Infantino gegen Europa: Wie die UEFA das Geschäft der FIFA zerstört
Bei noch keiner Fußball-WM wurde so viel von Moral geredet. Aber es ist nicht die Moral, die in Katar zum Konflikt zwischen UEFA und FIFA geführt hat – es ist das liebe Geld. Es geht nicht um die Verbesserung der Welt. Es geht um den Markt. Der Weltverband und der reichste Kontinentalverband ringen um die Vorherrschaft in der milliardenschweren Fußballindustrie.
Die Fußball-WM, die alle vier Jahre stattfindet, ist die Haupteinnahmequelle der FIFA. Gianni Infantino präsentierte zu Beginn in Katar die Zahlen – mit einem Umsatz von umgerechnet 7,2 Milliarden Euro schließt der Weltverband Ende 2022 seine Vierjahresbilanz ab. Die Endrunde ist lukrativer als jene in Russland. 6,14 Milliarden Euro Umsatz gab es von 2014 bis 2018, ist das eine Steigerung von 17 Prozent.
7,2 Milliarden in vier Jahren – die UEFA nahm das Doppelte im selben Zeitraum ein. Die UEFA hat allein im vergangenen Geschäftsjahr 5,72 Milliarden Euro umgesetzt. In den vier Jahren seit 2018 waren es insgesamt 15,4 Milliarden. Die FIFA will auch etwas von dem Kuchen, und das sorgt für Ärger.
Als Gianni Infantino im vergangenen Jahr die Pläne für eine WM im Zweijahresrhythmus vorangetrieben hat, ist UEFA-Präsident Alexander Čeferin dagegen auf die Barrikaden gestiegen. Die Europäer haben dabei mit der schärfsten Waffe gedroht, die sie zur Verfügung haben – mit einem WM-Boykott. Und er holte die Südamerikaner mit ins Boot.
Für den Kontinentalverband CONMEBOL sind das Nationenturnier Copa America sowie der Klubwettbewerb Copa Libertadores ebenfalls gute Geschäfte. Also wurde das Finalissima aus der Taufe gehoben. Europa- und Südamerikameister kämpfen um einen neu geschaffenen Pokal. Den gewann Argentinien im Spiel gegen Italien. Die UEFA hatte wieder einen Punkt gemacht im Kampf gegen die FIFA – ein weiteres Event zur weltweiten Vermarktung.
In anderen Teilen der Fußballwelt kann man von solchen Einnahmequellen nur träumen. Dort sieht man die FIFA in der Pflicht, für Einnahmen zu sorgen. Denn die FIFA versteht sich als Anwalt der Verbände, die zwar jede Menge Mitglieder stellen, aber von den Beträgen, wie sie in Europa erwirtschaftet werden, nur träumen können. Es geht um die Umverteilung zugunsten der Kleinen.
So erwartet der Verband Mittel- und Nordamerikas sowie der Karibik (CONCACAF), dass sich die FIFA nach dem Scheitern der Pläne für eine WM im Zweijahresrhythmus etwas Neues einfallen lässt. Von einer Wiederbelebung des Confederations Cup, der bis 2017 als Testwettbewerb im Jahr vor der WM stattgefunden hat, war die Rede, von einer Weltliga, einer Ausweitung der Nations League, mit dem die UEFA gute Geschäfte macht.
7,1 Milliarden Euro hat die FIFA zwischen 2018 und 2022 verdient
15,4 Milliarden Euro hat die UEFA zwischen 2018 und 2022 verdient
417 Millionen Euro verteilt die FIFA 2022 an 32 WM-Teams. Der Sieger bekommt 42 Millionen Dollar (40 Mio. Euro)
331 Millionen Euro verteilte die UEFA 2021 an 24 EM-Teilnehmer. Der Sieger bekam 33 Millionen Euro
„Uns ist klar, dass die Brotkörbe des Fußballs in Europa sind“, sagt Victor Montagliani, der CONCACAF-Chef. Und doch müsse man einen Schritt zurücktreten und von einer globalen Perspektive aus auf das Geschäft blicken. Montagliani vertritt 41 Verbände, große wie Mexiko und die USA sowie bettelarme wie Haiti. Das sind 41 Stimmen in der FIFA. Die UEFA hat zwar 55 Stimmen, kann aber bei 211 FIFA-Verbänden nicht viel ausrichten.
In ihrer Rolle als finanzielles Herz des Fußballs wird die UEFA auch von innen bedroht. Als sich ein Dutzend Spitzenklubs aus England, Italien und Spanien zusammengeschlossen haben, um in einer Super League Geschäfte auf eigene Rechnung machen zu können, musste die UEFA kurz um die Stellung ihrer Champions League bangen. Die öffentlichen Bekundungen Infantinos, die FIFA sei gegen die Super League, waren wenig glaubwürdig. Niemand wunderte sich über einen Bericht der New York Times, wonach die FIFA an den Vorbereitungen zu einer solchen Eliteliga im Hintergrund mitgewirkt haben soll.
Die FIFA will mitverdienen bei den europäischen Großklubs. Die Pläne für eine Klub-WM, an der 24 statt wie bisher acht Teams teilnehmen sollen, standen – gefüttert mit Milliarden einer japanischen Bank – kurz vor der Realisierung. Doch dann kam das Corona-Virus. Zünglein an der Waage für diese Klub-WM XL ist ein Katarer: Nasser Al-Khelaifi, Präsident von Paris SG, Chef der European Club Association und Mitglied der UEFA-Exekutive.
Der hat eine klare Meinung zu den Moralaposteln aus Europa. „Die Welt war sehr unfair zu Katar“, sagte er. Und es war wohl Balsam auf seinen Wunden, wie Infantino die moralischen Instanzen aus Europa belehrte. „Ich denke, was wir Europäer in den vergangenen 3.000 Jahren weltweit gemacht haben, da sollten wir uns die nächsten 3.000 Jahre entschuldigen“, sagte der Schweizer.
Er kann es aber auch anders, moralischer, wenn es um sein Einnahmenprojekt Zweijahres-WM geht. Er schwärmte im Jänner, als er in den Europarat geladen war. „Wir müssen einen Weg finden, die ganze Welt mit einzuschließen, Afrikanern Hoffnung zu geben, sodass sie nicht übers Mittelmeer müssen, um ein besseres Leben zu finden oder – viel wahrscheinlicher – den Tod im Wasser.“
Wer könnte diesen Mann im März in Ruandas Hauptstadt Kigali also nicht erneut zum FIFA-Präsidenten wählen? Die Dänen werden ihn nicht unterstützen, auch die Deutschen tun es nicht. Viele Europäer werden sich dieser Linie anschließen. Allerdings gibt es keinen Gegenkandidaten.
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