Diefenbach (1851 - 1913) hatte nach einer Typhusinfektion einst ein Erweckungserlebnis und sah sich ab dann als prophetischer Reformator, der den Aufstand gegen die industrielle Moderne und die Schulmedizin probte, der ein Leben im Einklang mit der Natur und Nacktheit predigte und zahlreiche Anhänger fand. Zeugen der damaligen Bewegung gibt es heute noch, etwa den Alpenverein oder die Naturfreunde.
Ein Revival erlebte die Alternativbewegung mit den 1968ern, aus der das New Age und die Grünen hervorgingen. Die letzte Welle kam nun mit den Querdenkern. Was sie so schwer greifbar macht, ist ihre Beliebigkeit: Vereint sind Rebellen und Konservative, Linke und Rechte, Hierarchie-Kritiker und Autoritär-Fans, Esoteriker und Anarchisten. Da ist es dann nicht mehr weit zur Demokratieskepsis.
Wissenschaftsminister Martin Polaschek will gegensteuern. Der ehemalige Rektor der Uni Graz weiß um die Schwierigkeiten Bescheid, Forschung gut zu kommunizieren. Er hat das IHS beauftragt, sich das Thema anzusehen. „Wir wollen eine evidenzbasierte Studie zu diesem Thema, die aufzeigt, welche Ursachen die doch vergleichsweise ausgeprägte Wissenschafts- und Demokratieskepsis in Österreich hat“, sagt er zum KURIER. Zudem sollen historische Hintergründe sowie „systemische und strukturelle Faktoren“ in diesem Zusammenhang genauer untersucht werden.
Besorgt über die fragwürdige Einstellung mancher Bürger gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen zeigt sich auch Polascheks Vorgänger im Ministerium, Heinz Faßmann. Er ist seit Sommer Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaft (ÖAW) und sieht eine seiner Aufgaben in der Wissensvermittlung. „Die großen Herausforderungen der Zeit – wie die Klimakrise, der demografische Wandel oder die Pandemie – werden wir nur durch den technologischen Fortschritt bewältigen, nicht durch Verbote, Verzicht oder verordnete Moral. Aber der technologische Fortschritt basiert immer auf Wissenschaft, auf Grundlagenforschung und Anwendungsforschung. Wer ihn haben möchte, der muss die Wissenschaft fördern und die Wissenschaftsfeindlichkeit abbauen“, sagt Faßmann zum KURIER. Weshalb die ÖAW etwa Forscher in Schulen schickt, wo sie im Rahmen der „Akademie im Klassenzimmer“ referieren. Die ÖAW fertigt mit „Akademics“ sogar eigene Comic-Bücher an, um Sachverhalte zu erklären.
Aus der Wissenschaft haben sich 2017 Forscher in Form des Vereins „Diskurs – das Wissenschaftsnetz“ zusammengeschlossen. Politikwissenschaftler Alexander Behr erklärt, dass die Trump-Präsidentschaft in den USA und Türkis-Blau Beweggründe waren, etwas zu tun: „Uns war auch wichtig, der Tendenz vorzubeugen, dass Politik auf Basis beliebiger Behauptungen gemacht wird. Dem wollen wir gegensteuern – mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Analysen. Und das funktioniert ganz gut.“
Großes Vorbild in der EU ist übrigens Portugal, das bei der Wissenschaftsvermittlung in den letzten 25 Jahren eine Erfolgsgeschichte vorweisen kann, mit der Wissenschaftskommunikation Ciência Viva. Dafür wurden 21 Wissenschaftszentren gegründet – Forschungsmuseen mit niedriger Zugangsschwelle – die zum Mitmachen einladen. Und an Schulen werken Schüler in über 200 Wissenschaftsklubs. In keinem Land ist die Wissenschaftsskepsis geringer als in Portugal.
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