Krieg und Sport in Europa: Putin, Gazprom und die Champions League
Ein Champions-League-Finale in St. Petersburg, während Russland gegen die Ukraine Krieg führt? Das hat mehr als nur eine schiefe Optik. Der Europäische Fußballverband dürfte nun die Reißleine ziehen. Nach den jüngsten Entwicklungen in der Ukraine hat UEFA-Präsident Aleksander Čeferin für Freitag das Exekutivkomitee einberufen, hieß es auf KURIER-Anfrage. Die Entscheidung dürfte laut Insider-Informationen bereits gefallen sein: Das Spiel am 28. Mai soll offenbar an einem anderen Ort stattfinden.
Doch mit der Diskussion um das Finale wird nun auch dem letzten Fußballfan bewusst, dass es mit der Verlegung eines Spiels aus dem Konfliktteilnehmerland Russland nicht getan ist.
"Russland ist sehr clever vernetzt in den Sportgremien, Verbänden und wirtschaftlichen Netzwerken Europas", sagt der Sportjournalist Ronny Blaschke, der in seinem Buch "Machtspieler" die Instrumentalisierung von Fußball in Propaganda, Krieg und Revolution beleuchtet.
"Russland ist eine der Sport-Supermächte der Gegenwart", sagt Blaschke. Wladimir Putin habe die Maßstäbe gesetzt, wie man den Fußball in die Politik einbetten kann. Seit seinem Aufstieg zum Präsidenten nutzt der Sport-Enthusiast Putin diesen Bereich für innen- und außenpolitische Zwecke. Moskau hat sich in den vergangenen Jahren auf mehreren Ebenen in den Weltsport "eingekauft", mehrere russische Milliarden stecken in den beliebtesten Ligen und Events.
Großveranstaltungen
Vor allem durch Großevents hat sich Russland auf die internationale Sport-Bühne manövriert. Die Olympischen Winterspiele 2014 fanden noch unter heftiger Kritik statt, mit der Fußball-WM von 2018 und als einer mehrerer Austragungsorte der Euro 2020 normalisierte sich die Vorstellung. Formel 1 wird seit 2014 im Autodrom von Sotschi gefahren, doch auch die steht in diesem Jahr auf der Kippe.
Mit der wahrscheinlichen Absage des Champions-League-Finales wird in Russland zwar vorerst nicht international Fußball gespielt, doch Moskau ist im europäischen Fußball allgegenwärtig. Die wohl wichtigste Rolle spielt dabei der staatliche Gaskonzern Gazprom. Er ist unter anderem als Großsponsor für die EM 2024 in Deutschland gelistet und sponsert die Verbände UEFA und FIFA.
FIFA-Präsident, Gianni Infantino, hat zumindest am Donnerstag "den Einsatz von Gewalt durch Russland in der Ukraine" verurteilt. "Wir sind heute aufgewacht und waren schockiert über das, was wir gesehen und erfahren haben", sagte der Schweizer nach einer Sitzung des FIFA-Councils. "Die FIFA hofft auf die schnelle Einstellung der gewalttätigen Auseinandersetzung und auf Frieden in der Ukraine."
Klub-Finanzierung
Gazprom besitzt auf Klubebene nicht nur den Fußballklub Zenit St. Petersburg, sondern ist auch tatkräftiger Sponsor bei Roter Stern Belgrad und beim schuldengeplagten deutschen Traditionsverein Schalke 04 – der gestern allerdings beschloss, den Schriftzug von den Dressen zu entfernen.
Auch die Wiener Austria bezieht Geld von dem russischen Staatskonzern. Der Sponsor-Vertrag der Wiener mit Gazprom wurde auf insgesamt rund 24 Millionen abgeschlossen und läuft noch bis 2023.
Vor allem aber in der Premier League arbeitet man sich an der russischen Puppe der Investitionen ab, Premierminister Boris Johnson sprach davon, die "Matrjoschka" der Firmengeflechte im Fußball zerlegen zu wollen. Etwa jenes von Oligarch Roman Abramowitsch, der allerdings bestreitet, dem Kreml nahezustehen.
Abramowitsch kontrolliert seit 2003 den FC Chelsea, er ging gerichtlich gegen die Behauptung vor, er tue das auf Geheiß des russischen Präsidenten. Auf der Sanktionsliste soll er entgegen ersten Berichten aber nicht stehen. Ebensowenig wie Putin-Freund Alischer Usmanow, früherer Anteilseigner von Arsenal, der heute mit seiner Firma den FC Everton sponsert.
Eine erste "Entwirrung" von russischem Geld vollzog Manchester United am Mittwoch. Der Klub flog, statt mit dem russischen Partner Aeroflot, kurzerhand per Charterflug zum Achtelfinale zu Atlético nach Madrid.
Funktionärsebene
Wie eng Gazprom und der Fußball mit der russischen Politik verbunden sind, zeigen die Personen Alexander Dyukov und Vitalj Mutko. Dyukov, der Ex-Präsident von Zenit St. Petersburg, ist heute nicht nur Präsident des russischen Verbandes, sondern auch Vorstandsvorsitzender einer Gazprom-Tochterfirma. Er sitzt im Exekutivkomitee der UEFA.
Mutko, sein Vorgänger als Zenit-Präsident, der einst den Gazprom-Deal an Land gezogen hatte, war ebenfalls Präsident des Verbandes, hielt Posten in der UEFA und der FIFA, wurde russischer Sportminister und schaffte es bis zum Vizepremier.
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