Peter Stöger beobachtet das Fußball-Geschehen seit seiner Trennung von Ferencvaros Budapest im Dezember 2021 als TV-Experte für Sky aus nächster Nähe. Der KURIER sprach mit ihm über den Liga-Modus, die Austria, das Nationalteam und den Krieg Russlands gegen die Ukraine.
KURIER: Es herrscht viel Gerangel im Kampf um die Top 6. Wer wird es in die Meistergruppe schaffen?
Peter Stöger: Spannung ist jedenfalls garantiert für die letzte Runde. Ich sehe gute Karten für die Austria, sie sollte es aus eigener Kraft schaffen. Aber auch Rapid hat mit dem Heimspiel gute Chancen.
Wie wichtig wäre es, dass beide Wiener Klubs in die Meistergruppe kommen?
Selbst wenn es gut für den Fußball wäre, man muss sich das auch sportlich verdienen. Die Außenseiter waren in den letzten Jahren stark in der Meistergruppe vertreten, das werden sie auch diesmal anstreben.
Am Format mit der Punkteteilung gab es Kritik – es sei sportlich nicht fair. Umgekehrt ist Fußball auch Show. Wie gerecht ist es wirklich?
Ich könnte sagen es ist ein Show-Projekt, weil Sport auch Show ist. Man braucht nicht darüber zu diskutieren, dass es nicht der sportlich fairste Zugang ist. Andere Ligen haben ähnliche Formate, in den USA gibt es Play-off-Spiele. Die Situation der Spannung ist vorhanden. Zu hoffen ist, dass mit der Öffnung in Zeiten der Pandemie die Stadien sich füllen. Das wäre ja Sinn der Spannung.
Video: KURIER Sport Talk mit Peter Stöger
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Austria in finanzieller und sportlicher Hinsicht?
Finanziell ist zum Glück passiert, was ich damals versucht habe, nämlich frisches Geld zu lukrieren. Man ist im Klub wach geworden und sieht, dass man gravierende Einschnitte durchführen muss. Es dürfte gesickert sein, dass man wirtschaftliche Unterstützung braucht. Manfred Schmid und Manuel Ortlechner haben es verstanden, richtig zu moderieren, dass die Lage schwierig ist. Die Erwartungshaltung hat sich auf ein realistisches Maß eingependelt, und dafür machen sie es richtig gut. Es war schwierig sich einzugestehen, dass man keine großen Schritte machen kann, auch wenn man Austria Wien heißt.
Die Austria wollte Sie halten. Was hat letztlich dagegen gesprochen?
Die Arbeit mit der Mannschaft hat mir richtig Spaß gemacht. Belastend und schwierig war, nebenbei zu laufen und zu akquirieren. Das war unfassbar anstrengend. Rein das Trainergeschäft war ja in Ordnung, aber ich habe mich nicht mehr entkoppeln können von den anderen Aufgaben.
Ich habe beim Austria-Spiel gegen den WAC den Franco Foda getroffen, und wir haben beschlossen, dass wir uns qualifizieren. Es sind Finalspiele, da kommt es auf die Fitness der Spieler an. Wenn alle gut drauf und nahe der Bestform sind, haben wir eine richtig starke Mannschaft, dann stehen die Chancen sehr gut.
Sie werden immer wieder mit dem Teamchefposten in Verbindung gebracht. Einerseits eine Ehre, andererseits auch unangenehm, wenn das den Kollegen automatisch unter Druck setzt?
Mit dem Franco habe ich das schon einmal ausdiskutiert. In Wahrheit ist es total unangenehm. Man kann es nicht verhindern. Wenn wir uns qualifizieren für die WM, dann gibt es ohnehin längere Zeit keine Diskussion. Wobei es ja viele Trainer gibt, die für den Posten infrage kämen. Meistens werden es jene, die oft genannt werden, dann eh nicht. So gesehen braucht sich der Franco bei mir keine großen Sorgen zu machen.
Im Dezember 2021 hat Ferencvaros entschieden, auf Ihre Dienste zu verzichten. Inwieweit nehmen Sie so etwas noch persönlich?
Natürlich beschäftigst du dich damit. Dann reflektierst du, hinterfragst dich. Ich versuche es schon zu trennen. Der Fußball ist ein Big Business geworden, kurz und schnelllebig. Du musst für dich selbst schauen, was gut war, wo du selbst Fehler gemacht hast.
Wenn Sie auf die vergangenen zwei Jahre mit Corona und jetzt dem Krieg blicken – spielt die Welt verrückt?
Ich bin wie viele Menschen besorgt. Einerseits hatte ich beim Austria-Match mit den vielen Zuschauern ein kleines Glücksgefühl, weil wir das wegen Corona so lange nicht erleben durften. Das hat sich dann gut angefühlt. Was mir Angst macht, ist der Umstand, dass viele Entscheidungsträger mit vielen Dingen nicht gerechnet haben. Sei es bei Corona, oder jetzt bei dem Krieg. Das gibt mir nicht unbedingt die Sicherheit, dass nicht womöglich noch ganz andere, schlimmere Dinge auch passieren können. Das lässt Leute mit einer Unsicherheit zurück.
Ist der Frieden keine Selbstverständlichkeit mehr in Europa?
Schwer zu sagen, weil die Generation, die keinen Krieg erlebt hat, das immer schwerer einordnen kann.
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