Warum Tom Brady und andere US-Investoren so heiß auf Europas Fußball sind
Die NFL-Legende steigt beim Birmingham City FC ein und setzt damit einen Trend fort. Immer mehr Klubs aus Europa werden aus den USA gelenkt – aus Millionen Gründen.
Was schenkt man jemandem zum Geburtstag, der schon fast alles hat, beziehungsweise der sich ohnehin alles kaufen kann, was er möchte? Tom Brady, größter Quarterback aller Zeiten und daher finanziell eher nicht angewiesen auf Energiekostenzuschüsse, hat sich an diesem 3. August, dem Tag seines 46. Geburtstags, selbst beschenkt. Mit einem Fußball-Klub.
Die amerikanische Sport-Ikone gab via Twitter bekannt, prominenter Teil jener Investorengruppe zu sein, die den Birmingham City FC übernommen hat. Im Ankündigungsvideo präsentierte sich Brady in bester Brady-Manier: selbstbewusst, eloquent, ironisch. „Ich muss noch einiges über englischen Fußball lernen. Aber ich weiß ein paar Dinge übers Gewinnen“, sagte der siebenfache Super-Bowl-Sieger.
Der Weltstar, der vor wenigen Monaten endgültig einen Schlussstrich unter seine Profilaufbahn gezogen hat, wird beim englischen Zweitligisten eine aktive Rolle einnehmen. Als Präsident des Klub-Beirats soll er seine Expertise in den Bereichen globales Marketing sowie Gesundheit und Regeneration einbringen.
In Sachen Marketing dürfte allein schon sein Name genügen, im physiologischen Bereich ist Tom Brady ohnehin das perfekte Beispiel. In der Knochenmühle NFL, in der die durchschnittliche Karriere gerade einmal etwas mehr als zwei Jahre dauert, setzte er stolze 23 Saisonen die Standards. Daraus hat er ein millionenschweres Geschäft gemacht.
Seine Firma TB12 gibt Profis wie Amateuren Trainings- und Ernährungstipps. Tom Wagner, der Klubchef von Birmingham City, war daher gar nicht erst bemüht, die Erwartungshaltung gering zu halten: Mit Tom Brady „setzen wir die Messlatte auf Weltklasse“.
Der beliebte Außenseiter
Von Weltklasse ist der Klub aus der zweitgrößten Stadt Englands jedoch seit vielen Jahren meilenweit entfernt. Auf Rang 17 schloss Birmingham in der vergangenen Saison die EFL Championship ab, seit zwölf Jahren ist man nun schon in der Zweitklassigkeit gefangen. Stets plagten den 1875 gegründeten Verein, der in der Stadt im Schatten von Aston Villa steht, Finanzsorgen. Noch im Jänner dieses Jahres schrieb die lokale Presse von „einem finanziellen Defibrillator, den man dem Klub ans Herz legen“ müsse. Im Jahr davor waren zwei geplante Übernahmen durch Investoren gescheitert, Fanproteste gehörten bei den Spielen Woche für Woche fast schon zum guten Ton auf den Tribünen.
Tom Brady scheint das durchaus zu gefallen, in seinem Video sagte er: „Ich weiß, dass das Team nichts ist ohne die Stadt. Und am Wichtigsten: Ich weiß, wie es ist, der Underdog zu sein.“ Die Außenseiterrolle ist zentraler Teil seiner eigenen Erfolgsgeschichte. Legendär ist sein Aufstieg zum prägendsten Quarterback der NFL, nachdem er im Jahr 2000 bei der Nachwuchsspielerbörse lediglich an 199. Stelle ausgewählt worden war. „Ich freue mich darauf, meine Perspektive einzubringen, um hier in Birmingham denselben Erfolg zu erzielen“, sagt er.
Warum sich Brady ausgerechnet den finanziell wie sportlich angeschlagenen Birmingham City FC ausgesucht hat? Der Klub dürfte vergleichsweise günstig zu haben gewesen sein, gleichzeitig sind solide Einnahmen garantiert – in England vor allem dank der üppigen TV-Rechtedeals. Die English Football League (EFL) hat unlängst mit Sky Sports einen Rekordvertrag für die Ligen zwei bis vier abgeschlossen. Ab der Saison 2024/2025 überweist der Bezahlsender für fünf Jahre eine Milliarde Euro.
Beispiele für US-Investoren
Manchester United (im Besitz der Glazer-Familie), Arsenal (Kroenke Sports and Entertainment), Chelsea (Clearlake Capital) und FC Liverpool (Fenway Sports Group); Olympique Marseille (Frank McCourt), Spezia Calcio (Robert Platek), Inter Mailand (Oaktree Capital), Atlético Madrid (Ares Management Corp.)
148 Jahre alt
ist der Birmingham City FC, der einst als Small Heath Alliance gegründet wurde. Die erfolgreichste Zeit war jene in den 1950er- und 60er- Jahren. 1956 stand der Klub im FA-Cup-Finale, 1963 und 2011 gewann man den englischen Liga-Cup. 2011 begann jedoch auch der leise Niedergang mit dem Abstieg in die zweite Liga (Championship), wo Birmingham seither spielt. Damit ist der Klub, der unter anderem den aktuellen Real-Madrid-Star Jude Bellingham ausgebildet hat, der aktuell längstdienende Verein in der Championship. Erz- und Stadtrivale ist Aston Villa.
Das sichere Geschäft
Bereits in US-Besitz befinden sich die großen Premier-League-Klubs Manchester United, Arsenal, Chelsea und Liverpool. Viele der US-Investitionen spielen sich jedoch in unteren oder kleineren Ligen ab: „Europäischer Fußball ist ein ziemlich gutes Geschäftsmodell für US-Investoren“, sagte Kenneth Cortsen, ein Experte für Sportmarketing, zuletzt im KURIER. Verglichen mit Sport-Vereinen aus den USA seien Fußball-Klubs aus niedrigeren englischen Ligen oder aus Ländern wie Dänemark und Schweden günstig. Rund 40 Fußballklubs in europäischen Ligen sind mehrheitlich in der Hand von US-Investoren. Bei den kleineren Fußball-Nationen liegt das große Geld im Europacup, für den sich dank der Vielzahl an Bewerben beinahe schon jeder zweite Erstligist qualifiziert.
Zwischen den manchmal weit verzweigten Investorengruppen tauchen immer wieder bekannte Namen auf: So findet sich Basketballstar LeBron James unter den Besitzern des FC Liverpool, Ex-NBA-Kollege Steve Nash in der Investorengruppe von RCD Mallorca. Der frühere deutsche Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat sich in Dänemark (Aalborg) eingekauft, der Schauspieler Michael B. Jordan beim AFC Bournemouth.
Die zuletzt aufsehenerregendste Erfolgsstory schrieb Hollywood-Star Ryan Reynolds, der gemeinsam mit seinem Schauspieler-Kollegen Rob McElhenney den Fünftligisten Wrexham AFC gekauft und saniert hat. Mittlerweile hat das Team nicht nur lukrative Sponsordeals abgeschlossen, sondern auch den Aufstieg in die vierte Liga geschafft.
Kommentare