Nach Österreichs 0:1 gegen Frankreich: Nicht gut genug – noch nicht!
Aller Anfang ist schwer, könnte man nach dem EM-Auftakt eine alte Floskel bedienen. Doch sie ist durchaus zutreffend nach der 0:1-Niederlage der Österreicher gegen Frankreich am Montagabend in Düsseldorf. „Es ist das Duell Topfavorit gegen Geheimfavorit“, hatte ARD-Experte Bastian Schweinsteiger vor der Partie gemeint.
Nun gut, der Topfavorit hat gewonnen. Und weiter? Was noch passiert ist und was bleibt nach dem ersten Spiel des ÖFB-Teams bei dieser EM? Einmal darüber geschlafen steht fest: Bei Weitem nicht alles war schlecht an diesem Abend.
Minus: Das Resultat
Das Wichtigste gleich zu Beginn: Österreich hat verloren. Was das bedeutet? Nicht allzu viel vor dem Spiel gegen Polen, in dem unabhängig vom Resultat gegen Frankreich ein Sieg eingeplant ist. Dass man nach der Partie gegen den zweifachen Welt- und Europameister mit leeren Händen dastehen könnte, musste man trotz Euphorie und Zuversicht in Erwägung ziehen. Gelingt am Freitag ein Sieg, ist man im Plan. Dass man schon nach dem zweiten Spiel im Falle einer weiteren Niederlage und eines Remis im Parallelspiel ausgeschieden sein könnte, sei deshalb nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Umgekehrt könnte es sich als wertvoll erweisen, dass man nur 0:1 verloren hat.
Plus: Der Mut
Nach 20 Minuten des Abtastens, die durch die spezielle Atmosphäre und Situation begründbar waren, ging man so ans Werk, wie man es aus den Testspielen und der Qualifikation gewohnt gewesen war. „Je länger die erste Halbzeit gedauert hat, desto besser sind wir ins Spiel gekommen“, sagte Patrick Pentz. Die Österreicher zogen nicht zurück, gingen mutig in die Zweikämpfe und zeigten keinen Respekt vor den Weltklassestars. Wenngleich man anerkennen musste, dass man aufgrund ebendieser Klasse das eine oder andere Mal zu spät kam und sich fünf Gelbe Karten einhandelte. Auch in Ballbesitz versteckte man sich nicht, wenngleich die Lösungen nicht immer ideal waren.
Minus: Die Offensive
Österreich hatte durch Christoph Baumgartner die beste Chance des gesamten Spiels. Sieben Meter, mittig vor dem Tor und nur noch den Goalie vor sich, da sollte es einschlagen. Das war es dann aber auch mit der Herrlichkeit an Chancen. Warum? Wie auch Rangnick gleich nach Spielende betonte, hat sein Team zu wenig in die Tiefe und zu viel in die Breite gespielt. „Wir hätten mutiger spielen können und die Halbräume besser finden müssen“, befand Stefan Posch. Sprich jene Räume zwischen Zentrum und Flügel, in denen statistisch sehr viele Torchancen vorbereitet werden. Das sollte besser werden, die Polen werden sich noch weiter zurückziehen und den Österreichern den Ball überlassen.
Plus: Die Defensive
Dass die Franzosen mit der vielleicht besten Offensive der Welt nur durch ein Eigentor gegen Österreich gewinnen, spricht dafür, dass nicht alles schlecht war. Das Spiel gegen den Ball hat im Grunde funktioniert. Die eine oder andere Chance der Franzosen, wie etwa jene von Kylian Mbappe nach neun Minuten, ist durch technische Fehler der Österreicher im eigenen Ballbesitz entstanden. In Summe hatten die Franzosen zehn Schüsse, davon gingen nur drei aufs Tor. Der Expected-Goals-Wert, der die Qualität der Torchancen nach Parametern wie Schussdistanz- und Winkel beschreibt, spuckt einen Wert von 0,88 aus. Beim letzten Duell in der Nations League 2022 lag der Wert noch bei 3,1.
Minus: Die Standardsituationen
Wenn schon aus dem laufenden Spiel wenig gelingt, so sollte der ruhende Ball dazu genutzt werden, dem Gegner wehzutun. Ein altbewährtes Mittel für Außenseiter, wie es die Österreicher gegen Frankreich waren. Während man die Defensiv-Standards gut verteidigte, gelang bei den offensiven rein gar nichts. Sechs Eckbälle verzeichneten die Rangnick-Schützlinge, nur zwei die Franzosen. Allerdings kam man bei keinem der sechs Versuche zum Torabschluss. Wenn Lufthoheit des Gegners unüberwindbar ist, würde sich eine kurze Variante anbieten. Da fehlt es in der Ära Rangnick aber insgesamt noch entweder an erkennbaren Ideen oder eben der effektiven Umsetzung.
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