Formel 1 in Saudi-Arabien: Spielzeuge des Kronprinzen
Was kostet die (Sport-)Welt?
Saudi Arabien versuchte zuletzt, den Preis zumindest der Formel 1 zu erraten: 20 Milliarden Dollar soll der Investment Fonds des Königreichs kürzlich laut Bloomberg der Mediengesellschaft Liberty Media geboten haben, die seit 2017 die Rechte für die Rennserie besitzt. Die Gesellschaft lehnte ab, obwohl das Gebot offenbar weit über dem Marktwert von 15 Milliarden Dollar lag.
Die Formel 1 wäre ein weiterer Eintrag ins Sportportfolio der Saudis gewesen. Deren nationaler Investmentfund PIF, dessen Vorsitzender Kronprinz Mohammed bin Salman ist, und saudische Sponsoren, die meist nicht ganz vom Staatsapparat zu trennen sind, haben Geld bereits in verschiedensten Sportarten strategisch eingesetzt: Längst werden lukrative Sportevents in Saudi-Arabien abgehalten, etwa im Tennis (King Salman Tennis Championship) und im Motorsport (Rallye Dakar), im Boxen oder Wrestling.
Politische Manöver
Im Oktober 2021 unterstützte der PIF mit zwei Milliarden Dollar die Gründung der LIV-Golf-Tour, einer alternativen Asien-Tour zur US-amerikanischen PGA. Ungefähr zur selben Zeit steuerte der PIF 300 Millionen Euro zum Kauf des englischen Fußball-Klubs Newcastle United bei.
Die beiden Investitionen sorgten aber zuletzt für Erklärungsnot. Denn in einem Rechtsstreit der Golftour mit der PGA ordnete ein US-Richter nun die Herausgabe von Unterlagen des PIF an. Der PIF winkte ab – mit dem Hinweis, dass die Anordnung „ein Eingriff in die Souveränität eines fremden Staates“ sei, der PIF „keine gewöhnliche Partei“, sondern „eine Institution des Königreichs“. Das könnte jetzt bei Newcastle zum Verhängnis werden. Denn beim Einstieg in die Premier League musste der PIF versichern, dass Newcastle dadurch nicht von einem Staat (Saudi-Arabien) gesteuert werde.
Der Ausgang des Streits ist noch offen. Doch eines ist klar: Fußball ist ein riesiger Puzzlestein in Saudi-Arabiens sportwirtschaftlicher Politik. Das zeigt auch das Bemühen um die Superstars Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Ronaldo ist seit Jänner beim saudischen Klub Al-Nassr unter Vertrag (um rund 200 Euro pro Jahr), wo der 38-Jährige über seine aktive Karriere hinaus als Testimonial für eine Fußball-WM in dem Land dienen soll.
Messi steht bereits auf der Payroll des Kronprinzen: als Werbeträger für die Tourismusbehörde „Visit Saudi“ (kürzlich als Sponsor der Frauen-WM ausgeladen). Messi wird zudem heiß vom saudischen Klub Al-Hilal umgarnt, der ähnliche Konditionen anbieten soll wie Al-Nassr für Ronaldo.
Kritik umkurven
Zurück zur Formel 1. In den vergangenen Jahren wurde die WM immer saudi-arabischer - auch ohne den Kauf. 2021 kam der GP nach Jeddah. Förderlich könnte dabei ein Deal mit der staatlichen Ölgesellschaft Aramco über mehr als eine halbe Milliarde Euro gewesen sein.
Aramco ist außerdem Geldgeber bei Aston Martin, wo vor Kurzem auch Saudia, die nationale Fluglinie, als Sponsor eingestiegen ist. Schon in den 1970ern war die Airline als Williams-Sponsor in der Formel 1, ebenso übrigens wie die Hotelkette Albilad von Osama bin Ladens Vater Muhammad.
Neom, das spektakuläre Stadtentwicklungsprojekt des Kronprinzen, hat indes einen Deal mit McLaren. Zudem wollen Gerüchte nicht verstummen, dass es demnächst ein Racingteam in Saudi-Besitz geben könnte.
Für Länder wie das ölreiche Saudi-Arabien spielt Geld keine Rolle, durch Investitionen will man das Königreich von Vorwürfen in Sachen Krieg (Jemen), Menschenrechtsverletzungen (Frauen, Minderheiten, Kritiker), mangelnde Pressefreiheit und politische Morde (etwa Journalist Jamal Khashoggi) reinwaschen. Wie kann das ein schlechtes Land sein, in dem Messi selig über die Dünen wandelt?
Realitäts-Check
Ist es das? 2022 war kurz vor dem Rennen in Jeddah eine Rakete in eine Öl-Anlage des Formel-1-Hauptsponsors Aramco eingeschlagen, nur wenige Kilometer von dem Kurs entfernt. Hintergrund war der Krieg im Jemen, wo Saudi-Arabien gegen den Iran kämpfte. „Das war schon unheimlich“, sagte Alpine-Pilot Esteban Ocon. Vor wenigen Tagen aber einigten sich beide Staaten überraschend darauf, ihre Beziehungen in den kommenden zwei Monaten wieder aufzunehmen.
Es war nur ein paar Tage vor dem Grand Prix in Jeddah 2022, als 81 Menschen in Saudi-Arabien exekutiert wurden. Einer davon war Mustafa al-Khayyat. Sein Bruder sagte zuletzt dem britischen Guardian: “Das Königreich verwendet das Spektakel dieser WM, um von Hunderten von Morden abzulenken. Der Grand Prix, der einfach weitergeht, ohne diese Grausamkeiten zu erwähnen, die am selben Boden passieren, legitimiert diese schrecklichen Taten.”
Veränderung durch Events
Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali sieht das anders: „Ich glaube fest daran, auf die richtige Weise Druck auszuüben. Denn ich habe gelernt, dass man Leute, die anders als du denken, nicht anschreien darf, wenn du von ihnen gehört werden willst.“ Die Fahrer Lance Stroll und Sergio Perez fanden in Jeddah ähnliche Worte: Die Formel 1 habe viel Veränderung gebracht.
Lewis Hamilton hat da seine Zweifel. Schon vor dem Saisonauftakt in Bahrain bekräftigte er, die Formel 1 müsse mehr tun. Näheres sagte der Brite nicht. Den Fahrern wurde vor der Saison verboten, sich zu politisch zu äußern. Einigen Geldgebern gefällt das nämlich nicht.
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