Polen-Star Gilewicz: "Gegen Österreich zu spielen, ist richtig mühsam"
Radoslaw Gilewicz war einer der erfolgreichsten Legionäre, die in Österreich gespielt haben. Im Trikot des FC Tirol wurde der polnische Goalgetter drei Mal Meister und sicherte sich 2001 die Torjägerkrone. Auch mit der Wiener Austria feierte Gilewicz noch einen Meistertitel.
Bei der EM ist der 53-Jährige für sein Heimatland Polen als TV-Experte im Einsatz.
KURIER: Wie ist die Stimmungslage in Polen nach der Auftaktniederlage gegen die Niederlande? Radoslaw Gilewicz: Bei uns ist immer alles nur schwarz oder weiß, dazwischen gibt es nichts. Im März war die Stimmung in Polen noch richtig schlecht, jetzt ist es dafür wieder positiv. Die Leute waren mit unserem Auftritt gegen Holland echt zufrieden, weil es mutig und offensiv war.
Erwarten das denn die polnischen Anhänger?
Die Grundstimmung im Land hat sich verändert. Die Fans sagen: Wenn wir schon ausscheiden, dann sollen wir zumindest mutig und attraktiv spielen. Bei der WM 2022 in Katar haben wir zwar das Achtelfinale erreicht, aber unsere Spielweise war richtig schlecht. Das war nicht anzuschauen. Das ist jetzt unter Teamchef Probierz, übrigens ein guter Freund von mir, total anders. Diese EM ist ein kleines Experiment.
Ein Experiment?
Im polnischen Team findet gerade ein Generationswechsel statt. Von der Mannschaft, die 2012 die Heim-EM gespielt hat, sind nur noch Tormann Szczesny und Lewandowski übrig. Es drängen viele junge Spieler nach, die man vielleicht vom Namen her nicht kennt, die aber fast alle schon im Ausland spielen und selbstbewusst auftreten. Ich habe den Eindruck, da wächst was zusammen. Österreich sollte gewarnt sein.
Wovor muss sich Österreich in Acht nehmen?
Sie sollten Eckbälle und Freistöße vermeiden. In den letzten beiden Spielen hat Polen drei Tore nach Standardsituationen erzielt. Das ist kein Zufall. Das ist eine der großen Stärken.
Apropos Stärken: Welchen Eindruck haben Sie vom österreichischen Team?
Ich habe schon vor Monaten vor der österreichischen Mannschaft gewarnt. Da haben das viele noch nicht richtig ernst genommen. Aber jeder, der am Montag das Spiel gegen Frankreich gesehen hat, weiß jetzt, was auf Polen zukommen wird. Österreich ist nicht nur läuferisch und kämpferisch top, sondern auch spielerisch extrem stark. Mich hat das beeindruckt.
Was ist in Ihren Augen die größte Qualität?
Das Gegenpressing ist das beste in ganz Europa. Keine andere Mannschaft ist bei der Balleroberung so gut. Ich beobachte ja die österreichische Mannschaft schon über einen langen Zeitraum und war auch beim 2:0 gegen Deutschland selbst im Stadion – das war einfach überragend. Wahnsinn, wie sich dieses Team unter Ralf Rangnick entwickelt hat. Innerhalb von zwei Jahren ist da so viel vorwärtsgegangen. Wissen Sie, was mir auch aufgefallen ist?
Was denn?
Nicht nur die Taktik hat sich verändert, seit Rangnick da ist. Auch die Mentalität. Egal gegen welchen Gegner es geht, diese Mannschaft hat keine Angst. Und mit dieser Intensität brauchen sie auch vor niemandem Angst haben. Gegen Österreich zu spielen, ist für jeden Gegner richtig mühsam. Frankreich hat sich auch deshalb nicht so entfalten können, weil Österreich so stark war. Der mit Abstand schwächste Mann am Platz war übrigens der Schiedsrichter. Diese Leistung war eine Katastrophe, so was darf es bei einer EM nicht geben.
Lastet am Freitag auf Österreich womöglich ein höherer Druck als auf Polen?
Auf dem Papier ist Österreich kleiner Favorit. Aber ich glaube nicht, dass die Österreicher nervös werden, weil sie gegen Frankreich verloren haben. Dieses Team hat so viel Selbstvertrauen, die haben mit Ralf Rangnick einen erfahrenen Trainer. Das 0:1 haben die Spieler sicher nicht mehr in den Köpfen.
Was für ein Match erwarten Sie am Freitag in Berlin?
Es wird hoch spannend und bin mir ziemlich sicher, dass es kein großes Taktieren geben wird. Beide Teams werden riskieren, weil ja auch nichts anderes übrig bleibt. Wer dieses Spiel verliert, ist höchstwahrscheinlich weg. Die Frage ist, wer kommt mit diesem Druck besser klar.
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