Tennis-Vizeboss kritisiert: "Sport darf keine Nebenbeschäftigung des Vizekanzlers sein"

Jürgen Roth (rechts) mit Jürgen Melzer
In Debrecen, wo das "KURIER Austria Davis Cup Team" um den Aufstieg spielt, kommen scharfe Worte von Verband-Vizepräsident Jürgen Roth, der auch über Sportliches und seinen Vater Rudi spricht.

Allein dass Österreichs Davis-Cup-Team  die Chance hat, unter die besten acht Nationen einzuziehen, ist beachtlich. Nicht nur aufgrund der Einwohnerzahl, sondern auch aufgrund der politischen Umstände. Auch der erfolgreiche Geschäftsmann Jürgen Roth, seit Jänner 2022 Vizepräsident des Österreichischen Tennisverbandes (ÖTV), dem zweitgrößten Sportverband des Landes, fasst sich ein Herz und übt wie sein Präsident Martin Ohneberg, der nicht beim Länderspiel in Debrecen sein kann,  und Sportdirektor Jürgen Melzer sehr harte Kritik an der Regierung. 

KURIER: Ihr Präsident Ohneberg sagte kürzlich auch im KURIER, dass die Regierung mit „Augenbinde und Rasenmäher“ arbeitet. Sehen Sie dies ähnlich?

Jürgen Roth: Zuerst möchte ich einen Blick zu den Nachbarländern werfen, wo es überall mehr Geld für den Sport gibt. Insbesondere nach Deutschland. Künftig will die Regierung dort mehr Geld ausgeben, weil es über die Umwegrentabilität Geld spart. Vor allem im Gesundheitssystem. Laut Untersuchungen spart der Sport dem Gesundheitssystem 2,4 Milliarden Euro. Und da trägt auch Tennis einen erheblichen Teil dazu bei. Der US-Tennisverband hat zudem jüngst Zahlen veröffentlicht, dass Tennisspieler im Schnitt 9,7 Jahre länger leben.

Und trotzdem betrifft die Kürzung der Sportförderung um rund 14 Prozent auch den Tennisverband . . . 

Bei Veranstaltungen von Tennis Europe sieht man, dass fast alle anderen Tennisverbände höhere Förderungen bekommen. Schlimm ist, dass in Österreich mit dem Gießkannenprinzip gearbeitet wird, keine Rücksicht darauf genommen wird, was ein Verband leistet. Hier wird keine Leistungsprüfung vorgenommen. Aber generell muss mehr Geld in den Sport fließen, ich will ja keinem anderen Verband etwas wegnehmen. Die Regierung sollte antizyklisch investieren, das heißt, gegen den vorherrschenden Markttrend zu agieren. Investieren, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Daraus resultieren ja auch mangelnde Sponsoren für den Sport.  Hier wird genau das Gegenteil gemacht. Weil der Sport immer wo ein Anhängsel ist. Der Sport kann keine Nebenbeschäftigung für den Vizekanzler sein. Das ist aber seit  Jahren so.

Aber muss man sich Sorgen um den Tennisverband machen?

Auf keinen Fall. Wir haben unser Sponsoring in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht und sind deshalb gut unterwegs. Aber Vergleiche muss man ziehen, die Kultur bekommt in Österreich wesentlich mehr. Aber dennoch haben wir mit Joel Schwärzler oder Lilli Tagger und Anna Pircher große Zukunftshoffnungen. Unser Ziel ist es, dass wir in drei Jahren vier Spieler oder Spielerinnen in den Top 100 haben. Sicher war jetzt ein kleines Loch, nachdem Dominic Thiem aufgehört hat. 

Ein wichtiger Schritt ist dem Verband mit der Installierung mehrerer Turniere gelungen. Fruchtet es bereits?

Natürlich, die Jungen müssen nicht reisen, ersparen sich Geld, können in der Heimat wohnen und punkten. Lilli Tagger hat zuletzt zwei ITF-Turniere in der Österreich gespielt, auch wenn sie in Italien trainiert, ist dies ihre Heimat. Und sie hat auch gut gespielt. 

Dort wo Jannik Sinner und Carlos Alcaraz stehen, kommen nicht viele hin. Kann ein anderer noch ein Grand Slam gewinnen in der nächsten Zeit?

Ich war bei den US Open und habe sie gesehen, mit so einem Tempo spielt sonst keiner. Außerdem sind sie in einem Alter, wo sie sich noch verbessern können. Man darf aber nicht vergessen, dass Novak Djokovic bei allen vier Grand-Slam-Turnieren des Jahres im Semifinale war. Dass er es in New York wieder dorthin schaffte, ist für mich die größte Überraschung. Punktuell kann er Turniere gewinnen, aber ein Slam mit sieben Runden ist etwas anderes, immerhin ist er 38.

Kurz noch ein Themenwechsel: Ihr Vater Rudolf Roth war jahrelang Präsident und Mäzen eines erfolgreichen Fußballklubs, dem GAK. Warum sind Sie beim Tennis gelandet?

Mein Vater spielte nicht nur Fußball, sondern danach auch lange Tennis beim GAK. Den Davis Cup gegen Ungarn wird er sich zuhause anschauen. Ungarns Botschafterin ließ ihn bereits grüßen, immerhin ist mein Vater  auch Honorarkonsul von Ungarn. Am Fußballklub GAK ist er noch interessiert, aber er tut es sich nervlich nicht mehr an, hinzugehen. Und ich bin beim Tennis gelandet, weil schon von Jugend an Tennis meine Leidenschaft war, ich war im Landeskader, habe Staatsliga und dann College Tennis in den USA gespielt. 

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