Die Fusion mit der US-Golf-Tour gilt als Zäsur im Weltsport, dürfte aber nur ein Etappenziel sein, erklärt Nahost-Experte Guido Steinberg. Welche Rolle spielt Fußball für das Königreich?
Monatelang hat die US-Golf-Tour PGA die vom saudi-arabischen Staatsfonds finanzierte Konkurrenz-Tour LIV bekämpft, die Topstars mit hohen Geldsummen lockte. Nun wird fusioniert. Ein riesiges Medienecho war die Folge. Der Zusammenschluss gilt als größter Coup eines autoritär geführten Landes im Weltsport.
Cristiano Ronaldo und Karim Benzema werten die dortige Fußballliga auf, vier Topklubs wurden zuletzt offiziell vom saudischen Staatsfonds PIF übernommen. Die Liga, derzeit auf Rang 58 der Welt, will durch riesige staatliche Finanzspritzen unter die Top Ten kommen. In der Premier League gehört dem PIF bereits der Klub Newcastle, in der Formel 1 sind Saudi-Gelder vor allem im Sponsorenbereich im großen Stil vertreten.
Die Argumente der Kritiker einer Expansion Saudi-Arabiens im internationalen Sport drehen sich vor allem um den Faktor Menschenrechte. Saudi-Arabien wird autoritär geführt, Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) wird für den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi 2018 verantwortlich gemacht. Unter MBS wurde die Repression nach innen intensiviert, während ein gesellschaftliches Reformprogramm läuft. Der Handlungsspielraum für Opposition ist gering.
Vor all diesen Hintergründen fusionieren nun die beiden ursprünglich konkurrierenden Golf-Touren miteinander. Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin verfolgt die Entwicklungen in Saudi-Arabien und der Region seit Jahren.
Warum hat die Golf-Fusion so viel Aufregung erzeugt?
Golf hat in den USA und auf den Britischen Inseln einen riesigen Stellenwert. Wenn wir das in West- und Mitteleuropa verstehen wollen, müssen wir das mit dem Fußball vergleichen. Die PGA ist ungeheuer dominant, ein globaler Akteur mit großem Einfluss auf den Golfsport insgesamt.
Ist die Fusion also ein Sieg für Saudi-Arabien?
Auf jeden Fall. Der Staatsfonds PIF steht unter der Kontrolle des Kronprinzen Mohammed bin Salman, und der handelnde Akteur Yassir al-Rumayyan(Vorsitzender des PIF, Anm.) ist ein ganz enger Vertrauter, der in Abstimmung mit und im Auftrag von MBS handelt. Sie haben mit ganz viel Geld innerhalb kurzer Zeit ein Konkurrenzprodukt gebildet, um Druck zu erzeugen, sodass die PGA sich des Angriffs nicht mehr erwehren konnte. Eine Art „feindliche Übernahme“.
Es gibt das Gerücht, dass der Kronprinz bis 2030 25 Weltmeisterschaften ins Land holen will.
Golf war eine Etappe. Saudi-Arabien hat klein angefangen, aber man merkt, dass es eine Strategie fährt, ähnlich wie Katar vor 2010. Es geht ihnen auch um die ganz großen Sportereignisse. Sie werden keine Ruhe geben, bis sie Events in ganz unterschiedlichen Sportfeldern bekommen. Golf ist dabei ein ganz wichtiger erster Schritt. Das große Ziel ist die Fußball-WM.
Saudi-Arabien versucht, das katarische Modell zu kopieren. Wobei eine Mischung aus politischen und ökonomischen Zielen dahinterstecken dürfte. Längerfristig geht es tatsächlich auch darum, mit Sport Geld zu verdienen. Das klingt nicht unmittelbar verständlich in Anbetracht dessen, was für Summen dafür ausgegeben werden. Aber vor allem beim Thema TV-Rechte geht es um mögliche riesige Einnahmen. Die Saudis betonen ja immer, dass es um die Diversifizierung ihrer Wirtschaft für die Zeit nach dem Öl geht. Der politische Aspekt ist, dass es Saudi-Arabien um seine Reputation in der Welt geht. Sie wollen zunächst im Sport ein globaler Akteure werden. Nach katarischem Vorbild.
Hat diese Politik auch nach innen einen Auftrag?
Es heißt, es gehe auch darum, die eigene Bevölkerung für Sport und Bewegung zu gewinnen. Das wäre auch dringend notwendig, denn viele leiden unter Zivilisationskrankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes. Dazu kommt, dass MBS eine Art Entertainment-Sektor aufgebaut hat. Das gab es davor nicht. Sport ist ein Teil davon. Saudis sind fußballverrückt. Für sie ist das eine Riesenshow, wenn diese großen Spieler kommen.
Hat dieser Entertainmentsektor auch etwas von „Brot und Spiele“? Hat man Angst vor einem Aufstand der Jungen?
Ich würde es vorsichtiger formulieren. Es gibt keine Sorge vor größeren Protesten, zumindest nicht kurzfristig. Aber MBS hat die jungen Leute im Land als seine Verbündeten identifiziert – durchaus mit Erfolg. Er ist sehr beliebt. Und selbst Kritiker weisen immer wieder auf die Verbesserungen – soziale und kulturelle Reformen – hin.
Sie sagten, Saudi-Arabien geht nach katarischem Modell vor. Katar wirkt aber diskreter. Was ist Ihr Eindruck?
Ich glaube, der Unterschied ist, dass wir das bei Katar weniger wahrgenommen haben. Katar hat schon in den 1990er-Jahren angefangen, die ersten Sportereignisse auszurichten. Viele haben das hier in der westlichen Welt erst wahrgenommen, als es nicht mehr zu übersehen war. Als Katar 2009 Paris SG übernommen hat und als es die WM 2010 zugesprochen bekam. Ein Unterschied ist allerdings, dass Saudi-Arabien mit einer enormen Aggressivität agiert. Wir sehen das gerade in der Golf-Fusion.
Inwiefern?
Das ist schon eine neue Qualität. Vielleicht, weil Saudi-Arabien jetzt unter Druck steht: Was Katar in kontinuierlicher Arbeit innerhalb von 25 Jahren aufgebaut hat, wollen die Saudis jetzt innerhalb eines Jahrzehnts mit Blick auf 2030 aufholen. Doch es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten. Beide arbeiten mit viel Geld. Beide arbeiten zielgerichtet. Eine ganz wichtige Etappe ist bzw. war in beiden Fällen die Fußball-WM.
Saudi-Arabien hat bereits versucht, die Formel 1 zu kaufen. Es wird gemunkelt, dass man etwa die NBA übernehmen will. Wie sehen Sie die Chance zu derartigen Entwicklungen?
Bei der NBA geht es wohl zuerst darum, ein Team zu übernehmen. Das ist durchaus möglich. Das wäre sehr wichtig, wenn es darum geht, im US-amerikanischen Sport eine Rolle zu spielen. Vor allem auch deshalb, weil die Saudis im Basketball noch nicht dabei sind. Überall dort, wo ein Sport international wahrgenommen wird, unternehmen sie Versuche. Ich gehe davon aus, dass das in den nächsten Jahren verbreitert und vertieft wird. Sie werden sich nicht damit begnügen, Fußballer ins Land zu holen.
Es wird auch interessant sein, was mit Newcastle passiert. Die Teilnahme an der Champions League wird wohl nicht das Ende der Fahnenstange sein aus saudi-arabischer Sicht. Vor allem wegen der regionalen Konkurrenz: Katar hat vorgelegt mit der WM, und man darf nicht vergessen, dass Manchester City im Besitz der Vereinigten Arabischen Emirate ist. Die haben mit dem Gewinn der Champions League Maßstäbe gesetzt, an denen sich Saudi-Arabien in den nächsten Jahren orientieren wird.
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