Messi-Mania in Miami: Der Fußball-Gott als Soccer-Missionar
Fußball galt lange als Missverständnis in den USA. Der Argentinier soll das ab Sonntag ändern. Das Land erwartet nicht weniger als den Durchbruch im Weltsport Nr. 1.
Um die übergroße Erscheinung des kleinen Lionel Messi irgendwie verstehen zu können, lohnt ein Blick zum Tennis. Wenige Wochen ist es her, als Carlos Alcaraz im Rahmen der Laureus Awards, eine Art Sport-Oscar-Verleihung, nicht wie die neue Weltsensation im Tennis wirkte, die er tatsächlich ist, sondern wie ein schüchternen und vom Augenblick überwältigter Fan.
Der Grund war Lionel Messi, dem er auf dem roten Teppich die Hand schütteln durfte. „Es ist verrückt, ihn hier zu sehen, nur wenige Meter von mir entfernt. Verrückt“, sagte Alcaraz.
So ist das eigentlich immer, wenn der argentinische Fußballer in die Öffentlichkeit tritt. Und so wird das erst recht am Sonntag sein, wenn der 36-Jährige von seinem neuen Klub Inter Miami offiziell vorgestellt werden wird.
Seit Wochen wird dieser Tag, die Enthüllung („The Unveil“), wie die Präsentation längst heißt, geplant und orchestriert. „Man spürt seit einigen Wochen hier dieses Messi-Fieber“, sagt Irene Díaz im KURIER-Gespräch.
Die 33-Jährige ist selbst davon betroffen, immerhin arbeitet sie in Miami für América TeVé, den größten spanischsprachigen TV-Sender in der Region. „Ich muss gerade alles recherchieren, was Messi in seinen ersten Tagen in Miami gemacht und welche Gegenden er besucht hat.“ Aus dem Restaurant, das nun das Messi-Schnitzel auf der Karte hat, durfte sie bereits berichten.
Trotz all des Hypes kann sich der Fußballprofi hier ein wenig freier und ungestörter im Alltag bewegen, als in vielen Ländern Europas oder Südamerikas. Die Amerikaner sind an Weltstars gewöhnt - auch ein Mitgrund, warum Messi einige andere, durchaus noch lukrativere Angebote für Miami ausschlug.
In der laufenden Saison der Major League Soccer nimmt Inter Miami mit 13 Niederlagen in 21 Partien den letzten Platz ein.
50 bis 60 Millionen US-Dollar soll Messi bei Inter Miami pro Saison verdienen. Der derzeitige Topverdiener beim Klub kassiert vier Millionen Dollar. Messis Einkünfte werden durch Sponsorendeals noch deutlich steigen. So ist der Argentinier beteiligt an den Umsätzen von AppleTV, das die MLS-Spiele überträgt, sowie an den Trikotverkäufen von Adidas.
1.236 Prozent betrug der Anstieg des Ticketpreises für das erste Gastspiel Messis im Big Apple gegen die New York Red Bulls in August.
Irene Díaz selbst ist nicht Teil dieser Messi-Mania, die sich rund um die Metropole gerade ausbreitet. Im Gegensatz zu vielen Menschen im Land ist der Argentinier für sie nicht dieses unerklärbare Wesen aus der fremden Welt, die in den USA nur Soccer genannt wird.
Die Journalistin kommt aus Barcelona und hat einige Zeit für Barça-TV gearbeitet, den hauseigenen Kanal jenes Klubs, bei dem die Weltkarriere des Angreifers ihre Wurzeln hat. „Bisher war Fußball eher zweitrangig hier. Inter Miami hat die Hoffnung, dass alle nun ein einziges Team in der Major League Soccer unterstützen.“
Dieser Gedanke ist nicht abwegig. Vor Messis Transferankündigung zählte Inter auf Instagram knapp eine Million Follower, aktuell sind es 8,6 Millionen. Kein anderes US-Sportteam – weder im Basketball noch im American Football – verfügt auf dieser Plattform über mehr Anhänger.
Als den „größten Tag in der Geschichte der MLS“, bezeichnet Jorge Mas, neben David Beckham einer der Miteigentümer des Messi-Klubs, den Wechsel des Weltmeisters in die nordamerikanische Profiliga. „Dass Messi trotz anderer lukrativer Angebote die USA gewählt hat, ist sehr relevant für den US-Fußball. Noch vor etwas mehr als einem halben Jahr war er der König der Fußball-Welt“, sagt auch Kenneth Cortsen zum KURIER.
Der Däne ist Experte für Sportmarketing, er hat an der Harvard Business School die wirtschaftliche Seite der Fußball-Liga MLS erforscht. „Wer die US-Mentalität kennt, der weiß: Sie werden auch beweisen wollen, wozu sie fähig im Weltsport Nummer eins sind.“
500 Millionen Dollar Eintrittsgage
Die Liga wachse beständig, wenngleich auf anderem Niveau als in Europa. Laut Cortsen müsse man dabei bedenken, dass in den USA die Konkurrenz durch die anderen etablierten und sehr erfolgreichen Major-Ligen im Basketball, Football, Eishockey und Baseball viel größer ist.
2007 bestand die MLS aus 13 Teams, die Eintrittsgage in die geschlossene Liga ohne Auf- und Absteiger kostete damals zehn Millionen Dollar. Nun muss San Diego, an 2025 das 30. Team, eine halbe Milliarde locker machen.
Bisher haben sich die Latinos vor allem für Fußball aus ihren Heimatländern interessiert“
von Irene Díaz
Journalistin aus Barcelona in Miami
Die Geschäftsmodelle im Fußball seien komplett andere, erklärt Cortsen: „In Europa liegt der Fokus auf Siegmaximierung. Die Klubs investieren Tonnen an Geld in Talent, um Fußballspiele zu gewinnen. In den USA geht es in erster Linie um Profitmaximierung. Die Marke Messi wird dazu einiges beitragen.“
Die USA haben prinzipiell alle Zutaten für das Erfolgsrezept, ist der Forscher überzeugt: "Amerikaner sind ziemlich gut darin, aus Sport ein Geschäft zu machen. Niemand ist weltweit besser in der Kombination aus Sport, Unterhaltung und Bewirtung.“
Einen Erfolgsschlüssel für den Eintritt in den Weltsport Nummer eins sehen die Verantwortlichen in der Fußball-Leidenschaft der Hispanics. Aktuell hat jeder fünfte in den USA Lebende lateinamerikanische Wurzeln, bis zum Jahr 2060 soll dies laut Prognosen auf fast jede dritte Person zutreffen.
„Englisch spreche ich de facto nie in Miami“, sagt etwa auch Journalistin Irene Díaz, die auch betont: „Bisher haben sich die Latinos vor allem für Fußball aus ihren Heimatländern interessiert.“ Der MLS und ihren Werbepartnern hilft jedoch, dass Fußball – bzw. Soccer oder fútbol – bei den US-Teenagern mittlerweile zu den populärsten Sportarten zählt.
Einer leidet wegen Messi
Es scheint, als gebe es derzeit kaum jemanden in und rund um Miami, den Messis Ankunft kalt lässt. So richtig heiß ist aber nur einer: Rodolfo Pizarro. Der Mexikaner war einer jener drei „Designated Players“ bei Inter Miami, die mehr verdienen durften, als es die strengen MLS-Gehaltsgrenzen erlauben. Um Messi im Kader unterzubringen, muss Pizarro den Klub verlassen. „Ich wusste gar nicht, dass ich abgegeben werden kann.“ Auch das ist Fußball in den USA.
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