Wiener zum Wundern: Millionen für die Austria, nichts für Rapid?
„Die Nummer eins in Wien sind wir“, sangen die Austria-Fans nach dem abschließenden 4:2-Heimsieg gegen Sturm. Das Blatt in der Bundeshauptstadt hat sich gewendet. Die finanziell angeschlagenen Veilchen, die vor wenigen Wochen noch in den Seilen hangen und um die Lizenz bangen mussten, stehen als Dritter fix in einer Europacup-Gruppenphase.
Rapid hat den fast schon sicher geglaubten internationalen Fixplatz mit nur drei Punkten aus den letzten sechs Spielen noch aus der Hand gegeben. Als Fünfter müssen die Hütteldorfer ins Play-off gegen die WSG Tirol oder den LASK. Es droht eine Saison ohne Europacup.
Es könnte ein „Scheiß-Jahr“ werden, hatte Austria-Trainer Manfred Schmid vor Saisonbeginn noch befürchtet. Damals für viele ein nachvollziehbarer Gedanke. Doch am Verteilerkreis wurde aus der (finanziellen) Not eine Tugend gemacht – besser gesagt eine Jugend. Mit vorwiegend jungen, aufstrebenden Spielern wie Matthias Braunöder lief es nach anfänglichen Schwierigkeiten immer besser.
Dass es am Ende Platz drei wurde, überraschte selbst Trainer Schmid: „Damit habe ich nicht gerechnet. Es ist überwältigend, tut gut.“ So sportlich, so gut.
Millionen-Frage
Wirtschaftlich lief es genau in die andere Richtung. Mit bis zu 70 Millionen Euro Verbindlichkeiten musste der Verein Wochen lang um die Lizenz bangen. Dank der neuen Investorengruppe rund um Jürgen Werner bekam man sie im zweiten Anlauf, allerdings mit Auflagen.
Mittlerweile beträgt der Schuldenberg „nur“ noch knapp über 60 Millionen Euro.
Dazu sind jetzt Einnahmen aus dem Europacup garantiert. Die Austria steigt im Play-off zur Europa League ein, der Aufstieg in die Gruppenphase würde eine Antrittsprämie in Höhe von rund 3,6 Millionen Euro bringen. Scheitert man im Play-off, steht man fix in der Gruppenphase der Conference League und sackt die Antrittsprämie von 2,9 Millionen ein.
Geld, das der Verein dringend braucht. Aber nicht nur, um den Schuldenberg zu verkleinern, auch für neue Spieler. So wie James Holland. Der Mittelfeld-Routinier kehrt vom LASK zurück.
Markus Suttner und Alexander Grünwald wechseln in die Geschäftsstelle, die Leihen von Eric Martel und Noah Ohio enden. Dazu steht der beste Bundesliga-Keeper, Patrick Pentz, vor dem Absprung. Ein Wechsel zu Dortmund (als Zweier-Tormann) ist vom Tisch, Schalke bleibt eine Option. Die Entscheidung soll noch diese Woche fallen.
Als Alternative hat man Rieds Samuel Sahin-Radlinger im Visier. Aber auch eine Rückkehr von Heinz Lindner – ihm droht nach dem Hitz-Transfer in Basel die Bank – ist nicht ausgeschlossen.
Europacup-Frage
„Die nächste Saison wird nicht einfacher“, gibt Coach Schmid trotz aller Euphorie zu bedenken, „wenn man schaut, welche Führungsspieler, welche erfahrenen Spieler weggehen. Und der eine oder andere wird uns noch verlassen.“
Der 51-Jährige weiß: „Wir spielen in einer europäischen Gruppenphase. Der Kader muss größer werden, die Kaderqualität muss sich verbessern.“ Gewarnt ist er von seiner Zeit in Köln: „Da hatten wir nur 13, 14 Spieler zur Verfügung und die mussten alle drei, vier Tage spielen. Das wird wahrscheinlich nicht funktionieren.“
Die Saison seiner jungen Truppe macht ihm dennoch Mut: „Die Entwicklung ist überragend.“ Vielleicht hilft der sportliche Erfolg auch den Verantwortlichen der Austria wieder Ruhe einkehren zu lassen in den diversen Gremien.
Denn die agieren seit Monaten alles andere als eine verschworene Einheit, könnten sich bei der Mannschaft eine Anleihe nehmen ...
Rapider Absturz
Weiter westlich brodelt es ebenfalls. Im Unterschied zur Austria können Erfolge in Hütteldorf nicht für Beruhigung sorgen. Denn das fünfte und letzte Europacup-Ticket wäre nicht mehr als das absolute Minimalziel.
Der Einbruch beim WAC stellt selbst das infrage. Während der Sieger aus WSG – LASK mit frischem Mut in die beiden Play-off-Spiele am Donnerstag und Sonntag (in Hütteldorf) gehen wird, wirkten die Rapidler nach dem 1:2 komplett geknickt.
Oder angefressen, wie Marco Grüll. Der Teamspieler stellte auf Sky die Qualitätsfrage: „Wieder haben wir Tote zum Leben erweckt. Das kann einmal passieren, aber nicht zehn Mal. Dann ist unsere Qualität anscheinend doch nicht so hoch.“
Ein grundsätzliches Problem ist jedenfalls die physische wie psychische Stärke. Die Endtabelle der 1. Hälfte aller zwölf Teams reiht Rapid auf den starken zweiten Platz. In einer vom KURIER berechneten Tabelle der Rapid-Viertelstunde sind die Hütteldorfer nach zwei Jahren mit starken Ergebnisse in den jeweils letzten 15 Spielminuten diese Saison auf den neunten Rang abgestürzt.
Es scheint, als wäre der riskante Umbruch im Winter an einigen Positionen aufgegangen (Tor, links hinten), aber nicht in der Offensive, weil Druijf verletzt ist und Demir nicht in Form kommt.
Erinnerung an Arnheim
In einer ähnlich brenzligen Lage hat Ferdinand Feldhofer einmal die Wende geschafft: Nach dem Europacup-Aus in Arnheim mit den zwei Siegen gegen WSG Tirol und Austria Klagenfurt, die Rapid in die Meistergruppe brachten.
Jetzt versucht der Trainer, mit der Charakterfrage eine Trotzreaktion hervorzurufen: „Das ist eine Prüfung für unsere Zukunft. Es gibt nur noch zwei Antworten. Entweder wir ergeben uns einfach der Situation. Oder wir stehen auf, machen zwei super Spiele und schaffen es in den Europacup.“
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