Sexualisierte Gewalt im Sport: Was tun, wenn der Trainer verdächtigt wird?
Angenommen, ein Kind erzählt zu Hause, dass im Training etwas „Komisches“ vorgefallen sei, es wolle mit einem gewissen Coach nicht mehr trainieren. Der genaue Grund wird nicht genannt. Die besorgten Eltern kontaktieren den betreffenden Sportverein. Was kann der Vereinsverantwortliche tun?
Um für solche Fälle vor allem in Sportvereinen Bewusstsein zu schaffen und Lösungsansätze zu liefern, hat der Verein „100% Sport“ einen Leitfaden herausgegeben. Die „Handreichung“ steht auf der Homepage zum kostenlosen Download.
Etwa eines von fünf Kindern wird Opfer von (sexualisierter) Gewalt – auch in der Welt des Sports. Dabei gebe es neue Erkenntnisse, etwa dass die psychische Gewalt alle anderen Gewaltformen übertreffe, oder dass männliche Jugendliche im Sport häufiger von Gewalt (auch sexueller) betroffen seien – nur bei sexuellen Übergriffen ohne Körperkontakt nicht.
Sport und Körperlichkeit
Sportminister Werner Kogler sprach bei der Vorstellung der „Handreichung“ am Mittwoch in Wien die verstärkte „Körperlichkeit“ im Sport an: Es komme in Situationen des Trainings, des Jubels und des Trosts zu mehr Berührungspunkten.
Mit Checklisten, Begriffsklärungen und eLearning-Angeboten will der Verein 100% Sport die Verantwortlichen stärken, Gewalt zu verhindern und gegebenenfalls aufzuarbeiten. Der autonome Verein ist im Ministerium angesiedelt und kümmert sich um sensible gesellschaftliche Themen im Sport.
Fehlende Sprache
Aufzuarbeiten gab es in den vergangenen Jahren im Österreichischen Judoverband einiges (Stichwort: Causa Seisenbacher): „Wir versuchen, sehr offen damit umzugehen“, sprach Präsident Martin Poiger die nötige Enttabuisierung des Themas an: „Dass es diese Fälle gab, ist umso mehr Auftrag für uns, uns damit auseinanderzusetzen.“
Fehlende Sprache
Die Enttabuisierung des Themas erleichtere die Prävention, sagt Kogler. Es werde dadurch einfacher, über Gewalt zu sprechen – vor allem auch für Betroffene. „Ein Grund, warum Missbrauch von Kindern und Menschen mit Behinderung oft unentdeckt bleibt, ist, dass ihnen die Sprache fehlt und das Bewusstsein, es einordnen zu können“, sagte die Geschäftsführerin von 100% Sport, Claudia Koller. Oft brauche es fünf bis sieben Anläufe, dass sich ein Kind Erwachsenen öffnet, bis überhaupt erkannt (oder geglaubt) werde, was tatsächlich passiert ist.
Sexualisierte Gewalt betreffe nicht ausschließlich Taten, die strafrechtlich relevant sind, sagt Kogler, sondern etwa auch sexualisierte Witze, das Zeigen von Fotos oder unangebrachte Einladungen. „Der Leitfaden ist super hilfreich, weil es noch viel Unsicherheit gibt, was man im Fall des Falles tun kann“, sagt Poiger.
Wie also reagieren, wenn das Bauchgefühl sagt, dass etwas nicht stimmt? Der Leitfaden zeigt die Möglichkeiten auf. In jedem Fall gilt es, Ruhe zu bewahren. Nicht in jedem Fall ist es ratsam, den Täter direkt zu konfrontieren. Oft bietet es sich an, eine jener Beratungsstellen zu kontaktieren, die von 100 % Sport aufgelistet werden.
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