Wut zur Lücke: Warum die Stromwende zu scheitern droht
Es ist ein Dilemma, das lösbar wäre – aber nicht gelöst ist. Die Regierung will in einem ersten Schritt den Strom bis 2030 ohne fossile Energien und damit nur mehr aus nachhaltiger Erzeugung (Wind, Wasser, Fotovoltaik und Biomasse) erzeugen. Energieministerin Leonore Gewessler hat dafür Förderung in Höhe von einer Milliarde pro Jahr zugesichert.
Der Plan: 27 zusätzliche Terawattstunden müssen bis 2030 in Ökostromanlagen erzeugt werden. Zum Größenvergleich: Derzeit werden rund 54 Terawattstunden Ökostrom erzeugt, das Ausbauziel bis 2030 ist also eine Steigerung um 50 Prozent. Da die Wasserkraft fast komplett ausgebaut ist, braucht es vor allem eine massive Steigerung von Windkraft (plus 10 TWh) und Fotovoltaik (11 TWh) vor.
Und genau das ist der Haken: Die Landesregierungen haben durch den Föderalismus die Macht über die Energie und die Energieziele zu entscheiden, wo Windkraft und Fotovoltaik gebaut werden darf, sie widmen Flächen und genehmigen Anlagen.
Lücke von 60 Prozent
Die Österreichische Energieagentur hat die bisher eingemeldeten Ziele der Länder zusammengezählt: Statt der erforderlichen 27 TWh planen die Bundesländer nur Anlagen mit einer Leistung von 10,4 TWh zu genehmigen, also nur 40 Prozent des Ausbauziels. „Um die Klima- und Energieziele in Österreich zu erreichen, ist eine enge und gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern notwendig“, hatte Günter Pauritsch von der Energieagentur deshalb gefordert.
Grünen-Energiesprecher Lukas Hammer will konkrete Lösungen: „Wo die einzelnen Windräder und PV-Anlagen stehen, das müssen die Bundesländer festlegen und sich untereinander ausmachen wie das in Österreich aufgeteilt wird – und zwar am besten in der Landeshauptleutekonferenz. Die müssen sich endlich zusammensetzen und sich zu diesem Ziel verpflichten. Das ist bisher nicht geschehen.“
Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Erneuerbaren Energien-Dachverbandes, sieht das ganz ähnlich: „Die Länder müssten sich hinsetzen und überlegen, wie das Ziel erreicht werden kann, heruntergebrochen für jedes Bundesland, je nach Potenzial. Und die Ziele müssen verpflichtend sein. Der Bund kann die Länder dazu ja nicht zwingen.“ Denn alles was den Ökostromverbänden übrig bliebe, ist auf das Defizit beim Ausbau der Länder aufmerksam zu machen.
Kein Platz für mehr Windkraft in Wien
Wien hat das geringste Windkraft-Potenzial, dennoch hat Wien drei Mal so viele Windkraftanlagen wie Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten zusammen – nämlich sieben (Kärnten hat zwei, alle anderen genannten null). Bei der PV war Wien ohnehin Vorreiter mit PV-Pflicht. Energie-Stadtrat Jürgen Czernohorszky bestätigt das beste Einverständnis zwischen Bund und Ländern. Zur Lücke zwischen Ausbauplan und -ziel meint er: „Es steht außer Streit, dass alle im Bund und den Ländern gewillt und bereit sind, sich zu koordinieren. Ich war oft in Sitzungen, die vom Geist der Kooperationsbereitschaft getragen waren. Jetzt sind wir am Abarbeiten der Aufgaben.“
Zögerliches St. Pölten, aber Ökostrom-Primus
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner überraschte im November mit dem Satz, keine neuen Windräder mehr haben zu wollen. Im März stellte sie und Energielandesrat Stephan Pernkopf allerdings ihr Energiewende-Beschleunigungspaket“ vor. Man wolle demnach „bis 2030 die Leistung aus Windkraft verdoppeln und die Fotovoltaik verzehnfachen“. Die IG Windkraft moniert aber, dass mit den bisher ausgewiesenen Windkraft-Flächen auf keinen Fall die Ausbau-Ziele erreicht werden können. Bei der PV mangelt es an genehmigten Freiflächen. Dennoch kein Land erzeugt mehr Ökostrom mit Wind und PV als Niederösterreich.
Burgenland bleibt auf gutem Ökostrom-Kurs
Das Burgenland hat sich angesehen, wie viel Ökostrom es braucht und hat die erforderliche Größenordnung des Ausbaus bis 2030 angekündigt. (Fast) nur Lob von der Wind- und PV-Branche.
Steiermark wäre wichtiges Wind-Land
Noch müssen die Steirer 30 Prozent ihres Stroms importieren, dabei ist das Potenzial speziell für Wind sehr groß. Die ausgewiesenen Flächen würden aber (noch) nicht ausreichen, um die Ziele zu erfüllen. Bei der PV werden vor allem fehlende Netzkapazitäten kritisiert.
OÖ: Vom Windpionier zum Nachzügler
Der erste Windpark Österreichs wurde in Eberschwang errichtet. Seit 2017 gibt es aber eine Zonierung, die beinahe das gesamte Bundesland als „verbotene Zone“ definiert. Ähnlich bei der PV, sind nur kleine Anlagen unproblematisch, Netzzugang und Freiflächen bleiben problematisch.
In Salzburg steht kein einziges Windrad
In Salzburg versuchen Betreiber seit 25 Jahren Windräder aufzustellen und sind bis jetzt gescheitert. Das könnte sich langsam ändern, Ende 2021 hat das Land erstmals 11 Zonen für Windkraft ausgewiesen. Bei PV sind nur kleine Anlagen unproblematisch.
In Kärnten darf man kein Windrad sehen
Ökostrom ja, aber nicht bei mir: In Kärnten bewirkt die „Sichtbarkeitsverordnung“, dass Windräder nur dort gebaut werden dürfen, wo man sie nicht sieht. Daher stehen im viertwichtigsten Windland (nach NÖ, Stmk und Burgenland) derzeit nur zwei Windräder. Neue, freie Flächen sind weder für Wind, noch für PV ausgewiesen.
Auch Tirol bleibt bisher ohne Windkraft
Tirol kann seinen Strombedarf bilanziell mit Wasserkraft abdecken, im Winter sind aber enorme Stromimporte notwendig. Windkraft würde helfen, einen Ausbauplan gibt es nicht. Beim PV-Ausbau sind selbst Kleinanlagen schwer durchzubringen.
Wenig Wind, viel Sonne in Vorarlberg
Vorarlberg kann seinen Stromverbrauch nicht mit Ökostrom abdecken, das Windpotenzial ist gering, dennoch sollen drei Windparks entstehen, sagt der grüne Landesrat Daniel Zadra. Gute Bedingungen haben PV-Kleinanlagen.
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