Tennis-Legende Thomas Muster: „Neid ist eine Krankheit“

Thomas Muster hat viel zu sagen
Wiens Turnierbotschafter Thomas Muster im Interview über die Preisgelder, Moral und Fehler in der Sportpolitik.

„Hier bin ich“, rief Thomas Muster. „Aber so groß ist die Stadthalle nicht, da findet man sich schon.“ Früher war der 58-jährige Steirer als Spieler Magnet, stand immerhin drei Mal im Finale. Seit 2012 ist Muster Turnierbotschafter beim Erste Bank Open. Und zu sagen hat er eh immer viel.

KURIER: Es schlagen einige Italiener in Wien auf, am 19. November spielt das „KURIER Austria Davis Cup Team“ in Bologna gegen die Gastgeber. Das bisher letzte Duell hat Österreich 1990 5:0 gewonnen. Welche Erinnerungen haben Sie?

Thomas Muster: Das war damals ein machbarer Gegner. Der Boden war tief, langsam, aber wir haben souverän gespielt. Es waren Schmankerl dabei – mit Sektspritzen in der ersten Reihe und kleinen Provokationen. Aber sportlich wars eine klare Sache.

Thomas Muster bei seinem Sieg in Paris

Thomas Muster bei seinem Sieg in Paris

Jannik Sinner wird in Italien hart kritisiert, dass er nicht spielen wird ...

Ich sehe das nicht so eng. Ich hab’ das selbst einmal gemacht. Er hat eine lange Saison, das Jahr ist weit fortgeschritten, man muss seine Kräfte einteilen. Außerdem hat er ja schon für Italien gespielt. Man sollte das auch von der Seite des Spielers verstehen. Dass er hier spielt, dann nur noch das  Paris Masters und dann die  Finals, ist eine Ehre für Wien. Früher war der Davis Cup härter. Du bist durch alle Zeitzonen geflogen, hast auf ganz unterschiedlichen Belägen gespielt. Das war brutal. Heute ist das zentralisiert – für die Spieler einfacher, aber für den Bewerb auch schade. Diese Heimspiel-Atmosphäre ist verloren gegangen.

Aber in Saudi-Arabien hat er gespielt und sechs Millionen Euro kassiert. Manche kritisieren, dass dies unmoralisch ist. Sie auch?

Das ist ein Business. Wenn dir jemand sechs Millionen Dollar zahlt, dann fährst du hin – egal, ob es moralisch jedem gefällt oder nicht. Der Sport sollte unpolitisch bleiben. Es gibt überall wirtschaftliche Verflechtungen, und ich sehe keinen Sinn darin, ausgerechnet die Sportler an den Pranger zu stellen.

Ärgern Sie sich bei solchen Summen, dass Sie in einer anderen Zeit gespielt haben?

Ich bin gar nicht neidisch. Neid ist eine Krankheit. Jede Generation hat ihre Zeit. Heute gibt’s Social Media, eine ganz andere Vermarktung, das vervielfacht alles. Früher war es dafür einfacher und ruhiger. Ich war zu meiner Zeit zufrieden – und das bin ich heute noch.

Wenn man sich den Sport in Österreich anschaut – fehlt da nicht die Infrastruktur?

Ja, absolut. Es wird Geld in Projekte gesteckt, die wenig Sinn haben. Wir brauchen in Wien und in Österreich moderne Hallen und Stadien, die genutzt werden. Die Arena in St. Marx wäre so ein Projekt – aber alles dauert ewig, weil ständig begutachtet und verschoben wird. Wir reden seit Jahren darüber, und jedes Jahr steigen die Baukosten. Eine zeitgemäße Arena wäre nicht nur für den Sport, sondern auch für den Tourismus und die Kultur wichtig.

Hat der Sport hier einen zu geringen Stellenwert?

Ja, weil man zu oft in kleinen Strukturen denkt. ASKÖ, Union, verschiedene Lager – alle wollen ihr Stück vom Kuchen. Besser wäre, die Mittel zu bündeln und große, nachhaltige Projekte zu machen. Der Sport wird in den Ministerien immer als Anhängsel behandelt. Wir bräuchten ein eigenes Sportministerium, das etwas bewegen kann. Es geht ja nicht darum, 100 zu werden, sondern gesund alt zu werden. Wir wollen alle, dass die Menschen länger arbeiten – dann müssen sie auch fit bleiben. Das beginnt in der Schule. Wir reden seit Jahren über die tägliche Turnstunde, aber umgesetzt wird wenig.

Spielen Sie selbst noch?

Nein, kaum. Das ist ein Luxusproblem, aber mit wem soll ich spielen? Ich bräuchte jemanden, der drei, vier Mal in der Woche Zeit hat und nicht den Ball ins Netz haut. Sonst bringt es uns beiden null.

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