Es ist nur ein erster Entwurf und es wird noch viel darüber gestritten und verhandelt werden – in den einzelnen EU-Staaten und im EU-Parlament.
Trotzdem ist die Einigung der EU-Innenminister auf schnellere und härtere Asylverfahren ein Durchbruch. Wie aber soll das Ganze in der Praxis aussehen, wie reagiert Österreich und die anderen EU-Länder? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was haben die EU-Innenminister beschlossen?
Zentraler Punkt: EU-Staaten entlang der EU-Außengrenze – wie Italien, Griechenland, Bulgarien oder Polen – sollen künftig in Blitzverfahren feststellen, ob Migranten überhaupt Aussicht auf Asyl haben. Zudem soll es möglich sein, abgelehnte Asylwerber in Nicht-EU-Staaten abzuschieben. Und: Für EU-Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen, soll es Strafzahlungen setzen. Europas Ziel müsse es sein, weniger attraktiv für Migranten zu werden, sagt Innenminister Gerhard Karner zum KURIER. „Dafür müssen wir strenger gegen Wirtschaftsmigranten und schärfer gegen Schlepper vorgehen, um gleichzeitig gerechter mit tatsächlich Schutzbedürftigen umgehen zu können.“
Die EU-Grenzstaaten haben künftig das Recht, Migranten in streng kontrollierten Aufnahmezentren festzusetzen – also de facto in Haft zu nehmen – und deren Chance auf Asyl zu prüfen. Die Prüfung soll maximal sechs Monate dauern. Festgesetzt werden dürfen Migranten aus Staaten, die eine Asyl-Anerkennungsquote unter 20 Prozent haben – etwa Tunesien, Indien oder Ägypten. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll in sein Herkunftsland rückgeführt werden. Das Problem: selbst wenn Rückführungsabkommen bestehen, funktioniert die Rückführung oft nicht.
Können so kurze Verfahren gerecht sein?
„Der sehr eng gesetzte Zeitraum suggeriert ja schon, dass man nicht sämtliche Fluchtgründe so durchleuchten kann wie bei einem wirklichen Asylverfahren“, sagt Migrationsforscherin Judith Kohlenberger zum KURIER. Sie befürchte, dass Personen aus prinzipiell sicheren Drittstaaten wie Indien oder Tunesien, die wegen religiöser oder sexueller Verfolgung dennoch einen Schutzstatus hätten, abgewiesen werden. „Aus meiner Sicht ist es ein erster Schritt hin zu einer Aushöhlung des geltenden Asylrechts“, sagt Kohlenberger. Karner sieht diese Gefahr bei Blitzverfahren wiederum nicht: „Wir haben auch in Österreich ähnliche Grenzfälle herausfiltern können.“
Wo sollen die neuen Zentren errichtet werden?
In EU-Staaten entlang der EU-Außengrenze. Wer die Infrastruktur bezahlt, ist noch nicht geklärt. In Bulgarien und Rumänien führt die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit Frontex, Europol und der EU-Asylagentur seit Jahresbeginn bereits Pilotprojekte für beschleunigte Asylverfahren durch.
Können auch Kinder festgesetzt werden?
Die Regelung gilt auch für Familien mit Kindern. Vor allem Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD) trat vehement dagegen auf. Für unbegleitete Minderjährige unter zwölf Jahren gilt die Regelung aber nicht.
Wie werden die anerkannten Asylwerber dann auf Europa verteilt?
Andere EU-Staaten sind künftig zur Solidarität mit den stark belasteten EU-Außengrenzstaaten verpflichtet. Heißt: Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, werden zu Ausgleichszahlungen von rund 20.000 Euro pro Asylwerber gezwungen. Ungarn und Polen stimmten deshalb gegen den Plan.
Ermöglicht das EU-Paket auch Asylverfahren in Drittstaaten?
EU-Staaten sollen künftig grundsätzlich Verträge mit sicheren Drittstaaten abschließen dürfen, um dort Asylzentren zu errichten. Bisher durfte das aufgrund einer Ausnahmeregelung nur Dänemark. Was ändert das? Beispiel: Ein EU-Staat einigt sich mit Tunesien auf ein solches Zentrum. Durchquert ein Migrant aus der Sahelzone Tunesien und gelangt dann in die EU, könnte besagter EU-Staat diesen nach Tuniesen zurückschicken – und dort das Asylverfahren durchführen. Allerdings nur dann, wenn der Migrant in einer „Beziehung“ zu Tunesien steht – etwa dort Verwandte hat. Ausnahme: Italien, das sich hier große Spielräume ausverhandelt hat. So kann die Rechtsregierung in Rom Personen auch in Länder abschieben, zu denen sie keinen Bezug haben.
Wie beurteilt Österreich die neuen Pläne?
Das EU-Parlament muss die Pläne noch absegnen, Änderungen sind wahrscheinlich. Von einem Durchbruch will Karner also noch nicht sprechen: „Das ist nur ein erster Schritt.“ Grundvoraussetzung dafür sei der historische Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs am 9. Februar gewesen. Dieser besagt: Die EU-Kommission muss künftig auch Geld für robusten Außengrenzschutz zur Verfügung stellen. „Als wir das vergangenen Sommer forciert haben, wurde ich noch belächelt“, meint Karner.
Wie gehen die anderen EU-Staaten mit den Plänen um?
Ganz unterschiedlich. So schalten Ungarn und Polen – erwartungsgemäß – auf Totalopposition, wollen weder eine Flüchtlingsquote noch Strafzahlungen akzeptieren. Polen nennt das neue System „absurd“ und verweist auf seine Leistungen bei der Aufnahme von Ukrainern. Ungarn spricht von „Machtmissbrauch“ durch die EU. Auch Bulgarien, das durch seine Außengrenze eine wichtige Rolle spielt, lehnt die Einigung ab. Italien, das derzeit die größte Zahl an Migranten verkraften muss, hat zugestimmt. In Deutschland drohen die Pläne die regierende Ampelkoalition zu sprengen. Vor allem die Grünen wollen die neue Härte nicht akzeptieren und drängen zumindest auf großzügigere Regelungen für Minderjährige.
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