Grünen-Schelte wegen Ökostrom: "Länderchefs belügen sich ja selber"
Auf Bundesebene seien die Weichen für die Energiewende im Strombereich gestellt, doch die Bundesländer würden ihren Teil nicht beitragen, kritisiert der Klimaschutz- und Energiesprecher der Grünen im Parlament, Lukas Hammer, im Gespräch mit dem KURIER.
KURIER: Herr Abgeordneter, sind die Bundesländer gute Partner bei der Energiewende?
Lukas Hammer: Wir brauchen die Bundesländer für die Energiewende. Die Energiewende ist ja kein Solotanz. Aber wenn sich mein Partner auf der Tanzfläche nicht bewegt, wird das ganze Unterfangen unlustig.
Derzeit ist es so, dass der Bund einen stabilen Rahmen für die Energiewende geschaffen hat bis 2030. Wir haben ein Ausbauziel und das Geld dafür, aber die Länder setzen das nicht um. Es gibt insgesamt keine Ausbauziele der Länder, die mit dem Ausbauziel des Bundes kompatibel sind. Das größte Problem ist, dass die meisten Länder nicht einmal ansatzweise ausreichende Flächen für Windkraft und Photovoltaik ausgewiesen haben.
Es wird aber auch die Energieministerin kritisiert, etwa vom Dachverband Energie Österreich, dass es keinen Bundes-Ausbauplan gibt, wie die Energieproduktion von Morgen aussehen soll. Warum gibt es das nicht?
Energie ist laut Verfassung Angelegenheit der Länder, jedes Energiegesetz braucht deshalb eine Verfassungsmehrheit im Parlament. Was wir getan haben, ist eine stabile bundesweite Förderlandschaft zu schaffen. Es gibt durch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) jedes Jahr garantiert bis 2030 bis zu einer Milliarde Euro. Wo die einzelnen Windräder und PV-Anlagen stehen, das müssen die Bundesländer festlegen und sich untereinander ausmachen wie das in Österreich aufgeteilt wird - und zwar am besten in der Landeshauptleutekonferenz. Die müssen sich endlich zusammensetzen und sich zu diesem Ziel verpflichten. Das haben sie bisher nicht getan. Und sie müssen sich dann genau überlegen, wo sie welche Anlagen hinstellen, die mit Österreichs Ausbauzielen übereinstimmen. Leider bemerke ich ein ziemlich großes Desinteresse bei den Landeshauptleuten. Ich höre, dass die Branchenvertretung der EE beim Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz nicht einmal einen Termin bekommen hat. Das wäre aber dringend notwendig.
Fakt ist, dass etwa Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitern sagt, sie will gar keine neuen Windkraftanlagen in ihrem Bundesland. Und das darf sie auch sagen.
Ja, ich habe dort auch das ganz große „Njet“ vernommen. Gleichzeitig spielt sich die Landeshauptfrau als große Klimaschützerin auf. Das geht sich nicht aus. Und es gibt das große Njet zum Windkraftausbau im Koalitionspakt von Schwarz-Blau in Oberösterreich, die erlauben auch nur einen Ausbau an bestehenden Standorten durch den Ersatz bestehender Anlagen. Wie das gehen soll, wissen die wohl selber nicht, die belügen sich ja damit selber. Die müssen alle von der Bockadehaltung runter. Leider wird oft der Naturschutz missbraucht um nicht sagen zu müssen, dass man einfach keine Windräder will. Wie wichtig die Ökologie ist sehen wir dann eh bei denselben Landeshauptleuten, wenn es um neue Autobahnen oder Einkaufszentren geht. Oder es geht um das Landschaftsbild. Was es jetzt braucht, ist, dass sich alle hinsetzen und nach ökologischen Kriterien bewerten, wo man was hinstellen kann.
Aber ist nicht auch ein Problem, dass die Verfahren zur Genehmigung so lange dauern?
Das ist ja auch ein Schmäh, wenn man sieht, dass in drei Bundesländer kein einziges Windkraftwerk steht, in Vorarlberg, Tirol und Salzburg. In Oberösterreich und Niederösterreich wurde von der Landesregierung de-facto ein Ausbaustopp verkündet, und sogar in Wien stehen mehr Windkraftanlagen als in Kärnten. Sich dann über überlange Verfahren aufzuregen, ist für mich eine Hokuspokus-Politik, weil es irgendwelche Ausreden hergezaubert werden. Jedes Bundesland hat Potenziale zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Da muss einfach jeder seinen Teil machen. Wir haben aber auch alle ein Interesse daran, dass Genehmigungsverfahren effizienter und besser ablaufen, wir müssen beispielsweise die Ausstattung von Behörden und Gerichten verbessern.
Gibt es überall ausreichend Potenziale zu Ausbau?
Es gibt ja eine große Studie derr Österreichischen Energieagentur, da stehen klar die Potenziale drinnen. Die gute Nachricht ist, die Potenziale übersteigen die bundesweiten Ausbauziele um ein Vielfaches! Wir haben also Technologie und Finanzierung für die Energiewende im Strombereich. Die Bevölkerung will das und ist dabei, das sagen alle Umfragen und das war auch die Botschaft an die Politik bei meinem Besucht beim Klimarat.
Warum heben die Landesenergieversorger nicht diese Potenziale, warum bauen die nicht aus?Bei den Landesenergieversorgern habe ich das Gefühl, das insbesondere im Westen ein Fokus auf die Wasserkraft besteht. Die sind insgesamt ein bisschen aus der Zeit gefallen. Die meisten Landesenergieversorger werben ja noch immer für neue Gasheizungen, als krisensicher, kostengünstig und umweltfreundlich, und kommen mit Lockangeboten. Das geht nur, wenn man überhaupt nicht verstanden hat, worum es geht. Für mich ist das eine zutiefst unsoziale Profitgier, die Menschen werde ja in eine Preisfalle gelockt. Der Mythos vom billigen Gas ist endgültig vorbei. Und das im Jahr 2022, während der Ukraine – Kriegs wo wir alles tun müssen um uns aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu befreien, das ist fast schon kriminell.
Und was ist der Plan, die Bundesländer zum Turbo beim Ausbau zu bewegen?
Wir brauchen vor allem eine Ehrlichkeit in der Diskussion. Fest steht: Das, was sich die Bundesländer bis jetzt vorgenommen haben, reicht überhaupt nicht aus. Deswegen sollen sich ja die Landeshauptleute zusammensetzen und sich zu den nationalen Klima- und Energiezielen verpflichten. Dann wird die Diskussion eine andere sein. Niemand muss sich vor Windrädern fürchten, ich fürchte mich eher vor einem Scheitern der Energiewende, wenn sich manche Länder wie Niederösterreich oder Oberösterreich nicht wesentlich bewegen.
Wäre das Klimaschutzgesetz, das es immer noch nicht gibt, und das klare Verantwortlichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden fixieren soll, dafür ein guter Hebel?
Ich kann mahnen und informieren. Wir können und wollen aber auch Bundesgesetze beschließen, wo die Länder ein Stück weit verpflichtet werden. Zum Beispiel das Klimaschutzgesetz, wo auch die Länder zu den bundesweiten Klimazielen für 2030 und 2040 werden sollen.. Auch der Entwurf zum Erneuerbaren Wärmegesetz liegt jetzt beim Koalitionspartner. Hier geht es um den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen – im Neubau aber auch im Bestand, um endlich die Fesseln der fossilen Abhängigkeit bei der Raumwärme zu sprengen. Das könnten die Länder jeder für sich auch selbst beschließen, aber eine bundesweite Lösung geht einfach schneller und bringt mehr Klarheit. Da erwarte ich mir jetzt auch vom Koalitionspartner ÖVP mehr Bewegung – die Zeit drängt.
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