Spurensuche bei Rapid: Mit Vollgas falsch abgebogen

Damir Canadi helfen nun nur noch Siege.
Rapid und Trainer Damir Canadi haben sich in eine Sackgasse manövriert. Wie konnte das passieren?

Siege, Siege, Siege – nur so kann Damir Canadi sein Amt als Rapid-Trainer noch absichern. Nach sieben Spielen ohne Erfolg hatte der 46-jährige Wiener Erklärungsbedarf: Der zweifelhafte Umgangston nach innen und außen wurde in der Länderspielpause ebenso von der Chefetage hinterfragt wie das sture Beharren auf eine Spielausrichtung, für die der teuerste Kader der Vereinsgeschichte nicht ausgerichtet wurde.

Die Vorzeichen für die heutige Partie in der ausverkauften NV-Arena haben sich komplett gedreht: War das Ligaspiel in St. Pölten ursprünglich als Aufwärmprogramm für das Wiedersehen im Cup-Viertelfinale am Mittwoch geplant, geht es jetzt doch schon ab 16 Uhr um alles: Um Canadis Zukunft und um die von Rapid im Zeichen des näherrückenden Tabellenkellers.

Wie konnte es nur so weit kommen? Erst vor 20 Wochen wurde Canadi aus dem Vertrag in Altach gekauft und als absoluter Wunschmann präsentiert. Doch von Anfang an gingen seine ehrgeizigen Pläne nicht auf.

110 Tage oder sieben Spiele ohne Sieg sind nur möglich, wenn mehrmals falsch abgebogen wird. Ein chronologischer KURIER-Überblick von Canadis Pleiten, Pech und Pannen:

1. Zu viel Optimismus

Nach der ersten Trainingswoche strotzte Canadi nur so voll Optimismus. "Wir spielen auf Sieg. Bis zum Winter wollen wir auf Platz eins aufholen. Rapid hat unglaublichen Spirit und Qualität bei Ballbesitz", erklärte der Ex-Altacher vor dem Debüt in Salzburg. Mit einem sehr offensiv ausgelegten 4-2-3-1 und dem körperlich unterlegenen Duo Mocinic/Szanto im Zentrum gab es gegen drückend überlegene Salzburger eine schmeichelhaft knappe 1:2-Niederlage.

2. Harte Ansprache

Ivan Mocinic war nicht nur besonders teuer, der Kroate ist auch besonders sensibel. Das war bei Rapid bekannt, seit der Rekordeinkauf auf die harten Worte von Ex-Assistent Jancker nachhaltig verängstigt reagiert hat. Trotzdem vollzog Canadi direkt nach dem 1:2 die verbale Kehrtwende. Noch in Salzburg kritisierte der Neue die Spieler scharf, besonders "die Ausländer im Kader". In dieser Tonart ging es dann weiter.

3. Poker um Schobesberger

Canadi hat recht: Nicht er allein ist schuld, dass der für seine Spielanlage so wichtige Philipp Schobesberger bis Saisonende ausfällt. Auch die Ärzte und der Flügel selbst sagten Ja zum Comeback in Genk im November. Schobesberger lief als Joker in Belgien aber gut sichtbar noch nicht wirklich rund. Der Plan, ihn gegen Sturm nur drei Tage später von Beginn an zu bringen, hätte also verworfen werden können. Noch bevor das folgenschwere Knochenmark-Ödem passierte.

4. Vertauschte Positionen

Die gesamte Vorbereitung wurde genutzt, um Stürmer Joelinton als Achter im zentralen Mittelfeld und Spielmacher Schaub als "innenliegenden Stürmer" im 3-5-2 auszubilden. Beim Derby beging der defensiv nicht geübte Brasilianer zwei Fouls und sah für beide Gelb. Bei Schaub war das Hadern mit der neuen Rolle beinahe schon körperlich spürbar. Mit dem 1:1 war das Positions-Experiment auch schon wieder beendet.

5. Fokus auf hohe Flanken

Flach kombinieren, bis über die Seite durchgebrochen werden kann; danach folgt ein Stanglpass oder ein Pass in den Rückraum – diese Spielidee übten die Rapidler drei Jahre lang. Canadi fokussiert hingegen nach dem Ballgewinn auf schnelle Verlagerung an die Seiten und von dort möglichst viele Flanken. Das verwundert. Erstens, weil vor dem Tor meistens nur Kvilitaia als kopfballstarker Abnehmer wartet. Und zweitens, weil laut Statistiken im internationalen Fußball durchschnittlich bestenfalls jede 20. Hereingabe zu einem Treffer führt.

6. Keine Talente mehr

In Altach stand Nachwuchsförderung nicht ganz oben auf Canadis Liste. Trotzdem versicherte er beim Wechsel zu Rapid, die für einen deklarierten Ausbildungsverein nötige Forcierung von jungen Eigenbauspielern fortzusetzen. So wie von Kelvin Arase oder Osarenren Okungbowa, zwei der wenigen Lichtblicke in einer durchwachsenen Winter-Vorbereitung. Am 10. März hielt Canadi plötzlich fest, dass U-19-Teamspieler Arase den Profis "erst in ein oder zwei Jahren helfen kann". Er wurde mit Okungbowa wieder zu Rapid II geschickt. Die an Arase interessierten internationalen Klubs können sich freuen: Für einen Nachwuchsspieler fällt die Ablöse wesentlich niedriger aus als für einen aufstrebenden Profi.

Gegen Mattersburg lief übrigens die älteste Startelf seit dem Frühjahr 2013 ein.

7. Zu viele Defensive

Franz Lederer musste schmunzeln, als er die Rapid-Aufstellung vor dem 1:1 sah. Der Mattersburger Sportdirektor hatte nicht erwartet, dass der Abstiegskandidat in Hütteldorf jemals von sechs gelernten Verteidigern in der Startelf empfangen werden sollte. Der Eindruck einer "Grünen Hölle" kann so nicht entstehen, dementsprechend frech startete das schwächste Auswärtsteam der Liga und ging nach nur 25 Sekunden in Führung.

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