei ergangen?
Ich habe alles ganz gut verkraftet. Symptome hatte ich eher weniger.
Sind Sie geimpft?
Ja, vollständig.
Dann verraten Sie uns abschließend doch bitte noch Ihre Ziele fürs neue Jahr.
Eines ist sicherlich, spanischer Meister zu werden und auch in den anderen Bewerben zu versuchen, alles rauszuholen. Mit der Nationalmannschaft haben wir über die Play-offs die Chance, zur WM zu fahren. Das ist ein Traum von mir.
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