Lena Grabowski: "Ich kam ins Training, um mich nicht zu verlieren"

Lena Grabowski: "Ich kam ins Training, um mich nicht zu verlieren"
Depressionen im Spitzensport. Die Schwimmerin Lena Grabowski ist im August mit nur 21 Jahren vom aktiven Sport zurückgetreten. Was sie anderen Athleten und Athletinnen rät.

Lena Grabowski ist seit Kurzem in Schwimmpension. Im August verkündete sie mit nur 21 Jahren ihren Rücktritt vom aktiven Sport. Ihren größten Erfolg, die Bronzemedaille bei der Kurzbahn-EM 2021 in Kazan kommentierte die Burgenländerin mit dem legendären Satz: „Jemand soll mir einen Besen bringen, den ich fressen soll.“ Im selben Jahr schwamm sie ihre Bestzeit und nahm an den Olympischen Spielen teil. Psychische Probleme machten eine Rückkehr zu der Stärke von damals für sie unmöglich. Nun will sie sich dem Studium widmen.

KURIER: 2021 war Ihr Jahr. Danach wollten Sie sich auf die Matura konzentrieren. Wie ist das gelaufen?

Lena Grabowski: Eigentlich recht gut. Ich habe die Matura erfolgreich bestanden. Aber sie war der Anfang vom Ende. Ich hatte unterschätzt, wie viel wegfällt von der Psyche und wie sehr ich in diesem Doppeldrucksystem einfach nur funktioniert habe. Als dann so ein großer Druckbereich weggefallen ist, hatte ich im Schwimmsport viel zu kämpfen, weil ich einfach nicht mehr nur funktionieren konnte. Ich habe in der Zeit gemerkt, wie wichtig es ist, auf meine eigene Psyche zu schauen und angefangen, mit einer Sportpsychologin zu reden.

Sie hatten gesagt, „jetzt mache ich mal die Matura und dann kann ich mich voll auf das Schwimmen konzentrieren“. Warum ging das nicht?

Ich habe unterschätzt, wie sehr ich immer meine Psyche missachtet habe. Und ich bin zusammengebrochen. Ich bin in eine Depression gerutscht, ich habe Antidepressiva genommen. Ich möchte offen darüber reden, weil ich nicht will, dass junge Sportlerinnen und Sportler glauben, dass das abnormal wäre. Ich kenne sehr viele, die ähnliche Situationen hatten. Und ich finde es schade, dass nicht offen darüber gesprochen wird.

Wie haben sich die Probleme bei Ihnen geäußert?

Mein Trainer ist damals zu mir gekommen und hat gesagt: „Du bist immer als Erste da, aber du bist nicht anwesend.“ Die Schule war fertig, ich wusste nicht, was ich mit dem Leben machen soll. Ich hatte nichts außer dem Schwimmsport. Mit der AHS-Matura, so scheiße es klingt, kann ich nichts anfangen, wenn ich nicht studiere. Dazu kamen familiäre Probleme. Ich bin in ein Loch gefallen, was mir nicht einmal selber aufgefallen ist. Bis es mir zugetragen wurde. Dafür bin ich meinem Trainer Balázs Fehérvári sehr dankbar. Ich hatte immer viel gelacht beim Training, konnte gut trainieren. Und auf einmal war ich nur noch beim Training, um mich selbst nicht zu verlieren.

Und dann haben Sie angefangen, mit einer Psychologin zu arbeiten und Antidepressiva zu nehmen? 

Ich habe ungefähr für ein Jahr Antidepressiva genommen. Was im Sport schwierig war. Ich konnte beim Training nicht mehr das geben, was gefragt war. Verständlicherweise hat das meinem Trainer nicht gefallen. Ich habe angefangen, mich von ihm zu distanzieren. Einfach, weil dieses System, dieses östliche System, für meine Psyche einfach nicht mehr gut war.

Ein Trainer verkörpert in gewisser Weise ja diese Drucksituation, der man im Leistungssport ausgesetzt ist.

Ja, das stimmt schon. Er hat doch sehr direkt Druck ausgeübt – nicht mit Absicht, bin ich mir ziemlich sicher. Auch wenn er es nicht böse meint, er hat einfach diese direkte Art, die man an einem Trainer auch schätzt, natürlich. Und seine Trainings sind für den Schwimmsport perfekt, für die Distanz, die ich schwimme. Aber dieses Menschliche, dieses Zwischenmenschliche, war manchmal einfach ein bisschen abwesend.

KURIER TV: Zum ausführlichen Sport Talk mit Lena Grabowski

Aber denken Sie, es ist möglich, Leistungssport auszuüben ohne den Druck?

Ich glaube schon, dass es das Richtige ist, was er tut. Es schwimmen jetzt immer noch viele bei ihm – erfolgreich. Balázs ist ein wunderbarer Trainer! Aber zwischenmenschlich und manchmal sprachlich war es etwas schwierig. Er drückt Dinge manchmal zu direkt aus und du nimmst dir das sehr zu Herzen als Sportlerin.

Sie wollten sich zurückkämpfen. Doch im Sommer folgte der Schlussstrich. Was war der Auslöser?

Es hat mir das Herz gebrochen, bei jedem Wettkampf immer schlechter zu sein als bei dem Wettkampf davor. Und ich habe nicht verstanden, ich verstehe es bis heute nicht, warum es bei den Wettkämpfen einfach nicht mehr funktioniert hat.

Was würden Sie jungen Sportlern, Sportlerinnen raten, wenn sie merken, der Druck wird zu viel? Was hätten Sie selbst rückblickend anders oder früher gemacht?

Ich hätte mir viel früher eine Sportpsychologin gesucht, weil ich das wirklich unterschätzt habe, wie sehr dieser Doppeldruck einen fertigmacht. Man unterschätzt, wie viel Einfluss die Psyche auf den Körper hat, dass man dann auch viel schneller krank wird, anfälliger ist für Erkältungen und sowas. Das ist ja für den Sportler auch wieder scheiße. Ich empfehle wirklich jedem Sportler und jeder Sportlerin, dass sie jemanden haben, mit dem sie reden. Und am besten jemanden, der nicht in diesem Komplex ist, in dem sie trainieren. Ich möchte ja selbst in die Psychologierichtung gehen und das, was ich erlebt habe, offen jungen Athletinnen und Athleten weitergeben.

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