ÖFB-Vision? "Spitzengoalies in den besten Ligen Europas“

Christian Zawieschitzky ist für Günter Kreissl (re.) ein Toptalent
Seit 2021 ist Günter Kreissl beim ÖFB. Als „Head of Goalkeeping“ soll der ehemalige Bundesliga-Tormann dafür sorgen, dass Österreich künftig über echte Spitzenleute bei den Tormännern- und Frauen verfügt. Die Richtung dürfte stimmen.
KURIER: Wie sieht der ideale Tormann heutzutage aus?
Günter Kreissl: Das Schöne ist, dass es den idealen Torwart nicht gibt, dass du mit unterschiedlichen Profilen erfolgreich sein kannst. Wobei die Physis ein anderer limitierender Faktor ist, als auf anderen Positionen. International existieren praktisch keine Tormänner unter 1,80. Yann Sommer ist mit 1,82 schon eine Ausnahme.
Dann frage ich anders: Welche drei Eigenschaften muss ein Topgoalie haben?
Wir wünschen uns Torleute, die in den entscheidenden Momenten da sind. Sie sind idealerweise Schnellkraft-Akrobaten, verbinden also katzenhaft Dynamik und Eleganz und halten im besten Fall viele Bälle.
Kann ein Torhüter zu groß sein?
Ja. Zu viel Größe geht auf Kosten der Bewegungsschnelligkeit und zu große Torleute kommen nicht so schnell in die flachen Zonen des Tores. Kjell Scherpen, bei Sturm zuletzt Tormann des Jahres in der Bundesliga, schrammt mit 2,06 Metern an dieser Grenze, hat aber überragende Qualitäten in seinem Bewegungsmuster und macht es zu seinem Vorteil. Was international am meisten gesucht wird, sind Torhüter zwischen circa 1,94 und 2 Metern.
Sie sind seit fünf Jahren beim ÖFB in Ihrer Funktion. Gab es von Beginn an eine klare Vision und Strategie?
Wir haben ein Torwart-Ausbildungskonzept erarbeitet, es nennt sich „Ö1“. Bei der Erstellung wurden unter anderem alle Torwarttrainer der Bundesligisten, Teamchef Rangnick und Sportdirektor Schöttel eingebunden. Damit dieses Konzept auch gut gelebt wird und unsere Schwerpunkte umgesetzt werden, gibt es in jedem Bundesland einen Verantwortlichen, der eine Mentorenrolle für alle Torwarttrainer in seiner Region für alle Ausbildungszentren einnimmt.
Wie lautet die Zielsetzung?
Unsere klare Vision ist es, Spitzentorleute für die besten fünf Ligen Europas zu produzieren, die dort auch Nummer eins sind.
Ist es zu früh, nach einem ersten Output zu fragen?
Darüber denke ich selbst viel nach. Was uns schon gelungen ist, ist, einen positiven Aufschaukelungs-Effekt in Gang zu setzen. Der hat noch weniger mit unserem Konzept „Ö1“ zu tun, sondern mehr damit, dass der Torwartbereich allein deshalb mehr Wertschätzung erfährt, weil der ÖFB diese Position des „Head of Goalkeeping“ geschaffen hat und es jemanden gibt, der strategisch arbeitet und in alle Richtungen viele Gespräche führt. Ein wichtiger Auslöser war, dass Rapid auf Niki Hedl gesetzt hat. Das hat einen Effekt, wenn es funktioniert. Dann kam der LASK, der auf Lawal gesetzt hat und dann der WAC mit Polster oder Klagenfurt mit Spari. Wir hatten noch nie so eine Anzahl an jungen österreichischen Einser-Torleuten bei österreichischen Topklubs. Und es kommen schon die nächsten hinterher.
Wie etwa Christian Zawieschitzky, der zuletzt mit erst 18 Jahren für Salzburg bei der Klub-Weltmeisterschaft debütiert hat?
Genau, aber nicht nur er. Wir haben immer mehr Torleute ohne diesen limitierenden Faktor Körpergröße. Die sind um die 1,90 oder größer, viele davon sind großartige Fußballer und deshalb bin ich extrem zuversichtlich. Wir sind derzeit in einem positiven Flow, bleiben aber auf der Hut.
Was zeichnet Christian Zawieschitzky aus?
Er hat ein wirklich komplettes Paket und ist ein extremer Wettkampftyp. Er schafft es, im Spiel oftmals seine Bestleistung zu bringen, während andere junge Torleute fantastisch trainieren, aber in Spielen noch nicht konstant sind.
Wie stellt man sicher, dass einer wie er tatsächlich Karriere macht?
Wir haben ihn schon beim letzten Unter-21-Lehrgang hochgezogen, obwohl er drei Jahre jünger ist. Wenn wir außergewöhnliche Talente haben, dann müssen wir auch die Struktur brechen, dass einer warten muss, bis er an der Reihe ist. Wir sind überzeugt davon, dass frühzeitige Spielpraxis auf hohem Niveau den Unterschied macht, ob du ein herausragender oder nur ein sehr guter Torwart wirst.
Torleute sind Einzelsportler. Prüft man schon im jungen Alter ihre mentale Stärke?
Ja, gerade bei Toptalenten. Die Aussagekraft ist aber bei 15-, 16-Jährigen noch nicht so groß. Der erste Altersbereich, wo ich mir persönlich eine seriöse Prognose über den Verlauf der Karriere zutraue, ist das Segment der Unter-21. Wir versuchen auch alle Faktoren abseits der Athletik und des Fußballspezifischen am Schirm zu haben.
Was ist das noch?
Eines der wichtigsten Dinge ist die Ausstrahlung und was diese interaktiv mit dem Gegenspieler macht. Ein Stürmer läuft mit viel weniger Wohlbefinden auf einen Manuel Neuer zu, als auf einen anderen. Weil er mit einer enormen Selbstverständlichkeit entgegenkommt.
Braucht der ÖFB auch einen Head of Goalscoring?
Wenn du mit unseren Toptalenten – egal auf welcher Position – sprichst, kommt als wichtigste Rückmeldung, dass sie gerne noch mehr individuelles Training hätten. Der Wunsch ist also da und ernst zu nehmen. Ich fände es jedenfalls spannend, darüber nachzudenken.
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