ÖFB-Trainerin Fuhrmann: "Männer zu trainieren, hätte seinen Reiz"
Seit Juli 2020 ist Irene Fuhrmann Teamchefin des Fußball-Nationalteams der Frauen. Nach dem Abgang von Dominik Thalhammer schaffte die 41-jährige Wienerin die EM-Qualifikation und hat nun ihr erstes volles Jahr in Reihe eins hinter sich. Ihren Arbeitsplatz hat sie nicht in der ÖFB-Zentrale, sondern in der Frauen-Akademie in St. Pölten. Dort ist sie für die Talente immer greifbar und hat deren Entwicklung im Auge.
Privat
Österreichs Teamchefin wurde am 23. September 1980 in Wien geboren und wuchs im 14. Bezirk auf. Dort spielte sie mit ihren Brüdern im "Käfig" und kam erst 2000 zum Vereinsfußball.
23 Länderspiele
absolvierte sie zwischen 2000 und 2008 für Österreich und erzielte dabei drei Tore. In dieser Zeit spielte sie bei Landhaus (außer 2002/03 beim Innsbrucker AC).
Trainerin
2008 wurde sie Co-Trainerin von Frauen-Teamchef Ernst Weber, als U-19-Teamchefin erreichte sie die EM 2016. 2017 wurde sie Co-Trainerin von Frauen-Teamchef Dominik Thalhammer. Seit 27. Juli 2020 ist sie Frauen-Teamchefin.
KURIER: Darf man Sie als Corona-Trainerin bezeichnen?
Irene Fuhrmann: Es stimmt ja, dass das Virus meine Amtszeit bis dato beeinflusst hat und uns vor komplett neue Herausforderungen stellt.
Ist Ihnen das Virus lästig?
Wem nicht? Aber wir müssen positiv an das Thema herangehen. Jammern nutzt nichts und wir können auch nichts ändern an den Regeln und Maßnahmen.
Ihr Motto ist?
Konzentrieren wir uns nur darauf, was wir auch beeinflussen können. Wir müssen lösungsorientiert an die Sache herangehen.
Und was sagt bislang die Lösung?
Dass das Covid-Konzept des ÖFB sehr gut ist, dass aber auch alle sehr diszipliniert damit umgegangen sind. Wir hatten noch keinen einzigen Fall und darauf können wir und der ÖFB stolz sein. Aber am Ende braucht man natürlich auch das nötige Glück.
Glück allein?
Nein. Wir waren schon extrem vorsichtig. Im Frühjahr waren Sturm-Spielerinnen K-1-Personen. Da waren welche zum ersten Mal einberufen, und es war schon hart für sie, dass sie dann doch nicht kommen konnten. Auch wenn wir getestet und geimpft sind, tragen die Spielerinnen bei den Besprechungen immer die Masken.
Wie hart ist die Situation?
Du musst immer auf etwas gefasst sein. Dass eine Spielerin Kontaktperson ist oder dass sich Regelungen ändern, wie damals, als Manuela Zinsberger wegen der britischen Reisebeschränkungen nicht zur Malta-Trophy kommen konnte. Du kannst nicht gleich loslegen, deshalb ist die Vorbereitungszeit auf die Spiele noch kürzer.
Warum?
Es wird wegen Corona bei der Zusammenkunft erst einmal getestet und das Ergebnis abgewartet. Der andere ist die Belastungssteuerung. Seit Sommer gibt es die neue Gruppenphase der Champions League. Dadurch haben einerseits viele unserer Spielerinnen eine höhere Belastung, andererseits fallen dadurch auch Trainingseinheiten für das gesamte Team weg. Früher hatten wir manchmal sechs Tage, um uns vorzubereiten, jetzt vielleicht ein oder zwei mannschaftstaktische Einheiten. Bei den Männern sind es teilweise noch weniger, weswegen ich Franco Foda überhaupt nicht beneide.
Ihr erstes volles Jahr als Teamchefin hat mit einem 1:6 gegen Schweden begonnen. Waren Sie schockiert?
Nein. Auch wenn es bei so einem Resultat komisch klingt: Wir haben die Leistung analysiert – und die war nicht schlecht. Die Schwedinnen haben aus jeder Chance ein Tor gemacht, wir haben im letzten Drittel zu wenige Lösungen gefunden. Wir sind aber nicht auseinandergefallen oder haben aufgesteckt.
Es hat also keine Lehre aus dem Spiel gegeben?
Doch. Wir haben gesehen, wie wir gegen eine Topmannschaft nicht spielen dürfen. Und das haben wir gegen England auch umgesetzt.
Trotzdem hat man gegen England verloren.
Was wir gegenüber den Topteams haben, ist ein gewisser Nachteil punkto Größe und Robustheit.
Sie wirkten anfangs in Interviews etwas steif.
Ich wollte schon in der Schule keine Referate halten. Und als ich noch gespielt habe, waren ja so gut wie nie Journalisten bei den Spielen. Und wenn wer doch zu einem Interview musste, habe ich nicht ,hier’ gerufen. Auch als ich 2016 als Teamchefin mit der U 19 bei der EM war, hielt sich das mediale Interesse in Grenzen.
Und dennoch kommen Sie mit der Zeit immer lockerer rüber.
Es ist zwar Neuland für mich, aber auch ich muss mich aus der Komfortzone bewegen. Zudem kamen anfangs auch viele nicht-sportliche Themen von außerhalb, wie Einladungen zu Diskussionen und Sendungen mit der Gender-Thematik.
Können Sie Ihre Privatsphäre wahren?
Auf der Straße werde ich nicht um Autogramme gebeten. Einmal gab es eine Anfrage wegen einer Homestory, die habe ich aber abgelehnt.
Viktoria Schnaderbeck, Sarah Puntigam und zuletzt Manuela Zinsberger haben via Instagram Einblick in ihr Privatleben gegeben in Form von gemeinsamen Bildern mit ihren Partnerinnen.
Es ist interessant, dass ein Bild mit einer Partnerin noch immer mehr Interesse erregt, als zum Beispiel ein Bild von Verena Aschauer, jetzt Hanshaw, von der Hochzeit mit ihrem Mann.
Wie gehen Sie mit solchen Einblicken ins Privatleben um?
Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich seit 2003 eine Partnerin habe und wir seit 2019 verheiratet sind. Das kann jeder wissen.
Was viele nicht wissen, ist, dass so manche Teamspielerin Sie noch als aktive Fußballerin kennen. Was das anfangs eine besondere Atmosphäre?
Mit Wenninger und Schnaderbeck habe ich im Team gespielt. Bei Landhaus habe ich mit Kirchberger und gegen Puntigam, damals bei LUV Graz, gespielt. Aber schon damals gab es einen Altersunterschied. Und obwohl mich der Mensch hinter der Spielerin interessiert, wahre ich immer eine professionelle Distanz. Auch als Assistenztrainerin hatte ich nicht den engsten Kontakt zu den Spielerinnen. Da musste ich nichts ändern.
Was war dann die große Herausforderung in der Chefrolle?
Dass ich Arbeit abgebe. Ich hatte zwei komplett neue Assistenz-Trainer, musste ein neues Trainerteam aufbauen. Und als Cheftrainerin muss man auch Managerin sein.
Als solche sind Sie auch neue Wege beim Personal gegangen. Haben Stefanie Enzinger zurück und einige junge Spielerinnen neu ins Team geholt.
Enzinger kann uns mit ihrer Robustheit und ihrem Kopfballspiel helfen. Und der Umbruch kommt unweigerlich. Jetzt lernen einige Talente das Team kennen und können dabei mit ihren ehemaligen Idolen trainieren.
Sie haben auch den Spielstil geändert.
Defensiv müssen wir natürlich weiterhin gut stehen und leidenschaftlich verteidigen, aber wir wollen auch offensiv befreiter aufspielen. Gegen schwächere Gegner haben wir schon eine gute Konstanz. Es hat aber ein bisschen gedauert, bis wir den Mut dazu entwickelt haben, um zu versuchen, auch mit den Großen mitzuspielen.
So wie bei der knappen Niederlage in der WM-Qualifikation gegen England?
Da haben wir uns sogar zwei Topchancen erarbeitet. Wir haben aber gesehen, dass das vor allem körperlich ein anderes Niveau ist. England hat eine ganz andere Qualität und Breite an Spielerinnen.
Die Quartiersuche für die EM in England ist diesmal nicht so einfach. Warum ist sie so heikel?
Vor der EM in den Niederlanden haben wir lange gesucht und etwas Großartiges gefunden. Der Trainingsplatz war gleich neben dem Hotel, was sehr gut war. Im Bereich der Hotellerie sind wir in Österreich höhere Standards gewohnt, als das in England der Fall ist. Sicher ist, dass ich nicht zu hundert Prozent zufrieden sein werde. Den meisten Nationen geht es ähnlich, weshalb die Frist für die Quartiersuche seitens der UEFA verlängert wurde.
Und was erwarten Sie von der EM in England?
Die EM in England wird eine ganz große Sache für den Frauenfußball. Vielleicht auch, weil es das Mutterland des Fußballs ist. Schon die Auslosung war nicht mit jener von der EM in den Niederlanden vergleichbar, wie mir meine Kollegen berichtet haben. Auf jeden Fall freue ich mich auf die erste EM, bei der ich Cheftrainerin bin.
Werden Sie dann in den Männerfußball wechseln?
Mir ist das Frauenteam eine Herzensangelegenheit, aber ich bin auch keine Sesselkleberin. Aktuell ist das aber kein Thema.
Wäre es für Sie aber prinzipiell denkbar, ein Männerteam zu trainieren?
Natürlich hätte das seinen Reiz, ich bin ja schon die erste Frau als Teamchefin beim ÖFB. Die fachliche Qualifikation habe ich, ich habe die Ausbildung mit einigen Kollegen gemacht, die jetzt Profitrainer sind. Egal, ob ein Mann oder eine Frau an der Spitze steht, es geht vor allem um die Akzeptanz.
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