ÖSV-Kaderschmiede: "In Stams lernt man das Durchbeißen"
Ob am Skisprungbalken, im Starthaus oder am Schießstand. Mit Druck muss man als Spitzenathlet umgehen können. Druck ist nichts Besonderes hier in Stams, im wohl bekanntesten Skigymnasium. Er gehört für die Schülerinnen und Schüler vom Tag der Aufnahmeprüfung an zum Alltag.
Sie wollen Olympiasieger und Weltmeisterinnen werden oder im Weltcup erfolgreich sein. Was das genau für die jungen Menschen bedeutet, will Regisseur Bernhard Braunstein mit seinem Dokumentarfilm „Stams“ aufzeigen (ab 3. März im Kino).
Kameras filmen die Athleten in ihrem schulischen Alltag, der sich nicht nur in Klassenzimmern, sondern vor allem in Trainingshallen, auf Skipisten oder Sprungschanzen und in Therapieräumen abspielt. Kommentiert wird das Geschehen nicht.
Mit dem Druck, jeden Tag um 6 Uhr aufzustehen und zu trainieren, Rennen zu fahren, um nach der Saison Schularbeiten und Prüfungen zu schreiben und am Ende die Matura abzulegen, kommt nicht jeder klar. „Wir sind ja alle hier, weil wir das wollen“, hört man einen Schüler sagen. „Aber jetzt müssen wir nur noch Ski fahren wie Maschinen!“
Immer wieder kommt es dazu, dass Schüler die Einrichtung wieder verlassen. Und selbst von denen, die bis zum Ende durchbeißen, kommen viele nicht an dem Ziel an, das sie sich selbst gesetzt haben.
Die Schule
Das Skigymnasium Stams nahe Innsbruck wurde 1967 als weltweit erste Schule dieser Art gegründet. Die AHS spezialisiert sich auf Alpinski, Skispringen, Langlauf, Biathlon, Nordische Kombination und Snowboard
Bekannte Absolventen
Unter den erfolgreichsten Absolventen sind Toni Innauer, Anita Wachter, Gregor Schlierenzauer und Benjamin Raich
Dokumentarfilm „Stams“
Für den Film (ab 3. März) begleitete Regisseur Bernhard Braunstein die Schüler ein Jahr lang in ihrem Schulalltag
Raue Töne
Sophia Waldauf hat es geschafft. Im Dezember feierte die Osttirolerin mit 21 Jahren am Semmering ihr Debüt im Skiweltcup. Just zu einer Zeit, in der vor allem im ÖSV-Frauenteam Woche für Woche von einer Krise die Rede war. „Natürlich merkt man schon als Schülerin einen gewissen Druck. Aber das macht einem nicht so viel aus, wenn man etwas mit Leidenschaft macht.“
Im Stams-Film ist Waldauf beim Training, in Gesprächen, in der Kraftkammer zu sehen – stets fokussiert. „Wenn man ein Kind ist und diesen Traum hat, dann denkt man über das Scheitern nicht nach. Du gehst Schritt für Schritt weiter und weiter: Kinderrennen, Schülerrennen, FIS-Rennen.“
Durchbeißen
Geschichten über Initiationsriten oder Machtmissbrauch erzählt der Film nicht. „Was sexuellen Missbrauch durch Lehrer oder Trainer angeht, ist Stams auch bisher nie etwas nachgewiesen worden“, sagt Ex-Skirennläuferin und Stams-Absolventin Nicola Werdenigg, mit der sich Regisseur Braunstein viel ausgetauscht hat.
Was durchaus auch im Film zu sehen ist, sind raue Umgangstöne zwischen Trainern und Athletinnen. „Einen gewissen Druck muss man schon aushalten“, sagt Waldauf. „In Stams lernt man das Durchbeißen.“ Den rauen Umgangston ab und an findet sie aber „nicht mehr zeitgemäß“.
Skination unter Druck
Wer sind die neuen Hirschers, Schilds, Raichs?
Immer wieder stellt sich in Österreich die Nachwuchsfrage. Dass der Druck auf den ÖSV auch auf dessen Kaderschmiede wirkt, findet Stams-Schulleiter Arno Staudacher nicht.
Geld fließe zwischen dem Skiverband und der Schule nicht, die Schule sei nicht gegründet worden, um Spitzensportler zu generieren, sondern um Athleten eine Schulausbildung zu ermöglichen. Etwa ein Drittel der Absolventen schafft es in die nationale Selektion, die allerwenigsten an die Weltspitze.
„Wir können die Bedingungen schaffen“, sagt eine Lehrkraft im Film zu den Schülern. „Aber ihr müsst sie selbst ausnutzen.“
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