ÖFB-Teamchefin Fuhrmann: "Ich bin nicht so der Party-Typ"
Leo Windtner schafft es ab und zu originelle Sprachbilder zu zeichnen. Am Montag jedoch gab sich der Präsident des Österreichischen Fußballbundes staatstragend, geradezu feierlich. "Das ist wahrlich ein historischer Tag", sagte der bald 70-Jährige, der seit elf Jahren als oberster Fußballchef fungiert. "Es war an der Zeit, eine Frau in eine Top-Position im ÖFB zu bringen", erklärte er.
Windtner präsentierte mit Irene Fuhrmann die erste Frau, die in Österreich als Cheftrainerin für eine Nationalauswahl im Erwachsenenbereich die Verantwortung trägt. Im ÖFB arbeiten etliche Frauen, Jobs mit Außenwirkung haben aber nicht viele. "Aber es wird. Es hat sich ja auch kaum jemand vorstellen können, dass der ÖFB einmal eine Pressesprecherin hat", sagt Iris Stöckelmayr, die seit 2016 als erstes Sprachrohr des Verbandes arbeitet.
Nun steht mit Irene Fuhrmann eine weitere Frau an oberster Stelle. Die 39-jährige Wienerin war einst eine Spätstarterin, kam erst mit 20 Jahren beim USC Landhaus zum Vereinsfußball. Fast zwei Jahrzehnte später musste alles ganz schnell gehen. Samstag vor zwei Wochen nahm Dominik Thalhammer nach elf Jahren als Frauen-Teamchef das Angebot des LASK an, Cheftrainer zu werden. Überraschend. "Samstag zwischen elf Uhr und Mittag", formulierte es Windtner.
Wunschkandidatin: Emotionaler Tag für Fuhrmann
Neues Kapitel
Das hatte auch zu Irritationen bei den Teamspielerinnen geführt. Die sind mittlerweile ausgeräumt, die Spielerinnen haben sich mit dem Ex-Teamchef in einer Videokonferenz ausgesprochen. "Jetzt wird ein neues Kapitel aufgeschlagen", sagt Torfrau Manuela Zinsberger, die sich in London mit ihrem Verein Arsenal auf das Champions-League-Finalturnier ab 21. August in San Sebastián und Bilbao vorbereitet.
Sarah Zadrazil, die sich nach ihrem Wechsel aus Potsdam mit ihren neuen Kolleginnen von Bayern München zum Teambuilding am Achensee in Tirol befindet, sagt über die neue Chefin: "Ich glaube, es war eine gute Entscheidung. Sie kennt uns schon lange, kennt unsere Stärken und Schwächen. Ich freue mich schon sehr." Irene Fuhrmann galt jedenfalls als logische Nachfolgerin des 49-jährigen Thalhammer. "Sie sitzt aber nicht da, weil sie eine Frau ist", sagt Peter Schöttel. Der KURIER hat mit Fuhrmann nach ihrer Präsentation gesprochen:
KURIER: Was haben Sie bei der offiziellen Vorstellung empfunden?
Irene Fuhrmann: Für mich war es ein emotionaler Tag.
Haben Sie gezögert, die Herausforderung anzunehmen?
Es war kein Schnellschuss, sondern wohlüberlegt. Ich habe mich auch mit meiner Familie beraten. Ich fühle mich bereit für diese Aufgabe, sie ist auch eine einmalige Chance.
Stehen Sie besonders unter Druck, weil sie die erste Frau als Teamchefin sind?
Druck gehört zum Trainerwesen. Und es gehört zur Kompetenz eines Trainers, damit umzugehen.
Erste Pro-Lizenz-Trainerin, erste Teamchefin. Wie fühlt es sich an als Pionierin?
Für mich schließt sich ein Kreis nach fast 20 Jahren im Fußball. Ich war Spielerin, U-19-Teamchefin, in der Akademie, Co-Trainerin beim A-Team.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den Spielerinnen?
Ich bin nicht so der Party-Typ. Ich würde sagen, dass ich professionell distanziert bin. Ich bin aber nicht immer so sanft, wie ich manchmal scheine, ich kann schon einfordern. Ich bin hart, aber herzlich.
Was war Ihre Aufgabe unter Ihrem Vorgänger?
Ich war auch für die Gegneranalyse zuständig. Das möchte ich auch beibehalten. Wie Dominik Thalhammer will auch ich den Faktor Zufall minimieren, indem man analysiert, wie sich der Gegner in unterschiedlichen Situationen verhält.
Würden Sie gerne einmal ein Männerteam trainieren?
Ich bin froh, Teamchefin der Frauen zu sein. Aber manchmal überlegt man, dass es auch eine Herausforderung wäre, ein gutes Herrenteam zu trainieren, also höher als in der Gebietsliga.
Nach einem Jahr als Assistentin von Teamchef Thalhammer wird Maria Wolf das A-Team wohl verlassen. Die 39-Jährige war in Österreich die erste Frau, die ein Männer-A-Team trainiert hat, 2014 in Obritz, in der 1. Klasse Niederösterreich. Frauen als Trainerinnen einer Männermannschaft sind auch international mehr als rar gesät, je höher die Liga, desto rarer.
Chan Yuen-ting coachte mit nur 27 Jahren im Jahr 2016 als erste Frau überhaupt einen Klub in der höchsten Spielklasse zum Meisterschaftssieg – den Hongkonger Eastern SC.
Die Äthiopierin Meseret Manni führte schon im Jahr 2015 den Männerklub Dire-Dawa Kenema als Trainerin in die höchste Spielklasse.
In Sierra Leone sorgte im Dezember 2019 Victoria Conteh für Schlagzeilen: Die ehemalige U-20-Trainerin der Frauen wurde mit 45 Jahren Chefcoach in der ersten Männerliga bei den East End Tigers.
Corinne Diacre trainierte ab 2014 den französischen Zweitligisten Clermont Foot und wurde von France Football als bester Zweitligatrainer ausgezeichnet. Nach drei Jahren wurde sie 2017 Teamchefin des französischen Frauen-Nationalteams.
Die heute 31-jährige Imke Wübbenhorst wurde 2018 bei Cloppenburg zur ersten Frau, die eine Männermannschaft in der deutschen fünften Liga, trainierte. Im April übernahm sie bei den Sportfreunden Lotte, in der vierthöchsten Liga. Wo sie sich in drei Jahren sieht? „Mit dem Babybauch am Spielfeldrand der 3. Liga. Auf dem Sprung in die zweite. Das wäre cool.“
Die 41-jährige Inka Grings übernahm in der vierten Liga den Männerklub von Straelen. Die zweifache Europameisterin legte nach Ab- und Wiederaufstieg im Juni 2020 ihr Amt zurück.
Die 45-jährige Ex-Kickerin Patrizia Panico ist Teamchefin der italienischen U-16-Burschen-Nationalmannschaft.
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