Adi Hütter: "Da kann ich nur noch den Kopf schütteln"
Vom Aus in der ersten Runde des DFB-Pokals hin zum Semifinale in der Europa League. Vom Favoriten auf den ersten Rauswurf der Saison zum Trainer des Jahres - Adi Hütter hat ein turbulentes erstes Jahr bei Eintracht Frankfurt hinter sich. 50 Pflichtspiele absolvierte der Vorarlberger mit dem Traditionsverein, am Ende landeten die Frankfurter auf Rang sieben und müssen schon in drei Wochen wieder in der Europa League-Quali ran. Der KURIER traf Adi Hütter in Salzburg zum Interview.
Wie lange wirkt denn so eine kräfteraubende Saison eigentlich nach?
Ich hatte persönlich das Gefühl, dass ich relativ schnell wieder hergestellt war. Schon nach einer Woche habe ich mich sehr relaxed gefühlt und auch gut geschlafen. Das war auch für mich ein wenig überraschend.
Inwiefern überraschend?
Weil die Saison ja dann doch sehr intensiv war. Es waren zehn Monate Arbeit, Anspannung und natürlich auch Druck. Es ist in dieser Zeit dermaßen viel passiert: Vom Rauswurfkandidaten Nummer eins zum Trainer des Jahres, die Europacuppartien, es hat sich unglaublich viel abgespielt. Vieles wird einem im Nachhinein erst so richtig bewusst.
Hat ein Trainer während der Saison überhaupt Zeit und Ruhe, in sich zu gehen?
Nur sehr schwer. Man ist so in einem Radl drinnen, wir hatten oft englische Wochen, es ging praktisch immer von Spiel zu Spiel. Natürlich hilft einem da auch die Erfahrung, aber die deutsche Bundesliga ist schon noch einmal ein anderes Pflaster was die Aufmerksamkeit und die Anforderungen betrifft. Ich habe die letzten Wochen genutzt, um zu reflektieren und alles genau zu hinterfragen: Was habe ich bewirken können? Habe ich meine Ideen reingebracht? Was war gut,was weniger? Was ist am Ende des Tages übrig geblieben?
Was ist Ihr Eindruck: Was ist übrig geblieben?
Wenn ich die Resonanz in ganz Deutschland sehe, die Resonanz, die teilweise auch über die Grenzen hinaus geht; wenn ich lese und höre, was über die Eintracht geschrieben und geredet wird; wenn ich das alles bewerte, dann haben wir einen super Job gemacht.
Dabei hatten Sie im August als Topfavorit auf den ersten Trainerwechsel gegolten. Hat Sie das damals gekränkt?
Das war sicher nicht angenehm, aber wirklich gekränkt hat es mich auch nicht. Natürlich wünscht man sich andere Schlagzeilen. Irgendwer hat mir damals aber gesagt: ,Keine Angst, der Trainer, der in den Medien als Rauswurfkandidat Nummer eins genannt wird, der wird dann nie als Erster entlassen.’
Und das hat Sie beruhigt?
Ich musste nicht beruhigt werden, weil man mir von Seiten des Vereins immer das Vertrauen geschenkt hat. Fredi Bobic und Bruno Hübner haben mich in der Phase, in der von außen vielleicht schon Unruhe aufgekommen ist, immer unterstützt und mich komplett in Ruhe arbeiten lassen.
Das ist keineswegs selbstverständlich. Bayern-Coach Niko Kovac hat öffentlich mehr Respekt und Geduld eingefordert. Peter Stöger meinte im KURIER-Interview sogar, dass der Trainer heute die ärmste Sau wäre.
Es stößt bei mir auch auf großes Unverständnis, wenn Trainer Titel holen und dann trotzdem in der Kritik stehen oder gar entlassen werden. Ich frage mich da ernsthaft: ,Was soll ein Trainer machen, wenn Titel plötzlich nicht mehr zählen und offenbar keinen Wert mehr haben?' Da kann ich nur mehr den Kopf schütteln. Dass ein Trainer heute von der Geduld und der Ruhe des Umfelds abhängig ist, das habe gerade ich in der letzten Saison bei der Eintracht genießen dürfen. Der Trainerberuf ist grundsätzlich kein einfacher Job. Er ist ein Job, der dich täglich herausfordert. Aber ärmste Sau würde ich jetzt nicht sagen.
Ein sicherer Job ist es aber auch nicht: Von den zwölf Trainern, die letzte Saison in die österreichische Bundesliga gestartet sind, ist nur mehr einer (Markus Schopp) übrig.
Wobei man da schon festhalten muss, dass nicht alle rausgeworfen wurden. Aber klar ist: Der Fußball ist tatsächlich immer mehr zum Tagesgeschäft geworden und er wird immer noch schnelllebiger. Du musst Ergebnisse liefern. Ich habe den Eindruck, dass vielen mittlerweile einfach die Geduld fehlt.
Woran liegt das?
Möglicherweise auch daran, dass sich manche mehr von außen beeinflussen lassen. Von den Medien, heutzutage den Sozialen Medien vor allem, oder auch von Sponsoren oder anderen Einflüsterern.Und dann kippt schnell einmal die Meinung. Mir ist ein Satz von Walter Hörmann in Erinnerung, der mein Sportchef in Altach war.
Verraten Sie Ihn uns.
Er hat gesagt: ,Wenn man es als Klubverantwortlicher schafft, einen Trainer durch eine Krise zu führen, dann werden der Trainer und alle im Verein gestärkt.’ Und dann wachsen automatisch das Vertrauen und auch das Standing. Wenn ein Trainer zwei, drei Mal hintereinander verliert, ich aber zugleich sehe, dass er sehr akribisch vorgeht, dass auch die Stimmung in der Mannschaft passt – warum sollte ihn ein Verein dann entlassen? Leider ist es heute so, dass bei jedem ersten Gegenwind gerne ein neuer Trainer geholt wird. Aber seien wir ehrlich: Wie oft hat das langfristig den Erfolg gebracht?
Sie sind dafür ohnehin der falsche Ansprechpartner. Sie wurden in Ihrer Karriere erst einmal entlassen.
Ich würde jetzt lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht auch in gewisser Weise stolz macht. Ich bin jetzt seit 2008 Trainer, stehe bei 449 Partien und in diesen elf Jahren hatte ich nur vier Monate keinen Job. Man muss schon gut arbeiten und erfolgreich sein, sonst schafft man das nicht. Andererseits.
Andererseits...
Mir ist schon klar, dass mir es irgendwann auch einmal passieren kann, dass ich entlassen werde. Dass mein einziger Rauswurf ausgerechnet bei meinem Heimatverein Altach passiert ist, das tut mir weh.
Das war 2012. Seither ging es mit Ihrer Karriere stetig bergauf. Haben Sie keine Angst, dass das Pendel einmal in die andere Richtung ausschlagen könnte? Anders gefragt: Beherrscht der Trainer Adi Hütter auch Krisenmanagement?
Ob ich das Krisenmanagement beherrsche, traue ich mich nicht zu sagen. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich noch keine schwierigen Phasen als Trainer durchgemacht hätte. In Grödig sind Sachen passiert, die ich keinem Trainer wünsche.
Sie sprechen vom Wettskandal und der Spielmanipulation.
Genau. Das war eine wirklich große Krise, weil es auf Grund der Vorfälle damals innerhalb der Mannschaft wenig Vertrauen gab. Da war ich als Trainer gefragt und hatte einige Herausforderungen zu bewältigen. Ich glaube also schon, dass ich weiß, welche Hebel ich zu bedienen habe, wenn es einmal schwieriger läuft. Damit es wieder zurück in die richtige Spur geht.
Aber sportliche Krisen sind Ihnen praktisch fremd.
Stimmt, richtig lange Negativserien hat es bei meinen Vereinen so noch nicht gegeben. Aber genau um das geht es, richtige Negativ-Serien mit aller Macht zu verhindern. Denn ist man da mal drinnen, ist es sehr schwierig wieder herauszukommen.
Was würden Sie sagen: Was zeichnet den Trainer Adi Hütter aus?
Ich lass ehrlich gesagt lieber andere sprechen. Ich rede grundsätzlich nicht gerne über mich.
Okay, dann formulieren wir es anders: Was muss ein Trainer heute mitbringen?
Es ist wahnsinnig wichtig, dass man der Mannschaft einen klaren Plan vermittelt, damit die Spieler wissen, was man spielen will. Aber genauso wichtig ist die persönliche und soziale Kompetenz. Du bist ja nicht nur Trainer, sondern du bist zugleich Coach, Ansprechpartner, Vertrauensperson. Die Spieler müssen das Gefühl haben: ,Hoppla, das ist nicht nur mein Trainer, sondern dem kann ich auch Sachen anvertrauen, die jetzt nichts mit dem Fußball zu tun haben.’ Dass man so eine Verbindung aufbaut, ist extrem wichtig. Die Frage ist ja immer: Kommt man am Ende damit weiter, oder doch mit Fachkompetenz?
Was meinen Sie?
Es braucht definitiv beides. Wenn du heute nur fachlich gut drauf bist und das andere nicht beherrscht, dann scheiterst du viel schneller. Wenn du die Sozialkompetenz mitbringst, einen guten Draht zu den Spielern hast, aber fachlich nicht top bist, wirst du auch über kurz oder lang auch an die Grenzen stoßen.
Sie dürften beides beherrschen – die Leser der Bildzeitung und die Spieler der Bundesliga haben Sie mit großem Vorsprung zum Trainer des Jahres gewählt.
Das taugt mir und macht mich stolz. Vor allem, dass Spieler anderer Vereine, die mich persönlich nicht einmal kennen, so entschieden haben. Ich sehe das aber als Auszeichnung für den gesamten Klub. Eintracht hat eine tolle Saison hingelegt.
Und es steht dem Klub eine harte Saison bevor. Die Erwartungshaltung wird durch Rang sieben und den Europacup-Halbfinaleinzug nicht kleiner werden.
Natürlich sind die Hoffnungen und die Erwartungshaltung groß. Das haben wir uns wenn man so will selbst eingebrockt. Klar hat die letzte Saison große Lust gemacht, es wäre daher sehr schön, wenn wir in die Europa League-Gruppenphase einziehen und mit der Eintracht wieder international spielen.
Ist Ihnen überhaupt Zeit geblieben, die Stadt Frankfurt kennen zu lernen?
Ich muss zugeben, dass ich relativ selten unterwegs bin. Ich bin ja auch nicht nach Frankfurt gekommen, um jeden Winkel der Stadt zu kennen. Sondern um mit der Eintracht erfolgreich zu sein.
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