Geheime Absprachen: Türkis-blau-grüne Postendeals

Geheime Absprachen: Türkis-blau-grüne Postendeals
Abkommen über Postenvergaben gab es bei der ÖVP-FPÖ-Koalition, aber auch die Grünen haben nun Top-Posten für sich lukrieren können. Der KURIER hat die Sideletter der Koalitionen unter Kurz.

Wenn es Regierungsverhandlungen gibt, dann existiert auch ein Sideletter, in dem zahlreiche Zusatzvereinbarungen getroffen werden – abseits des offiziellen Regierungsprogramms. Etwa wie die wichtigsten Posten im Staat vergeben werden.

Wie umfangreich der mutmaßliche Postenschacher in der türkis-blauen Koalition zwischen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache war,  liegt dem KURIER  in Form  eines Einvernahmeprotokolls vom 24. Jänner 2022 der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vor, das Norbert N., einen Mitarbeiter des Parlamentsklubs der FPÖ, betrifft.

Er wurde befragt, ob es bei den türkis-blauen Koalitionsverhandlungen zu sogenannten Nebenabreden oder Sideletter gekommen ist.  

"Ja, solche Nebenabreden sind mir bekannt. Ich lege (…) im Auftrag des Parlamentsklubs die Kopien der Vereinbarungen vor", gab N. zu Protokoll. "Es handelt sich um eine Grundsatzvereinbarung und zwei Zusatzvereinbarungen." Die fünfseitige Grundsatzvereinbarung ist von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache unterzeichnet.

Geheime Absprachen: Türkis-blau-grüne Postendeals

Auszug aus der Grundsatzvereinbarung

Vor allem die Besetzung des Verfassungsgerichtshofs war beiden Politikern ein großes Anliegen. So haben die beiden Spitzenpolitiker laut Aktenlage vereinbart, dass Brigitte Bierlein bis Ende 2019 Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs bleibt. Sie soll demnach auf einem FPÖ-Ticket gesessen sein.

Mit 1. Jänner 2020 war Vizepräsident Christoph Grabenwarter als Nachfolger vorgesehen, der laut Sideletter anscheinend auf einem ÖVP-Ticket sitzt. Er trat sein Amt Mitte Februar 2020 an.

Grabenwarters Nachfolger als Vizepräsident im Jänner 2020 sollte der Burschenschafter Andreas Hauer werden, der auf einem FPÖ-Ticket sitzt. Doch nicht alle Pläne gingen auf. Den Nachfolger von Hauer als einfaches Mitglied des Verfassungsgerichtshofs sollte die ÖVP nominieren.

Außerdem wurde der Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter von der ÖVP für den VfGH vorgeschlagen.

Geheime Absprachen: Türkis-blau-grüne Postendeals

Auch beim Verwaltungsgerichtshof gab es demnach Absprachen. Sollte "die Position des Präsidenten im Laufe der Legislaturperiode nach zu besetzen sein", heißt es in dem Papier weiter, komme ein ÖVP-Kandidat zum Zug; den Vizepräsidenten sollte dann die FPÖ stellen.

Richter für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nominierte die ÖVP. Selbst die Nachbesetzung am Gericht der Europäischen Union (EuG) wurde bis 2022 geregelt. 2019 sollte die ÖVP zum Zug kommen, im Jahr 2022 die FPÖ. Auch bei den staatlichen Unternehmensbeteiligungen wurden die Vorstands- und Aufsichtsratsposten aufgeteilt, aber das ist kein Geheimnis.

ORF im Visier

Interessant ist die Vereinbarung über den ORF, den man an die Kandare nehmen wollte: "Es gibt Einvernehmen darüber, dass die ORF-Gebühren unter Voraussetzung budgetärer Machbarkeit in das Budget des Bundeshaushalts überführt werden. Den Zeitpunkt vereinbaren die beiden Koalitionspartner gemeinsam."

Auch für die Bundespräsidentschaftswahl 2022 hätte bis Dezember 2021 eine „Abstimmung zur allfällig gemeinsamen Vorgangsweise“ stattfinden sollen.

 

KOALITION - ANGELOBUNG DER REGIERUNG KURZ II

Der Grüne Deal

Auch 2019 schlossen die Grünen mit der ÖVP einen Deal. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat die Existenz eines Sideletters in einem KURIER-Interview  vor zwei Monaten zwar nicht bestritten, behauptete aber, dass die Liste nur Aufsichtsräte umfasse.

Tatsächlich aber war die Vereinbarung über die Postenvergabe zwischen ÖVP und Grünen viel detaillierter.  Für das OeNB-Direktorium beispielsweise wurde vereinbart, dass die ÖVP 2023 das Nominierungsrecht für den Präsidenten hat und die Grünen den Vizepräsidenten im Generalrat besetzen. 

Vorstände und  Richterposten 

Die beiden Vorstände in der Finanzmarktaufsicht werden demnach jeweils von der ÖVP und den Grünen besetzt. Die Aufsichtsräte wurden nach folgendem Schlüssel aufgeteilt: Die ÖVP erhält ein Drittel der Aufsichtsratsmandate bei der ÖBB, der Asfinag und Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft. Die Grünen erhalten bis zu einem Drittel der Aufsichtsratsmandate in den Unternehmensbeteiligungen. Auf europäischer Ebene bekamen die Grünen außerdem das Nominierungsrecht für den EuGH- und den EGMR-Sitz sowie für den EIB-Verwaltungsrat.

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