Das Beben nach der Blamage: Chaostage bei Rapid
So schnell kann es im Fußball gehen. Am Donnerstag war im KURIER noch zu lesen: „Die Chance auf einen historischen Abend.“ Das Gebotene war dann tatsächlich historisch, aber ganz anders als erwartet.
Erstmals hätte Österreichs Bundesliga fünf Vereine in den europäischen Gruppenphasen stellen können. Zuerst stolperte der Wolfsberger AC in eine Peinlichkeit, die nur durch den weiteren Verlauf des Abends verdeckt wurde: 0:4 im Heimspiel gegen Molde aus Norwegen. Vergleichsweise unbeschadet kehrt die Austria aus Istanbul nach dem 1:4 gegen Fenerbahçe zurück: Der Umstieg in die Conference League bringt dennoch attraktive Gegner und ist lukrativ.
Wie weh das Verlieren tun kann, wurde danach in Hütteldorf zelebriert. Auf das ebenso glückliche wie erschreckende 1:1 in Vaduz folgte im Rückspiel das Aus im Play-off zur Conference League. 0:1 gegen einen Schweizer Zweitligisten, der nur deshalb am Europacup teilnehmen darf, weil die sieben Liechtensteiner Vereine einen eigenen Pokalbewerb austragen. Das Ergebnis für Serien-Cupsieger Vaduz: ein Königreich fürs Fürstentum.
Erinnerung an Färöer
Das Desaster in Grün reiht sich ein in die Liste der größten Fußball-Pleiten Österreichs (siehe rechts). „Der Stachel sitzt sehr tief“, sagt Rapid-Trainer Ferdinand Feldhofer. Vaduz war der bessere Gegner als die Färöer beim unsäglichen 0:1 des Nationalteams in Landskrona 1990: Der Kader besteht durchwegs aus Vollprofis, die Qualität ist vergleichbar mit einem Abstiegskandidaten in Österreichs Liga. Allerdings waren die Rapidler spätestens nach dem Hinspiel gewarnt. Extra war das Duell mit Hartberg verschoben worden, um sich eine Woche lang vorbereiten zu können. Feldhofer forderte seine Mannen auf, „mit der Einstellung für ein Spiel des Lebens reinzugehen. Es ist das wichtigste Spiel des Jahres für uns.“
Und dann? 0:1. „Wir sind verdient ausgeschieden“, musste Kapitän Guido Burgstaller erkennen. Nach einer frühen Roten Karte für Kevin Wimmer gab es in der Rapid-Viertelstunde, in der schon viele europäische Duelle gedreht worden waren, nicht einmal mehr eine Torchance.
Eine vergleichbare Blamage war das Aus von Salzburg in der Champions League gegen Düdelingen 2012. Mit 1:0 und 3:4 setzten sich die Halbprofis aus Luxemburg durch. Die Verantwortlichen bei Red Bull waren damals der heutige ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick als Sportchef und Benfica Lissabons Star-Trainer Roger Schmidt als (damals neuer) Chefcoach. Die Reaktion von Red-Bull-Boss Mateschitz? Er ließ die beiden Deutschen im Amt.
Der große Unterschied zu Rapid: Rangnick durfte die Mannschaft direkt nach dem Selbstfaller um 15 Millionen Euro verstärken, etwa mit dem heutigen Weltstar Sadio Mané von den Bayern, und legte den Grundstein für die bis heute anhaltende Dominanz in Österreichs Fußball.
Schwer gezeichnet
Bei Rapid stehen in den letzten vier Tagen der Transferzeit hingegen keine weiteren Wechsel auf dem Programm.
„Es macht mich viel mehr nachdenklich, warum das große Talent im Kader nur aufblitzt und wir die PS nicht auf den Rasen bekommen“, rätselt Sportchef Zoran Barisic. Feldhofer bekam Rückendeckung für das Sonntagsspiel gegen Sturm.
Noch schwer gezeichnet verkündete der Chefcoach nach dem Wiedersehen mit der Mannschaft, dass er „vorangehen und Lösungen finden muss“, alle müssten „jetzt zusammenhalten und Gas geben“. Es klang eher kraftlos.
Dabei wollte der stets freundliche Steirer noch vor Vaduz ein kraftvolles Zeichen setzen: Verteidiger Michael Sollbauer hatte am Montag im TV-Sender Sky die vielen Personalwechsel von Feldhofer kritisiert, die eigenen enttäuschenden Leistungen aber mit keinem Wort erwähnt – und wurde dafür auf die Tribüne verbannt.
Proteste der Fans
Stichwort Tribüne: Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich nach der über 90-minütigen Unterstützung. Aus dem Schlusspfiff wurde eines der lautesten Pfeifkonzerte. Einige Fans bahnten sich den Weg vom Block West zum VIP-Klub, in dessen Zentrum sich die Vereinsloge befindet. Die Verantwortlichen bekamen Beschimpfungen und Drohungen zu hören. Rekordspieler Steffen Hofmann bemühte sich um Beruhigung. Die Polizei, die zum Eingreifen bereit war, wurde wieder weggeschickt.
Hinter verschlossenen Türen diskutierten dann die Klubbosse lange mit Vertretern der Fanszene. Ein Vorgang, der außerhalb von Hütteldorf befremdlich wirkt, aber seit dem Bekenntnis von Ehrenpräsident Rudi Edlinger zum offenen Mitgliederverein in Krisenzeiten so gehandhabt wird. Protestaktionen der Fans sind gegen Sturm dennoch zu erwarten.
„Rapid ist ein explosives Pflaster. Wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen, aber auch Ruhe bewahren“, erklärt Barisic. Feldhofer bekommt noch die Chance zur Wende.
Die „richtigen Schlüsse“ will auch das Präsidium ziehen. Laut KURIER-Informationen wird sich die Gruppe um Martin Bruckner nicht mehr der Wiederwahl stellen.
Peschek geht
Außerdem wird sich Christoph Peschek demnächst zurückziehen. Der Manager hatte enge Kontakte zur Fanszene, kam aber zuletzt im Verein wie bei den Fans in die Kritik.
Barisic soll hingegen bleiben.
Machtkampf
Eine letzte Besprechung der Spitze um Bruckner steht noch aus, aber die Tendenz ist eindeutig. Eigentlich wollten die Bosse möglichst in Ruhe eine Übergabe einleiten, da im Hintergrund aber schon länger Machtkämpfe vor sich gehen, geht es jetzt schnell.
An sich hätte es keinen Wahlkampf gegeben. Die Bewerbungsfrist ist vorbei. Aber wenn die einzige Liste nicht antritt, muss das Wahlkomitee aktiv werden und eine Liste suchen.
Ein erfahrener Rapidler sagt: „Trotz der aktuellen Probleme ist Rapid attraktiv. Es wird kein Problem sein, Kandidaten zu finden. Es soll nur keinen Wahlkampf mehrerer Liste geben, das hat dem Verein 2019 geschadet.“
Vorbild Sturm?
Wie schnell es im Fußball gehen kann, hat der kommende Gegner gezeigt: Vor zwei Jahren kam der Traditionsverein Sturm am gefühlten Tiefpunkt an. Mit einem Plan, Mut und neuen Kräften machten die Grazer seither nahezu alles richtig.
Sturm reist am Sonntag als gut aufgestellter und nun auch reicher Verein nach Hütteldorf.
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