Wo bei Politikern die Käuflichkeit beginnt

Wo bei Politikern die Käuflichkeit beginnt
Oft werden Abgeordnete gelobt, wenn sie sich für Interessen besonders einsetzen. Wo die Grenze zur Korruption oder zur Unvereinbarkeit verläuft, erklärt Experte Martin Kreutner.

„Korruption“ ist seit der Ibiza-Affäre 2017 zum Sammelbegriff geworden, der allerlei fragwürdige Umtriebe von Politikern umfasst. Aktuell plagt sich auch das EU-Parlament mit Vorwürfen rund um politische Einflussnahme.

Aber was bedeutet es eigentlich, wenn man sagt, ein Politiker sei „käuflich“? Wo zieht das Strafrecht die rote Linie zur Korruption, und was geht noch als Interessensvertretung oder Lobbyismus durch? Und was ist schlicht moralisch verwerflich? Der KURIER hat darüber mit Martin Kreutner, Initiator des Anti-Korruptionsvolksbegehrens, gesprochen.

Mehr Transparenz gegen Korruption

Das Volksbegehren, das mehr als 300.000 Menschen in Österreich unterschrieben haben, fordert mehr Transparenz und schärfere Regeln gegen Korruption. Konkret sieht Kreutner insbesondere zwei Gesetzeslücken im Strafrecht, die bald geschlossen werden dürften (mehr dazu hier).

Er warnt aber, jedes politisches Engagement vorschnell zu kriminalisieren: „Eine Demokratie ist bunt, man kann nicht alles gesetzlich regeln. Es braucht gewisse Freiräume für das Individuum, sonst ist kein Wirtschaften und Politikmachen mehr möglich.“

Diese „Freiräume“ haben Parlamentarier in der Bundesverfassung durch das Prinzip des „freien Mandats“ garantiert. Deshalb darf ein Abgeordneter je nach individuellem Hintergrund für bestimmte Interessen eintreten. Auch, wenn er in den betroffenen Berufen seinen Lebensunterhalt bezieht.

Politische Aktivität erwünscht

Einige Beispiele: Franz Hörl ist Fachverbandsobmann der Seilbahner in der Wirtschaftskammer und gleichzeitig Tourismussprecher der ÖVP im Nationalrat. Gerhard Kaniak, FPÖ, ist Apotheker und Obmann des Gesundheitsausschusses im Parlament. Josef Muchitsch ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz und sitzt für die SPÖ im Ausschuss für Bauten und Wohnen. Sepp Schellhorn ist ein Salzburger Gastronom und war bei den Neos bis 2021 für Tourismus zuständig.

All das sei nicht nur zulässig, vielmehr sei es sogar gewünscht, dass Personen mit einschlägigem beruflichen Hintergrund politisch aktiv sind, erklärt Kreutner. „Es ist ja nicht Ziel einer repräsentativen Demokratie, dass ausschließlich Berufspolitiker im Parlament sitzen, sondern dass die Bevölkerung und auch die Berufsgruppen vertreten sind – auch, wenn sie dort für die jeweiligen Interessen eintreten.“

Das erwarten sich deren Wähler sogar. Anderes Beispiel: Leonore Gewessler, grüne Klimaministerin, war Chefin der Umwelt-NGO Global 2000. Im Wahlkampf zur Nationalratswahl 2019 war sie das Aushängeschild für die grüne Klimapolitik.

Voraussetzung sei aber immer, dass die Nebentätigkeit nicht verheimlicht, sondern transparent gemacht wird, betont Kreutner. Sprich: Die Bürger müssen darüber informiert sein, wessen Interessen hinter dem Engagement eines Politikers stecken (könnten).

Transparenz bei Nebentätigkeiten

Laut Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz müssen Abgeordnete des Parlaments und Mitglieder der Landtage ihre Nebentätigkeiten melden (Mitglieder der Bundesregierung und der Bundespräsident dürften keine erwerbsmäßige Nebentätigkeit haben). Der Unvereinbarkeitsausschuss prüft dann im Einzelfall, ob die Nebentätigkeit mit der politischen Funktion vereinbar ist.

Heikel werde es laut Kreutner dann, wenn es zu Überschneidungen in den persönlichen Bereich kommt – also wenn ein Politiker an Entscheidungen beteiligt ist, die nicht mehr auf das Allgemeinwohl, sondern auf seine eigenen Interessen abzielen. Oder, wenn ihr Engagement „mandatsfremd“ ist: Wieder das Beispiel Hörl: Wäre der ÖVP-Mann von Beruf Bäcker statt Seilbahner, dann wäre es wohl nicht zulässig, wenn er Geld von der Seilbahnwirtschaft bekommt und sich plötzlich für Seilbahnen einsetzt.

Aber auch dann müsste der Unvereinbarkeitsausschuss des Parlaments den Einzelfall prüfen, sagt Kreutner. Genauso wenig könne man die Begriffe Interessensvertreter und Lobbyist „mit dem Skalpell trennen“. Sobald es eine Gegenleistung z. B. für ein Gesetz gibt, könnte allerdings das Strafrecht greifen. Da ist das Gesetz relativ klar: Politiker und Beamte, die gegen Geld oder andere Vorteile ihre Macht missbrauchen, sind korrupt.

Kommentare