Vier Super-Bowl-Ringe am Finger, ein Kinn wie ein Kanister und ein Mundwerk, bei dem kein Auge trocken bleibt. Terry Bradshaw, der legendäre Quarterback der Pittsburgh Steelers aus den 1970er-Jahren, hat sich als TV-Kommentator der amerikanischen Profi-Football-Liga NFL mit Klartext einen Namen gemacht. Darum fällt ins Gewicht, was der 73-Jährige gerade über Aaron Rodgers vom Stapel ließ.
37 Jahre alt. Drei Mal zum wertvollsten Spieler (MVP) der Saison gewählt. Ein Mal Meister geworden. Im 17. Jahr für den ältesten Klub der Liga, die Green Bay Packers aus Wisconsin, als Zeremonienmeister des Rasenschachs. Auf und neben dem ehrwürdigen „Lambeau Field” am Lake Michigan, wo seit 60 Jahren jedes Spiel ausverkauft ist, weil die Dauerkarten über Generationen hinweg vererbt werden, wegen seines begnadeten Wurfarms verehrt und angebetet wie Papst und Präsident zusammen.
Über diesen Aaron Rodgers, der mit der Hollywood-Schauspielerin Shaleine Woodley liiert ist und bald eine Familie gründen möchte (dazu später ein wichtiges Detail mehr), sagte Bradshaw, es wäre schön, wenn er „lernen würde, ehrlich zu sein”. Denn: „Du hast alle belogen.”
Es geht um Corona. Und da kommt es im hochpolarisierten Amerika auf jedes Wort an. In der Sommerpause hatte Rodgers auf die Journalisten-Frage, ob er geimpft sei, ohne Zögern genickt und entgegnet: „Ja, ich bin immunisiert.” Die Formulierung, nachträglich betrachtet tricky gewählt, fällt ihm jetzt auf die Füße. Rodgers hat Covid-19. Er war nie geimpft. Trat aber trotzdem im Mannschaftskreis wie vor Journalisten ohne Mundschutz auf.
Seine Sperre zwang am Sonntag den Nachwuchsmann Jordan Love ins kalte Wasser. Gegen die Kansas City Chiefs war es zu tief. Green Bay ging nach langer Siegesserie mit 7:13 unter. Könnte man noch verkraften, wenn der aus dem Norden Kaliforniens stammende Asket Rodgers, dem die Coolness mitunter aus den Ohren quillt, seinen Umgang mit dem Virus nicht völlig versemmelt hätte.
Und zwar schlimmer als NBA-Basketball-Superstar Kyrie Irving. Der siebenfache All-Star der Brooklyn Nets hatte nie damit hinterm Berg gehalten, dass er den Vakzinen nicht traut. Suspendierungen bei Training und Spiel waren die Folge. Irving gehen dadurch pro Heimspiel knapp 400.000 Dollar verloren.
Rodgers dagegen hat nach überwältigender Meinung von NFL-Größen und Medien die Öffentlichkeit, die ihm Vorbildcharakter zuweist, absichtsvoll in die Irre geführt. Anstatt sich - wie inzwischen bei über 200 Millionen Amerikanern geschehen - einen zugelassenen Impfstoff injizieren zu lassen, hat der als Ultra-Individualist bekannte Athlet auf eigene Faust „recherchiert” und sein Immunsystem mit homöopathischen Mitteln gepampert, deren Wirkung wissenschaftlich erwiesen sei. Belege? Bisher keine.
Pferdemedikamente
Zudem schluckte Rodgers Ivermectin. Das Mittel kommt für gewöhnlich im Stall zum Einsatz, wenn Pferde Parasiten haben. Darum warnt die Arzneimittelbehörde FDA ausdrücklich vor der Einnahme. NBA-Altstar Kareem Abdul-Jabbar von den Los Angeles Lakers ätzte über Rodgers Hang zu Quacksalbern: „Wenn er am offenen Herzen operiert werden muss, gibt er das Skalpell dann Romanzen-Schreibern, weil sie sich so gut in Herzensangelegenheiten auskennen?”
Das größte Problem: All das hielt Rodgers bis vor Kurzem unter der Decke. Sein Klub war im Bilde, schwieg aber still. Auch dass die NFL es ablehnte, seine dubiose Eigen-Therapie mit dem Prädikat „geimpft” zu adeln, kam erst jetzt raus. Misslich genug, flüchtete der Ausnahme-Sportler nach der heftigen Kritik an seinem Ego-Trip in die Opferrolle. Ein „Mob” habe ihn, den „kritischen Denker”, im „Fadenkreuz”. So fabulierte er es mit aufreizender Selbstgerechtigkeit im Stile eines Verschwörungstheoretikers in einem Football-Podcast. Und verglich sich indirekt mit der Bürgerrechts-Ikone Martin Luther King.
Dabei lege er nur höchsten Wert auf „körperliche Autonomie”. Weil die Stoffe von Biontech und Moderna bei ihm Allergien auslösten (wie kann er das wissen?) und er im Falle einer Impfung um die Qualität seiner Spermien bange (siehe weiter oben: Familienplanung), müsse ihm doch wohl ein Sonderweg zugebilligt werden. Eine Haltung, die Impf-Skeptikern in Sozialen Medien mächtig Auftrieb gibt. Sie sehen in Rodgers ihren neuen Säulenheiligen.
Dessen versuchte Schadensbegrenzung ging nach hinten los. Er steht als Lügner da, der noch dazu versponnenen Theorien nachhängt. Der Sockel, auf dem die lebende Legende steht, hat Risse bekommen. Ein Sponsor aus der Gesundheitsbranche ist bereits abgesprungen. Ein anderer, der Versicherungsriese „State Farm”, hält ihm noch die Stange. Wie die Fan-Welt reagiert, kann sich am Sonntag gegen die Seahawks aus Seattle weisen. Wenn Rodgers bis dahin wieder spielberechtigt ist.
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