Scharfe Kritik vom ÖTV-Boss: "Sport hat in der Politik wenig Gewicht"
Sehr besorgt: ÖTV-Boss Martin Ohneberg
Im Tennis geht es ziemlich rund. Nach den Erste Bank Open in Wien geht es baldigst weiter zum Finale mit dem „KURIER Austria Davis Cup Team“ in Bologna, wo am 19. November Italien wartet.
Dazwischen spricht der Vorarlberger Unternehmer Martin Ohneberg (54), seit 2022 Präsident des Österreichischen Tennisverbandes (ÖTV) nicht nur über Tennis, sondern auch um die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft, über fehlende politische Unterstützung und warum Tennis und Padel zusammengehören.
KURIER: Wenn Sie Sportminister wären: Was würden Sie als Erstes ändern?
Martin Ohneberg: Ich würde dem Sport endlich die Bedeutung geben, die er verdient: gesellschaftlich und wirtschaftlich. Österreich braucht ein echtes Sportministerium mit einer Persönlichkeit an der Spitze, die nicht nur aus dem Sport kommt, sondern auch strategisch und wirtschaftlich denken kann. Ich würde mich mit allen wichtigen Stakeholdern zusammensetzen, eine nationale Sportstrategie für drei bis fünf Jahre entwickeln und diese mit einem konkreten Maßnahmenplan und Budget unterlegen.
Außerdem würde ich das ganze System transparenter machen: Förderungen, Finanzierung, das alles gehört auf den Tisch. Derzeit verteilt der Bund, die Länder und Gemeinden jeweils eigene Gelder, das führt zu Ineffizienz. Und wir haben drei Dachverbände, da könnte einer genügen. Der Breitensport ist wichtig, aber ab einem gewissen Alter wäre er vielleicht besser beim Gesundheitsministerium aufgehoben.
Sie sprechen von Ineffizienz. Heißt das, im System steckt genug Geld, es wird nur falsch eingesetzt?
Ja, das ist genau mein Punkt. Ich glaube, die Mittel sind grundsätzlich da, aber sie werden nicht optimal genutzt. Wir sollten kritisch hinterfragen, was tatsächlich an Output herauskommt. In Österreich fehlt die strategische Gesamtsicht.
Sie kritisieren den geringen Stellenwert des Sports ...
Absolut. Der Sport hat in der Politik wenig Gewicht. Dabei wäre er das ideale Instrument, um Leistungsbereitschaft und Motivation in der Gesellschaft zu fördern. Sport ist ein Sinnbild für Einsatz, Disziplin und Fairness – alles Werte, die uns gerade etwas abhandengekommen sind. Außerdem müsste man Sport viel stärker mit anderen Bereichen verknüpfen: Gesundheit, Wirtschaft, Bundesheer, Polizei.
Das Heer könnte etwa jungen Athleten eine stabile Basis geben, um sich auf ihre Karriere zu konzentrieren. Das Heer – genauso wie die Polizei – bietet jungen Sportlerinnen und Sportlern die Chance, abgesichert zu trainieren und sich weiterzuentwickeln. Ich halte das für ein hervorragendes Modell, das man ausbauen sollte. Das wäre eine Win-win-Situation: für den Leistungssport, fürs Heer, für die Polizei und für die Gesellschaft, weil es wieder um Leistungsbereitschaft und Verantwortung geht.
Ein großes Thema ist auch die tägliche Turnstunde. Ein Fortschritt oder ein Alibi?
Die Idee ist grundsätzlich positiv, aber ehrlich gesagt finde ich sie fast demütigend. Dass Bewegung gesetzlich verordnet werden muss, zeigt doch, dass etwas im Mindset fehlt. Kinder sollten sich von selbst bewegen wollen, weil sie Freude daran haben.
Es braucht eine echte Kampagne für Sport und Leistung, mit Vorbildern aus Sport und Wirtschaft. Wenn man erkennt, welchen Mehrwert Bewegung für Gesundheit und Psyche hat, dann braucht es keine gesetzliche Vorschrift.
Was können die Verbände dazu beitragen?
Viel. Beim ÖTV sehen wir drei zentrale Aufgaben: Spitzensport, Ausbildung und Turnierangebot. Die Ausbildung ist essenziell, weil sie die Basis legt, damit aus jungen Talenten Siegerinnen und Sieger werden. Dafür brauchen wir qualifizierte Trainer und eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule, Ausbildung und Verband.
Wäre ein flächendeckendes Akademiesystem wie im Skisport denkbar?
Grundsätzlich ja. Es gibt ja auch im Tennis viele private Initiativen, die ich positiv sehe. Wettbewerb ist immer gut. Aber es braucht klare Standards und eine übergeordnete Steuerung. Ich halte unser System mit Landesstützpunkten und einem nationalen Leistungszentrum in der Südstadt für richtig.
Nur: Die Südstadt braucht dringend eine Modernisierung und bessere finanzielle Ausstattung. Dafür kämpfen wir schon lange, leider ohne großes Verständnis seitens der Politik. In jedem Bundesland sollte es einen Stützpunkt geben, damit Kinder wohnortnah trainieren können.
Ab etwa 14 Jahren sollte es ein nationales Zentrum geben, wo die besten zusammenkommen, wegen des Niveaus und des Sparrings. Das Ganze sollte mit einheitlichen Qualitäts- und Leistungsstandards vom ÖTV gesteuert werden. Private Initiativen sind ergänzend immer willkommen.
Wie wichtig ist es, dass Tennis leistbar bleibt?
Sehr wichtig, aber nicht alles sollte gratis sein. Was nichts kostet, ist oft nichts wert. Ich bin für gezielte Unterstützung, je nach Einkommenssituation. Das Gießkannenprinzip funktioniert nicht. Wer sich etwas leisten kann, sollte weniger gefördert werden als jemand, der wirklich Unterstützung braucht.
Trotz seiner Größe bekommt Tennis wenig öffentliche Förderung. Warum?
Das ist schwer nachvollziehbar. Tennis ist der zweitgrößte Sportverband Österreichs, aber im Förderkatalog nicht unter den Top Ten. Das System gehört grundsätzlich reformiert. Förderungen sollten sich an Leistung orientieren, aber auch an der Größe und den Vermarktungsmöglichkeiten einer Sportart.
Fußball etwa ist medial omnipräsent – Tennis nicht. Daher müsste man differenzierter fördern. Und im Tennis gibt es nun einmal außer im Nachwuchsbereich keine WM oder EM mit Medaillen, die in der Förderlogik stark gewichtet sind. Das verzerrt das Bild.
Wie wichtig ist eine lebendige Turnierlandschaft für den ÖTV?
Extrem wichtig. Sie gibt unseren Spielerinnen und Spielern die Chance, sich im eigenen Land zu präsentieren und aufzubauen. Außerdem ist Tennis auch ein Wirtschaftsfaktor, von Schlägerherstellern bis hin zum Tourismus. Turniere sind Multiplikatoren. Deshalb stehen wir voll hinter jedem Veranstalter, ob Challenger oder ATP.
In Wien funktioniert die Zusammenarbeit mit Herwig Straka beispielhaft. Er hat verstanden, dass es miteinander besser geht als gegeneinander. Für uns ist die Stadthalle eine riesige Bühne. Wir können unsere Sponsoren einbinden, unseren Partnern danken und vor allem die Jugend inspirieren. Das ist unbezahlbar.
Der Davis Cup in Bologna steht bevor. Was bedeutet das Viertelfinale für Sie?
Das ist ein Riesenerfolg. Zum ersten Mal seit dreizehn Jahren stehen wir wieder unter den besten acht Nationen der Welt. Finanziell ist das natürlich auch wichtig – das Preisgeld wird zwischen Spielern und Verband geteilt. Es ist eine bedeutende Einnahmequelle und ein Aushängeschild für das ganze österreichische Tennis.
Gleichzeitig gibt es eine Terminkollision zwischen dem Linzer Damenturnier und dem Billie Jean King Cup.
Ja, das ist für uns ein großes Problem. Es ist eine Entscheidung der WTA, die für uns völlig unverständlich ist. Dadurch können unsere besten Spielerinnen nicht beim Nationenbewerb antreten. Wir als ÖTV sind dafür, dass das Turnier in Linz seitens des Bundes gefördert wird, aber es bleibt ein Wermutstropfen.
Ein weiteres Thema ist Padel: Im Moment herrscht da ziemliches Chaos.
Das kann man so sagen. In Österreich gibt es zwei Verbände, die einander bekämpfen, keiner ist offiziell anerkannt. Dabei wäre es logisch, Tennis und Padel zusammenzuführen, so wie in vielen anderen Ländern. Wir beim ÖTV haben uns deshalb entschieden, unabhängig von den bestehenden Strukturen eine eigene Padel-Turnierserie aufzubauen. Wir haben die Erfahrung.
Man hört, manche Spieler dürfen beim ÖTV gar nicht teilnehmen, weil sie von anderen Verbänden gesperrt werden.
Ja, solche Fälle gibt es offenbar. Das ist absurd und meiner Meinung nach wettbewerbsrechtlich bedenklich. Kein Verband sollte Spielerinnen und Spielern vorschreiben, wo sie antreten dürfen.
Am Ende schadet das nur dem Sport. Nicht nur, dass Spieler gesperrt werden. Es kann ja auch nicht sein, dass Anlagen, die für uns als ÖTV eine Veranstaltung durchführen, Probleme bekommen. Diese Anlagen werden jedoch seitens der APU (Austria Padel Union, Anm.) gesperrt und würden von dieser keine Turniere mehr erhalten.
Wie wichtig ist Inklusion im österreichischen Tennis?
Wir behandeln Rollstuhltennis und alle inklusiven Bewerbe gleichwertig: Männer, Frauen, Menschen mit und ohne Behinderung. Bei den Staatsmeisterschaften oder in der Stadthalle spielen Rollstuhlathleten auf dem Centercourt. Zudem haben wir in unserer Geschäftsstelle einen inkludierten Mitarbeiter. Das sollte selbstverständlich sein – nicht etwas, über das man sich profilieren muss.
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