Die Entlastung des Durchschnittsverbrauchs stellt nur den ersten Schritt der Strompreisbremse dar. Im zweiten sollen zusätzliche Förderungen für sozial Schwache gesetzt werden. Personen, die von der Rundfunkgebühr (GIS) befreit sind, sollen noch stärker entlastet werden – diese Zusatzförderung dürfte jährlich 130 und 150 Euro Erleichterung bedeuten. Dieser Betrag könnte auch von der Stromrechnung abgezogen werden. Die Daten der GIS-Befreiten liegen den Netzbetreiben vor.
Darüber hinaus plant die Regierung, Haushalte mit zusätzlichen Personen noch stärker zu entlasten. Sie haben in der Regel einen höheren Stromverbrauch. Um zu dieser weiteren Entlastung zu gelangen, müssen die betroffenen Haushalte dem Vernehmen nach einen Antrag stellen und ihren Bedarf belegen können.
Wer sind die größten Profiteure?
Vom aktuellen Modell würden kleine Haushalte am stärksten profitieren. Ihnen wird nämlich der gesamte Stromverbrauch gedeckelt. Rund die Hälfte der österreichischen Haushalte verbraucht weniger als 2.500 Kilowattstunden kWh im Jahr und dürfte demnach zur Gänze von der geplanten Strompreisbremse profitieren, so ein Vertreter der E-Control. Der Anteil der Haushalte, die weniger als 2.900 kWh verbrauchen, dürfte demnach klar eine Mehrheit ausmachen.
"Wenn 80 Prozent des Durchschnitts einer dreiköpfigen Familie gefördert werden, dann sind mehr als die Hälfte der Haushalte so klein, dass sie gar kein Preissignal empfangen. Fast 40 Prozent der Haushalte sind Einpersonenhaushalte. Der Durchschnitt sind 2,2 Personen pro Haushalt", sagt Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker zum KURIER. Dadurch, dass kein Sparsignal weitergegeben werde, könnte die Stromknappheit noch schlimmer werden, warnt Loacker.
Große Profiteure sind aber auch Personen, die bei mehreren Wohnsitzen gemeldet sind. Das gilt für Besitzer mehrerer Immobilien, aber zum Beispiel auch für Studierende, die bei den Eltern am Land hauptgemeldet sind, aber in einer Wohnung in der Stadt leben. Ursprünglich sollten nur Hauptwohnsitze gefördert werden. Dafür hätten die Daten der Zählpunkte mit jenen des Melderegisters verschnitten werden müssen. Das sei nicht möglich, heißt es aus der Regierung. Deshalb gelte bei der aktuellen Preisbremse jeder Zählpunkt – um die Menschen "schnell und unbürokratisch" entlasten zu können.
Profitieren Bewohner verschiedener Bundesländer unterschiedlich stark?
Ja. Das Land Niederösterreich hat bereits im Juli einen Strompreisrabatt eingeführt, der seit 1. September beantragt werden kann. Der Rabatt richtet sich nach der Zahl der gemeldeten Hauptwohnsitzer in einem Haushalt. Ein Einpersonenhaushalt erhält eine Förderung von 170 Euro, zwei Personen 272 Euro, drei 374 und vier Personen 415 Euro. Das Modell gilt bis 30. September 2023. Jede zusätzliche Maßnahme würde die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher zusätzlich entlasten, heißt es aus dem Büro von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf KURIER-Anfrage. Kurz gesagt: Die Modelle des Bundes und Landes werden unabhängig voneinander gelten, bestätigt auch das Klimaschutzministerium. Wer in Niederösterreich (allein) wohnt, würde demnach eine Förderung von 170 Euro und die ersten 2.900 kWh zu 290 Euro erhalten.
Wer könnte sich benachteiligt fühlen?
Ursprünglich wäre ein Modell von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr angedacht gewesen. Dabei hätten jedem Haushalt 80 Prozent seines Vorjahresverbrauchs gedeckelt werden sollen. Dieses Modell hätte automatisch größere Haushalte, aber auch Mehrverbraucher wie Poolbesitzer, stark entlastet. Über einen höheren Stromverbrauch verfügen aber auch Personen, die eine Wärmepumpe eingebaut haben oder in der Garage ihr Elektro-Auto aufladen. Wird also bestraft, wer privat auch Nachhaltigkeit setzt? Die Verhandler wollten am Montag nicht ausschließen, dass für diese Personengruppe eine gesonderte Lösung gesucht wird.
Welche Bundesländer fühlen sich benachteiligt?
In Vorarlberg und Tirol fordern die ÖVP-Landesparteien eine zusätzliche Kompensation. Die Strompreise seien im Westen so niedrig, dass Vorarlberger und Tiroler Kunden beim aktuellen Modell praktisch nicht entlastet werden würden, heißt es.
Reicht eine einfache Mehrheit, um die Preisbremse zu beschließen?
Für das Basismodell, das im Oktober beschlossen werden soll, reichen die Stimmen von ÖVP und Grünen. Alles, was darüber hinaus noch kommen könnte, muss laut Verhandlern noch eruiert werden.
Warum ist die Strompreisbremse nicht sozial gestaffelt?
Eine soziale Staffelung nach Einkommen war laut ÖVP und Grünen datenschutzrechtlich nicht möglich. Dafür hätte man die Einkommensteuerstatistik mit dem Stromverbrauch und der Zählernummer abgleichen müssen.
Wie sieht die Gegenfinanzierung aus?
Die Energieversorger sollen für die entgangenen Einnahmen kompensiert werden. Wie genau, ist noch unklar. Teils gegenfinanziert könnte die Preisbremse über staatliche Mehreinnahmen durch die Teuerung werden. Die Grünen arbeiten zudem an einem Modell für eine Übergewinnsteuer auf Krisengewinne.
Erhalten auch Unternehmen eine Strompreisbremse?
Im konkreten Modell noch nicht. Aber: Wirtschaftskammer, Wirtschaftsbund und immer mehr Bundesländer machen Druck.
Wie beurteilen Experten das Modell?
Das geplante Modell sei „gar nicht so schlecht“, meinte IHS-Direktor Klaus Neusser im ORF-Mittagsjournal. Wenn es einen Zusatzbetrag für jene gebe, die von der GIS-Gebühr befreit sind, sei dies eine „relativ unbürokratische“ Differenzierung, so Neusser. Auch die Arbeiterkammer begrüßte das Modell grundsätzlich, forderte aber zusätzliche Hilfen für 780.000 einkommensschwache Haushalte. Zudem forderte sie eine Ausweitung der Strompreisbremse auf Gas und Fernwärme.
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