Nicht einfach nur kleiner – warum Torfrauen anders trainieren müssen

Zusammenfassung
- Frauenfußball benötigt spezifisches Torhüterinnentraining, das sich nicht an männlichen Vorbildern orientiert.
- Michael Gurski betont die Wichtigkeit von Koordination und Positionierung, da Frauen oft kleinere Körpergröße und andere Muskelstruktur haben.
- Es gibt Defizite in der professionellen Förderung von Torfrauen, was eine frühzeitige und gezielte Ausbildung erfordert.
Mit der Fußball-EM der Frauen stehen die Leistungen der internationalen Spitzenfußballerinnen wieder mehr im Fokus. Während das Spiel sich im vergangenen Jahrzehnt professionalisiert und verbessert hat, fällt – mit einigen Ausnahmen – noch auf, dass es an der Position im Tor noch einiges an Aufholbedarf gibt.
„Gerade auf dieser Spezialposition, wo du ja unmittelbar an Sieg oder Niederlage beteiligt bist, ist die Beurteilung relativ schnell“, sagt Michael Gurski im KURIER-Gespräch. Der Deutsche ist seit zwei Jahren als Torfrauentrainer bei RB Leipzig in der deutschen Frauen-Bundesliga beschäftigt. „Ich habe gemerkt, dass die Ausbildung der Torfrauen oft noch auf männliche Vorbilder ausgerichtet ist. Dabei gibt es ganz entscheidende Unterschiede.“ Er plädiert deshalb dafür, die Beurteilung nicht auf der Norm des Mannes aufzubauen.
Während die Männer im Tor unter anderem durch ihre Körpergröße und Kraft überzeugen, stehen seiner Ansicht nach bei Frauen andere Stärken im Vordergrund. „Die durchschnittliche Körpergröße der Torfrauen bei der letzten WM lag bei 1,74 Metern. Das ist deutlich kleiner als bei den Männern, was natürlich Auswirkungen auf die Abdeckung des Tores hat“, so Gurski. Eine einfache Variante wäre, die Tore im Frauenfußball zu verkleinern. Doch da das derzeit keine Überlegung ist, setzt er in der Ausbildung der Torfrauen an.

Michael Gurski ist Torfrauentrainer bei RB Leipzig
Koordination und Position
Das Training müsse stärker auf die körperlichen Voraussetzungen von Frauen abgestimmt werden. „Die Muskulatur und die Dynamik sind anders – Frauen holen ihre Bewegungsenergie eher aus dem Rumpf als aus der Schulter. Auch die räumliche Wahrnehmung ist unterschiedlich. Das sind Faktoren, die man in der Ausbildung berücksichtigen muss.“
Besonders die Koordination und das Positionsspiel seien entscheidend: „Die Torfrau muss die Entfernung und Geschwindigkeit des Balls ganz anders einschätzen und sich entsprechend optimal zum Ball stellen, bevor der Schuss überhaupt kommt.“
Professionalisierung
Doch nicht nur im Training selbst gebe es Defizite. „Viele Profivereine haben überhaupt noch keinen speziellen Torfrauen-Trainer, zumindest keinen Vollzeit-Job. Die jungen Spielerinnen bekommen oft erst spät eine gezielte Förderung, meist erst ab 15 oder 16 Jahren, während Jungen oft schon viel früher auf hohem Niveau trainieren.“ Diese kurze Ausbildungszeit macht es für Frauen besonders schwer, im Profibereich auf ein gutes Niveau zu kommen. „Sie müssen in kürzester Zeit das Gleiche lernen, wofür Jungen mehrere Jahre Zeit haben.“
Ein großer Vorteil der Frauen sei ihre Körperkontrolle. „Frauen haben einen viel besseren Körperschwerpunkt, sie bewegen sich rhythmischer und sind dadurch beim Positionswechsel im Tor klar im Vorteil. Das ist eine große Stärke, die oft unterschätzt wird.“ Tatsächlich sei auch ein gutes Rhythmusgefühl von Vorteil.

Michael Gurski und Kathrin Lehmann: „Torfrautraining“
Benevento. 168 Seiten. 24 Euro
Torwarttrainer Gurski will mit seinem Buch „Tor Frau Training“, erschienen im Benevento Verlag, einen Anstoß geben, die Ausbildung im Frauenfußball noch gezielter und professioneller zu gestalten. Er will Impulse liefern und fordert ein Umdenken bei den Trainingsmethoden. „Es ist kein Wissenschaftsbuch, sondern basiert auf jahrelangen Erfahrungen. Aber es zeigt klar, dass wir dringend neue Wege gehen müssen, um die Torfrauen bestmöglich zu fördern.“
Die Hoffnung: „Je besser die Ausbildung, desto mehr Talente können sich durchsetzen – und das wird den Frauenfußball insgesamt voranbringen.“
Kommentare