Dass Mercedes Protest einlegte, war ein Akt der Logik und kein Beweis für einen unwürdigen Verlierer. Red Bull hätte im umgekehrten Fall vermutlich ebenso gehandelt. Wenn man bis zum Schluss um den Titel kämpft, Lewis Hamilton noch dazu ein perfektes Rennen fährt, dann will man den Verlust der scheinbar nahen Weltmeisterschaft nicht wahrhaben.
Doch der Mercedes-Protest wurde zu Recht abgewiesen. Einzig die Kommunikation von Rennleiter Michael Masi in der Safety-Car-Phase war wenig geglückt. Zunächst hieß es, dass die vier überrundeten Autos zwischen Hamilton und Verstappen ihre Position halten müssen, was den Engländer zum Weltmeister gemacht hätte. Dann änderte Masi die Meinung, die Autos durften sich zurückrunden, wodurch Verstappen mit besseren Reifen plötzlich direkt hinter Hamilton lag.
Der Rennleiter folgte damit nur der üblichen Linie, denn solche Situationen wurden bisher immer auf diese Weise gehandhabt. Formel 1 ist ein ständiges Ausloten der Grenzen auf der Strecke und ein dehnbares Auslegen der Regeln abseits der Pisten. Dabei geht es nicht immer fair zu. Doch Verstappen wurde nicht mit unfairen Mitteln Weltmeister.
Von Alexander Strecha
CONTRA: Ein bisschen zu viel Zufall
Die besten Schiedsrichter agieren unauffällig und mit klar nachvollziehbaren Entscheidungen. Im Idealfall greifen sie nicht in den sportlichen Ausgang eines Wettbewerbs ein. Das gilt für die 2. Fußballklasse Waldviertel Süd wie auch für die Formel 1 beim Saisonfinale.
Dem Anspruch wurde die wichtigste Motorsportrennserie der Welt am Sonntag nicht gerecht. Die WM-entscheidende Anweisung mag vom Hunderte Seiten dicken Regelbuch gedeckt sein (womöglich liegt darin die Wurzel vielen Übels), doch dass die Unparteiischen ihre Entscheidung nur vier Minuten später wieder zurücknahmen, wirkte willkürlich und merkwürdig.
Den beteiligten Fahrern und Teams ist dabei kein Vorwurf zu machen. Weder dem Mercedes-Rennstall, der (erfolglos) Protest einlegte gegen das Endergebnis, noch der Red-Bull-Crew, die die Gunst des einzigartigen Moments perfekt nutzte. Ob der am Sonntag in Abu Dhabi makellose Lewis Hamilton um den WM-Titel betrogen wurde, ist nicht unbedingt Gegenstand der aktuellen Debatte.
Sport lebt – auch – vom Zufall. Viel zu oft hat in der jüngeren Vergangenheit einfach der Schnellste in der zu perfekt gewordenen Formel 1 gewonnen. In den schlimmsten Fällen fielen Rennentscheidungen in der Box beim Reifen-Umwuchten und nicht auf der Strecke. Auf genau dieses Argument berufen sich aktuell die Anhänger von Max Verstappen und Red Bull. Doch wurde diese großartige WM wirklich auf der Piste entschieden oder doch eher im Kontrollraum der Regelhüter?
Von Philipp Albrechtsberger
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