Es ist 5 nach 12: Warum Wien die Hauptstadt der Bewegungsmuffel ist
In Österreich laufen – vor allem Frauen – so viel wie noch nie. Trotzdem läuft vieles falsch. Die Schere zwischen jenen, die körperlich besonders aktiv sind und jenen, die überhaupt nichts machen, wird immer größer.
Wien, bald Marathon-Schauplatz mit Rekordbeteiligung, ist zugleich Sportstadt und Metropole der Bewegungsmuffel. Stellvertretend für Turnlehrerkollegen schlagen die Oberstudienräte Norbert Auf und Gerhard Grubmüller Alarm. Per E-Mail an politische Entscheidungsträger.
Dass die körperlichen Aufnahmekriterien bei Polizei, Feuerwehr und Heer erleichtert werden, um jungen Bewerbern den Berufseinstieg zu ermöglichen, sagen die Professoren, sei absehbar gewesen. Das dicke Ende stehe noch bevor.
Fataler Sparkurs
Die Zahl Übergewichtiger nimmt zu. An Sportunis gibt es sogar Überlegungen, die (verglichen zu den 1980er-Jahren ohnehin schon vereinfachten) Aufnahmetests überhaupt abzuschaffen. Anstatt die Handy-Generation zu mehr Bewegung zu animieren, wird selbst bei Österreichs Lieblingssportarten von der öffentlichen Hand im Schulbereich ohne Rücksicht auf Langzeitfolgen gespart.
Fußball: Im vergangenen Herbst fand in Wien erstmals seit 1975, seit die Schülerliga (auf Initiative des einstigen ÖFB-Teamchef s Leopold Stastny) vom Unterrichtsministerium gegründet worden war, kein einziges Schülerliga-Match mehr statt. Dabei hatten alle spätere Größen wie David Alaba ebenso wie weniger begabte, aber durch ihre Teilnahme sportbegeistert gewordene Kinder früher eifrig mitgekickt.
Inzwischen sind Vereine kaum noch bereit, ihre Sportplätze zu vermieten, zumal als Gegenleistung dafür Wiens Schülerliga-Leiter Christian Vogel nur 9 Euro pro Spiel genehmigt werden.
Ski: Die Anmeldung von sechs Schulen für die Teilnahme an den Wiener Schulmeisterschaften musste der dafür zuständige Professor Walter Kulha schweren Herzens ablehnen, weil das Budget für Wien nur 250 Kinder zuließ.
Tennis: Auch der Organisator vom Tennis-Schulcup, Michael Pöchl, macht ähnliche Erfahrungen wie sein Kollege von der Fußball-Schülerliga. Immer weniger Klubs wollen ihre (vormittags ohnehin meist leeren) Plätze dem Schulsport gleichsam zum Nulltarif überlassen. Fallen doch auch Reinigungs- und Energiekosten an.
Dass Platz- und Schulwarte bestimmen, ob und wann trainiert wird, erlebten schon unzählige Landesligakicker, ja sogar Topsportler wie die Meisterhandballer von West Wien. Wer Missstände aufzeigt, erreicht freilich nur, dass er Feindbild wird. Vor allem für Stadträte, deren sportliche Tätigkeit sich eher aufs Bandldurchschneiden oder symbolisches Schaufeln in Kameranähe anlässlich neuer Bauprojekte beschränkt.
Manchmal fehlt’s in Österreich nicht nur am politischen Willen, sondern auch an der Sportbegeisterung seiner Bürger. So verpasste das Volksbegehren zur täglichen Turnstunde die erforderlichen 100.000 Unterschriften. Womit sich das Parlament das Thema erspart.
Kommentare