IPC-Präsident: "Das ist ein klares Signal an die Machthaber dieser Welt"


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Zusammenfassung
- Andrew Parsons äußert große Hoffnungen für die Paralympics 2024 in Italien und betont die Herausforderungen durch die globale Erwärmung.
- Der IPC arbeitet eng mit dem Organisationskomitee zusammen, um die Spiele erfolgreich vorzubereiten und die Ticketverkäufe zu maximieren.
- Die Klassifizierung im Para-Sport wird mit einem neuen Kodex überarbeitet, während politische Konflikte wie der Ausschluss russischer Athleten weiterhin diskutiert werden.
Der brasilianische Sportfunktionär Andrew Parsons (48) ist seit 2017 Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC).
KURIER: Die Paralympischen Winterspiele in Mailand und Cortina sind noch ein Jahr entfernt. Was sind Ihre Erwartungen und Hoffnungen?
Andrew Parsons: Wir haben große Hoffnungen für diese Spiele und glauben, dass sie unglaublich schön werden. Die Austragungsorte sind atemberaubend. Aber ich denke, wir werden allem vom Sport begeistert sein, denn wir haben das Wachstum des paralympischen Wintersports zwischen Pyeongchang und Peking beobachtet. In Peking haben viele junge Athleten Medaillen gewonnen – im alpinen Skisport waren zum Beispiel die Hälfte der Goldmedaillengewinner unter 21 Jahre alt. Wenn man bedenkt, dass diese Athletinnen und Athleten jetzt vier Jahre älter und erfahrener sind und wahrscheinlich eine neue Generation inspiriert haben, dann werden wir in Mailand und Cortina wahrscheinlich die bisher stärksten Winterspiele erleben.
Was werden Ihre Aufgaben in den kommenden Monaten sein? Was sind die größten Herausforderungen?
Wir arbeiten eng mit dem Organisationskomitee zusammen. Es gibt gewisse Meileinsteine, sehr wichtig ist etwa der Ticketverkaufsstart. Wir wollen, dass die Zuschauer zurückkommen und dass alle Tickets verkauft werden. Bei den Paralympischen Spielen in Paris 2024 hatten wir hohe Verkaufszahlen, ebenso wie 2018 in Pyeongchang. Das wollen wir wiederholen. Ab Ende März vertiefen wir die Zusammenarbeit mit den nationalen paralympischen Komitees für die letzten Vorbereitungen. Dann beginnt die Phase der operativen Planung. Wir haben bereits Testevents durchgeführt und daraus gelernt. Nun werden Anpassungen vorgenommen, um bestmöglich vorbereitet zu sein.
Sie haben die Testveranstaltungen angesprochen. Im Februar fand die Ski-WM in Saalbach statt, zeitgleich die Para-Ski-WM in Maribor. Allerdings lief es nicht wie geplant und erhofft: Nur vier der zehn geplanten Veranstaltungen konnten aufgrund von Schneemangels stattfinden. Zudem wurde die Veranstaltung komplett von der WM in Saalbach überschattet. Welche Lehren kann man daraus ziehen?
Diese Veranstaltungen werden nicht vom IPC, sondern vom Internationalen Skiverband (FIS) organisiert. Wir haben vor einigen Jahren die Verantwortung für den Para-Schneesport an die FIS übertragen. Das ist für sie ein Lernprozess. Die Balance zwischen nicht-behinderten und paralympischen Wettkämpfen zu finden – wie in Salzburg und Maribor – ist eine Herausforderung. Aber ich kenne den FIS-Präsidenten und viele Verantwortliche gut und bin sicher, dass sie aus den Erfahrungen lernen und stärker zurückkommen werden.
Was die Schneebedingungen betrifft: Die globale Erwärmung ist Realität, auch wenn manche sie für eine Theorie halten. Sie ist Realität und sie hat direkte Auswirkungen auf den Wintersport. Wir müssen lernen, damit umzugehen, Veranstaltungen besser zu planen und uns anzupassen. Zeitgleich ist es aber auch ein klares Signal an die Führer dieser Welt, dass wir als Menschheit daran arbeiten müssen. Es geht nicht nur darum, Ski-Events abzusagen, sondern darum, wie die globale Erwärmung die Welt beeinflusst.
Wie besorgt sind Sie, dass der Schneemangel die Paralympics in einem Jahr beeinträchtigen könnte?
Die Paralympischen Winterspiele finden normalerweise im März statt, wenn das Wetter in vielen Teilen der Welt eine Rolle spielt. Wir glauben nicht, dass es ein großes Problem wird, sind aber darauf vorbereitet. In Pyeongchang hatten wir zum Beispiel Temperaturen von 26 Grad in den Bergen. Das beeinflusste die Schneequalität, aber wir haben eng mit dem Organisationskomitee zusammengearbeitet und künstlichen Schnee genutzt. Aber noch einmal: Die globale Erwärmung ist Realität und wird bleiben. Wir müssen herausfinden, wie Wintersport unter diesen Bedingungen organisiert werden kann, während die politischen Verantwortlichen versuchen Lösungen zu finden, um den Planet zu retten.
Ein großes Diskussionsthema ist seit Jahren die Klassifizierung im Para-Sport. Viele Sportler mit schwereren Behinderungen fühlen sich benachteiligt. Wie sehen Sie die aktuelle Situation? Welche Maßnahmen werden ergriffen?
Die Klassifizierung ist einzigartig im paralympischen Sport. Manche sehen sie als Achillesferse unserer Bewegung – ich glaube, dass sie die Paralympics erst möglich macht. Ohne Klassifizierung gäbe es keinen paralympischen Sport. Aber natürlich gibt es Verbesserungsbedarf. Letztes Jahr haben wir einen neuen Klassifikationskodex verabschiedet, der nach den Spielen in Mailand und Cortina in Kraft tritt. Das neue System gibt den internationalen Verbänden klare Richtlinien für ihre Sportarten. Das ist ein wichtiger Schritt vorwärts. Ich glaube allerdings nicht, dass es nur Sportler mit hohem Unterstützungsbedarf betrifft, wenn die Grenzen nicht klar definiert sind, sondern alle. Und wir hoffen, dass wir mit dem neuen Kodex mehr Klarheit, Transparenz und Effizienz schaffen können.
Die Paralympics wachsen stetig, aber oft stehen die Athleten nur während der Spiele im Rampenlicht. Wie kann das geändert werden?
Das ist eine Herausforderung, die nicht nur die Paralympics betrifft. Viele olympische Sportarten haben das gleiche Problem. Wir versuchen, die Spiele bekannter zu machen und die Sichtbarkeit der Athleten zwischen den Spielen zu erhöhen. Dabei arbeiten wir mit den internationalen Verbänden zusammen, um Weltmeisterschaften, Weltcups und andere Veranstaltungen attraktiver für Medien und Zuschauer zu gestalten. Wir versuchen also unsere Mitgliedsländer zu stärken, was die Finanzen, die Kapazitäten oder Werbung angeht.

Ein umstrittenes Thema war der Ausschluss russischer und belarussischer Athleten von den Spielen 2022. Russland fordert nun eine Teilnahme an den Spielen in Italien. Welche Rolle sollte das IPC in politischen Konflikten spielen?
Ich denke, Sport sollte Menschen zusammenbringen, nicht spalten oder in politische Konflikte verwickelt werden. Das ist nicht unsere Mission. Aber natürlich beeinflussen politische Ereignisse unsere Events. Für jede Sport-Organisation ist es wichtig, sich an seine Regeln zu halten. Bei den Spielen in Peking mussten wir schwierige Entscheidungen treffen, um die Spiele zu schützen. Unsere Generalversammlung hat dann eine Teil-Suspendierung beschlossen, was bedeutet, dass russische und belarussische Athleten nur als neutrale Sportler antreten dürfen.
Als Organisation mit Sitz in Deutschland müssen wir außerdem deutsche Gesetze befolgen, die vorschreiben, dass wir über eine Suspendierung in jeder Generalversammlung diskutieren müssen. Im September werden wir also erneut über das Thema abstimmen. Und dann können wir die Teil-Suspendierung aufheben, belassen oder eine komplette Suspendierung beschließen. Die Entscheidung liegt aber nicht beim Präsidenten oder dem Vorstand, sondern bei allen Mitgliedern.
Eine letzte theoretische Frage: Wenn Sie ohne politische, finanzielle oder strukturelle Einschränkungen eine Sache im Para-Sport sofort ändern könnten, was wäre das?
Ich würde dafür sorgen, dass jeder Mensch mit Behinderung auf der Welt die Möglichkeit bekommt, Sport zu betreiben. Der Rest – Talent, Leistung, Erfolge – würde sich dann von selbst ergeben.
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