Weit hinausgelehnt: Jetzt muss Doskozil bei der Burgenland-Wahl liefern
Etwas mehr als eine Million Stimmen entfielen bei der Nationalratswahl im vergangenen September bundesweit auf die SPÖ, nur knapp 55.000 davon steuerte das Burgenland bei.
Dass Landeshauptmann Hans Peter Doskozil dennoch von nicht wenigen für den mächtigsten Roten zwischen Boden- und Neusiedler See gehalten wird, liegt nur zum Teil daran, dass die SPÖ im Land noch eine 42-Prozent-Partei ist, während sie im Bund nur noch bei 21 Prozent hält und die Talsohle noch nicht erreicht scheint.
Wichtiger ist, dass der 49-jährige Ex-Verteidigungsminister, der vor zehn Monaten seinen Mentor Hans Niessl als Landeshauptmann abgelöst hat, ganz gegen die sprichwörtliche burgenländische Bescheidenheit von der Vorreiterrolle der pannonischen Sozialdemokratie beseelt ist. Bezeichnend, dass die Anfrage von Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch nach seiner Einladung für den Wahlkampfauftakt mit dem Hinweis auf die „rein burgenländische“ Veranstaltung beantwortet wurde.
Auch ist Doskozil überzeugt, „dass die Sozialdemokratie ein Sprachrohr“ brauche, das einen „pragmatischen, sozialdemokratischen Ansatz abdeckt“. Wer das soll, versteht sich wohl von selbst.
Auf dem Prüfstand
Dieser „pragmatische Ansatz“, im Burgenland – Mindestlohn von 1.700 Euro netto im Landesdienst, Gemeinnützigkeit der Pflege, Biowende – steht am 26. Jänner bei der Landtagswahl am Prüfstand. Dass die seit 1964 den Landeshauptmann stellende SPÖ wieder stärkste Partei wird, bezweifelt niemand. Aber nach zwei Niederlagen 2019 bei der EU- und der Nationalratswahl, wo die Landes-ÖVP erstmals seit mehr als 50 Jahren wieder vor der SPÖ lag, stieg im roten Lager die Nervosität. Eine Stimmband-Operation Doskozils im Oktober – die zweite innerhalb von 15 Monaten – tat ein Übriges. Die SPÖ, die als „Liste Doskozil – SPÖ Burgenland“ antritt, war sechs Wochen führungslos.
Die Träume von der Rückeroberung der 2010 verlorenen absoluten Mehrheit sind inzwischen längst ausgeträumt. „Unser Wahlziel ist ein Plus, wenn es auch noch so klein ist“, lautet nun die ungewohnt bescheidene Ansage des roten Granden. Eine jüngst veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek im Auftrag der SPÖ nährt zumindest diese kleine Hoffnung.
In Umfragen voran
Fände „am Sonntag“ die Wahl statt, könnte die SPÖ mit 41 bis 43 Prozent rechnen (2015: 41,9 Prozent), die ÖVP mit 31 bis 33 Prozent (29,1 Prozent). Die Blauen, seit 2015 Koalitionspartner der SPÖ, liegen bei 10 bis 12 Prozent (15 Prozent), die Grünen bei 7 bis 9 (6,4 Prozent). Für die Neos, bisher nicht im Landtag, würde es mit 4 Prozent eine Zitterpartie. Das Bündnis Liste Burgenland würde den Wiedereinzug nicht schaffen. 800 Wahlberechtigte sind im Dezember befragt worden.
Nach dem Wahltag dürfte es weitergehen, wie es aufgehört hat: Rot und Blau haben einander bis zuletzt stets über den grünen Klee gelobt, am Freitag brach auch FPÖ-Bundesparteichef Norbert Hofer höchstselbst eine Lanze für den freiheitlichen LH-Stellvertreter Hans Tschürtz und „die Fortführung der erfolgreichen rot-blauen Koalition“.
Zwar haben sich auch alle anderen Parteien, insbesondere Volkspartei und Grüne, als künftige Koalitionspartner ins Spiel gebracht, aber ÖVP-Chef Thomas Steiner oder die Grüne Regina Petrik haben nur dann die Chance auf einen Platz in der von sieben auf fünf Sitze verkleinerten Landesregierung, wenn sich Rot-Blau rechnerisch nicht ausgeht.
Geschwächte FPÖ am "schnellsten und billigsten" zu haben
Politikwissenschafter Peter Filzmaier hält die Fortsetzung der Koalition auch deshalb für die wahrscheinlichste Variante, weil eine geschwächte FPÖ für Doskozil am „schnellsten und billigsten“ zu haben sei. So könne der SPÖ-Chef, dessen Stimmprobleme ihm laut Filzmaier bei der Wahl nicht schaden werden, rasch für klare Verhältnisse sorgen und etwaige Diskussionen im Keim ersticken. Denn bei einer SPÖ-Mitgliederbefragung haben zwar 49 Prozent für Rot-Blau auch nach der Wahl votiert, aber 40 Prozent wollen Rot-Grün. Für Rot-Türkis konnten sich nur 19 Prozent erwärmen (Mehrfachnennungen waren möglich).
Wie schnell Doskozil dann wieder seine Stimme Richtung Bundes-SPÖ erhebt, hängt davon ab, ob er ein Plus einfährt – „so klein“ es auch sei. Was passiert, wenn es nicht einmal dafür reicht? Darauf hat in der Landes-SPÖ niemand eine Antwort.
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