Jubiläum gegen Dänemark: ÖFB-Star Marko Arnautovic wird 100
Oktober 2008. Irgendwo in den Niederlanden liegt der 19-jährige Marko Arnautovic am Tag vor einem Auswärtsspiel mit Twente Enschede auf seinem Hotelbett, als plötzlich sein Handy läutet. Am andere Ende der Leitung ein KURIER-Redakteur, der von dem Junglegionär wissen will, was er denn zu seiner erstmaligen Nominierung für das A-Nationalteam sagt.
Schweigen.
„Ist das dein Ernst jetzt?“, fragt der Stürmer, nachdem er die Frage zunächst für einen Scherz hält. In diesem Moment wird klar: Marko Arnautovic hat keine Ahnung. Die frohe Botschaft des ÖFB ist zwar den Medien mitgeteilt worden, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zu ihm durchgedrungen. Vielleicht, weil damals Karel Brückner als Teamchef generell nicht für ausschweifende Kommunikation bekannt war.
Marko Arnautovic fragt noch einmal nach, ob es sich nicht doch um das U-21-Team handelt, bedankt und verabschiedet sich höflich. Und tatsächlich, noch als Teenager feiert er sein Debüt für Rot-Weiß-Rot. Und während das Team von Ralf Rangnick dieser Tage in einem Wiener Fünf-Sterne-Hotel logiert, ist es 2008 die Sportschule Lindabrunn, die das Team mit dem vielversprechenden Jungstürmer vor dem Gastspiel auf den Färöern beherbergt.
Das Jubiläum
Beim überaus turbulenten Anflug mit extrem kurzer Landebahn auf der Atlantik-Insel rutscht den Insassen des ÖFB-Charters schon am Tag vor dem Spiel das Herz in die Hose. Jubelstimmung kommt auch am Tag danach nicht auf, auf dem Kunstrasen der Färinger. Arnautovic kommt in Minute 81 für Marc Janko ins Spiel, kann am Todestag Jörg Haiders am trostlosen 1:1 aber nichts mehr ändern.
14 Jahre und vier Teamchefs später ist Marko Arnautovic immer noch dabei. Mehr noch: Er ist mittendrin und hat es auf dem Fuß, das nächste Länderspiel zu einem besonderen zu machen. Sollte Ralf Rangnick erneut auf den Stürmer setzen, kann dieser nach 33 Treffern in 99 Spielen nicht nur den Hunderter voll machen, sondern durch einen Torerfolg Hans Krankl ein- oder sogar überholen. Öfter als 34 Mal hat im ÖFB-Dress nur einer gejubelt: Toni Polster, der weitere zehn Tore erzielt hat.
Zwischen dem 11. Oktober 2008 und dem 6. Juni 2022 liegen nicht nur 100 Länderspiele. Es sind neben sportlich durchaus außergewöhnlichen Leistungen auch eine Menge Anekdoten, die den Weg von Österreichs Stürmerstar pflastern. Einer, der ein paar erzählen könnte, war nicht nur beim Debüt auf den Färöern dabei, sondern ist über die Jahre auch zu einem Freund geworden.
György Garics ist in seiner Fußballer-Pension heute als Geschäftsmann tätig, lebt mit seiner Familie in Bologna, wo eben auch Arnautovic (noch) seinem Brotberuf nachgeht. Regelmäßig treffen die einstigen Teamkollegen einander auf einen Kaffee, ein Mittag- oder Abendessen. Während Garics zentral wohnt und mit dem Fahrrad in den Stadtkern fährt, kommt Arnautovic von außerhalb.
Worüber geplaudert wird? Etwa über Fußball? „Von zehn Minuten sprechen wir 30 Sekunden über Fußball“, sagt Garics. „Früher war Marko für mich ein Kollege, jetzt darf ich ihn einen echten Freund nennen.“ Wie er ihn charakterisieren würde? „Marko hat mit dem Bild, das in den Medien oft gezeichnet wird, nichts zu tun. Er ist privat einfach ein super Typ.“
Abzweigungen
„Von ihm kann man einfach alles haben, Marko ist ein herzensguter Mensch“, sagt Thomas Schmal, Masseur und lange Zeit Vertrauter von Arnautovic. Er lernte ihn in Wien-Floridsdorf kennen, da die jeweiligen Brüder in einer Mannschaft kickten. Da war Klein-Marko keine zehn Jahre alt. Später wurde Schmal vom mittlerweile zum Profi gewordenen Arnautovic nach Enschede, Mailand oder Bremen zwecks Behandlungen eingeflogen. Schmal ermahnte ihn stets, sein großes Talent nicht zu verjuxen. Mit Erfolg: „Marko hat dann die richtigen Abzweigungen genommen.“
Davon war anfangs bei Inter Mailand wenig zu sehen. Aufsehen erregte Arnautovic abseits des Platzes. In einem KURIER-Interview in Spanien im Team-Trainingslager rekapitulierte er 2015 seine Zeit in Mailand. Und das durchaus selbstkritisch: „In Enschede haben neben meiner Wohnung auf einer Weide Kühe gegrast. Dann landest du in Mailand, hast die Fashion-Week, Top-Restaurants, Top-Klubs, wunderschöne Frauen. Ich war 19 Jahre alt und hatte keine Freundin. Da habe ich mir gedacht: Gut, jetzt bist du da, du kennst dich nicht aus, also mache ich mir schnell einen Namen. Das ist mir auch gelungen.“
Legendär ist eine Geschichte mit Startrainer José Mourinho: „Ich bin einmal zu spät zum Training gekommen, dann wieder um vier Stunden zu früh. Dann ist Mourinho zu mir gekommen und hat mir seine Nike-Uhr geschenkt.“
Mit der Pünktlichkeit hat er heute keine Probleme mehr. Und: Seine Zeit im Nationalteam scheint noch nicht abgelaufen zu sein.
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