Strompreisbremse : AK erfreut, SPÖ und FPÖ erzürnt, ÖVP-Vorarlberg kritisiert
Das kolportierte Modell der Regierung für eine "Strompreisbremse" zur Abfederung der hohen Energiekosten wird von der Arbeiterkammer begrüßt. Wichtig wäre der AK aber eine zusätzliche Unterstützung für einkommensschwache Haushalte, hieß es am Montag. "Zu spät, zu wenig", beurteilte hingegen die SPÖ die "Strompreisbremse". Scharfe Kritik kommt auch von der FPÖ: Die Maßnahme sei "Betrug an den Österreichern", meinte FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung.
Laut Informationen der Bundesregierung soll jeder Haushalt für jenen Anteil am Stromverbrauch, der 80 Prozent des durchschnittlichen Vorjahresverbrauchs eines österreichischen Haushaltes entspricht, einen geringeren Strompreis zahlen. Die Grenze soll damit bei 2.900 kWh liegen. Für alles darüber muss der aktuelle Marktpreis bezahlt werden. Details des Modells sollen am Mittwoch präsentiert werden.
AK fordert "Strompreisdeckel Plus"
Die AK begrüßte die angekündigte Strompreisbremse, die bereits veröffentlichten Eckpunkte würden grundsätzlich dem von AK und ÖGB geforderten Energie-Preisdeckel für Haushalte entsprechen, hieß es in einer Aussendung am Montag. Für rund 780.000 einkommensschwache Haushalte fordert die AK aber einen "Strompreisdeckel Plus", indem entweder eine Ausweitung der begünstigten Strommenge oder ein niedrigerer Strompreis vorgesehen wird. Außerdem will die AK eine Ausweitung der Strompreisbremse auch auf Erdgas und Fernwärme, um zu verhindern, dass im Winter Wohnungen kalt bleiben. "Für die Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen müssen aber die Gewinne jener Unternehmen abgeschöpft werden, die von der Energiekrise enorm profitieren", bekräftigte Tobias Schweitzer, Bereichsleiter Wirtschaft der AK Wien.
Geringere Kosten in Westösterreich
Kritik kommt indes aus der ÖVP selbst. Die ÖVP-Vorarlberg moniert, dass die "Vorarlberger Kundinnen und Kunden praktisch nicht entlastet werden" und fordert eine "Überarbeitung des Modells". Die westlichen Bundesländer dürften für niedrige Strompreise nicht bestraft werden. Hintergrund: Der Bund will 2,5 Milliarden Euro für die Strompreisbremse ausgeben. Dieses Geld käme aufgrund des vergleichsweise niedrigen Strompreises in Vorarlberg aber nur in sehr geringem Ausmaß Vorarlberger Haushalten zugute.
16 Cent versus 42 Cent
Laut Angaben von Christof Germann, Vorstand des Landes-Energieversorgers Illwerke/VKW, kostet eine Kilowattstunde Strom für einen Vorarlberger Durchschnittshaushalt aktuell 16 Cent (Gesamtpreis; Verbrauchspreis: 9,68 Cent netto), während es in Wien über 42 Cent sind.
Für IHS-Direktor Klaus Neusser ist das geplante Modell "gar nicht so schlecht" aufgesetzt, wie er im Ö1-Mittagsjournal sagt. "Eine treffsichere Variante wäre langsam und sehr kompliziert gewesen". Es sei "faktisch unmöglich" die komplexen Lebenssituationen aller Menschen auf einen Tarif zu übertragen. Anders die Reaktion des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo. "Das Energie-Einsparen ist die wichtigste Maßnahme von allen", sagt Wifo-Experte Michael Böheim im Journal. Deshalb müssten Unterstützungsmaßnahmen sicherstellen, dass Anreize zum Energiesparen aufrecht bleiben. Anstatt der von der IV geforderten Erhöhung und Verlängerung des Energiekostenzuschusses für Unternehmen (auf 2,5 Mrd. Euro, jedenfalls bis zum nächsten Jahr), schlägt Böheim vor, Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, Verluste mit vergangenen Gewinnen gegenzurechnen, und so "entsprechende Steuergutschriften zu lukrieren". So würde man auch Unternehmen, die noch nie Gewinne eingefahren hätten, signalisieren, dass das Geschäftsmodell unter Umständen nicht passe.
Für SPÖ kommt Modell zu spät und entlastet "viel zu wenig"
"Mit der lange angekündigten und nun in Aussicht gestellten zu spät greifenden Strompreisbremse führt die türkis-grüne Bundesregierung die Fehler der Vergangenheit beim Kampf gegen die Teuerung nahtlos fort", kritisierte unterdessen SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. "Die Regierung ist weder fähig noch willens, den Menschen und unserem Land in dieser Krise wirksam und nachhaltig zu helfen." Die Strompreisbremse werde erst im Winter greifen und sei überdies "viel zu wenig". SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter bemängelte außerdem, dass es keine Entlastung für die Steigerungen bei Gas gebe. "Was noch schlimmer wiegt", meinten Leichtfried und Matznetter, "ist die Tatsache, dass sich die Menschen die Strompreisbremse selbst bezahlen" - notwendig sei ein direkter Eingriff in die Preisbildung bei Energie.
Kickl zieht DDR-Vergleich und will Volksbefragung zu Sanktionen
Zu spät und zu kompliziert kommt die Strompreisbremse auch für FPÖ-Chef Kickl daher, der einmal mehr einen Ausstieg aus den Sanktionen gegen Russland forderte, die wegen des Angriffs auf die Ukraine verhängt worden sind. "Mit den Sanktionen haben ÖVP, Grüne, SPÖ und NEOS den Keller geflutet, sie lassen immer noch Wasser hineinlaufen und die Regierung drückt der Bevölkerung zum Ausschöpfen ein Sieb in die Hand, das sie auch noch selbst bezahlen muss. Das ist das System Strompreisbremse und erinnert durch die Kontingentierung eher an die Mangelwirtschaft zu DDR-Zeiten", polterte Kickl. Die FPÖ will im Nationalrat den Ausstieg aus den Sanktionen beziehungsweise eine Volksbefragung dazu beantragen - sei man nicht erfolgreich, fasse man auch ein Volksbegehren ins Auge.
Neos vermissen Nachhaltigkeit und orten Gießkannenprinzip
Der Regierung falle nichts anderes ein, "als teure Einmalzahlungen mit der Gießkanne zu verteilen", zeigte sich auch Neos-Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker per Aussendung unzufrieden. Er vermisst nachhaltige Entlastungsmaßnahmen und im Gegenzug Einsparungen. "Die hohen Preise werden uns leider noch lange begleiten, aber der Staat kann nicht jahrelang allen die Rechnungen deckeln und bezahlen - und gleichzeitig im System nichts ändern und keinen Cent weniger ausgeben."
NGOs fehlt Treffsicherheit, Österreichs E-Wirtschaft lobt Modell
Deutlichen Verbesserungsbedarf ortete "GLOBAL 2000", der Umweltschutzorganisation fehlt beim aktuellen Vorschlag die Treffsicherheit. Nach einer ersten Einschätzung der NGO würden vor allem Haushalte profitieren, in denen wenige Personen mit einem relativ hohen Energieverbrauch leben. Als "unsozial und klimaschädlich" beurteilte auch die NGO "Attac" die "Strompreisbremse". Der Vorschlag berücksichtige die Haushaltsgrößen nicht, außerdem beinhalte er keine progressiven Tarife für "verschwenderischen Luxusverbrauch". Zudem gebe es für die große Anzahl von kleinen Haushalten keine Anreize, Energie zu sparen.
Österreichs Energie, die Interessensvertretung der E-Wirtschaft, bezeichnete die bisher bekannten Eckpunkte hingegen als "unbürokratische und kundenfreundliche Lösung". Lob gibt es dafür, dass kein eigener Antrag nötig ist. Nun müssten auch bei der Umsetzung "praktikable Lösungen" gefunden werden. Der Start mit 1. Dezember sei "durchaus ambitioniert".
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