Die Zeit läuft – und die Zeichen stehen auf Veränderung. Eine Veränderung, die bis vor wenigen Wochen vielen undenkbar erschien, seit Freitag letzter Woche jedoch realistischer wird. Schwarz-blau im blau-gelben Niederösterreich.
Niederösterreichs ÖVP-Chefin, Landeshauptfrau und Wahlverliererin (ÖVP rutschte von 49,36 auf 39,93 Prozent) Johanna Mikl-Leitner will bis Mitte der Woche ein Arbeitsübereinkommen mit den Freiheitlichen vorlegen. Obwohl es keine „Liebesbeziehung“ mit FPÖ-NÖ-Chef Udo Landbauer werden könne, wohl aber eine „professionelle Arbeitsbeziehung“. Und obwohl Landbauer weiter an seinem Wahlkampfversprechen festhält, Mikl-Leitner am 23. März bei der konstituierenden Landtagssitzung nicht zur Landeshauptfrau zu wählen. Werden wird Johanna Mikl-Leitner es ohnedies, da in der Sitzung eine einfache Mehrheit reicht.
Das ganze Wochenende hindurch sei zwischen ÖVP und FPÖ verhandelt worden, so Teilnehmer gegenüber dem KURIER. Die „inhaltlichen Übereinstimmungen“ seien „größer als gedacht“. Sollte es bis Dienstagabend – und bei der geplanten Vergabe der Landesratsagenden – weiter nicht haken, stehe die Regierung. Derzeit stünden die Chancen bei 80 Prozent.
Möglich gemacht hat die ÖVP-FPÖ-Gespräche erst die SPÖ. Die Verhandlungen mit deren Chef Sven Hergovich seien gänzlich anders verlaufen als erwartet, so die ÖVP.
Die Forderungen seien überzogen gewesen – auch, weil die SPÖ sich in der Sicherheit wiegte, dass ohne sie keine Regierung zustande kommen wird, so die ÖVP-Erzählung. In der SPÖ vermutet man, dass die ÖVP immer nur mit der FPÖ geliebäugelt hätte.
Dennoch will man sich noch nicht geschlagen geben. Ein Flügel rund um rote Gemeinden und die Arbeiterkammer will nichts unversucht lassen, die kommenden 5 Jahre in eine Koalition zu kommen und Hergovich wie Mikl-Leitner zum Einlenken bewegen. Gelingt dies bis Mitte der Woche nicht, wird NÖ neben Oberösterreich (hier regiert ÖVP-Chef Thomas Stelzer mit FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner in einer Proporz-Regierung) das zweite Bundesland mit einer Mitte-Rechts-Regierung.
Eine Möglichkeit für Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer, vorgezogene Nationalratswahlen vom Zaun zu brechen, meinen ÖVP-Parteigänger. Ein stichhaltiges Indiz dafür, dass Nehammer mit dem grünen Koalitionspartner nicht mehr gut kann oder will, lieferte er am Freitag höchst selbst mit „der Rede zur Zukunft der Nation“.
Weniger Binnen-I, mehr Eigentum im „Autoland Österreich“ – mehr Abgrenzung zu den Grünen geht kaum.
Für vorgezogene Wahlen im Herbst 2023 spricht aus Sicht einiger in der Volkspartei zudem, dass Nehammer an der Spitze bleiben und in die Wahl gehen kann – sofern Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer bei der Landtagswahl am 23.4. nicht veritablere Verluste einfährt als Mikl-Leitner.
Bestärkt durch den minimalen Zugewinn der ÖVP in Kärnten (+ 1,6 %) sehen Teile der ÖVP im Bund deshalb das Zeitfenster für Nationalratswahlen vor dem regulären Termin 2024 gekommen. Vor allem auch, da man die stete Selbstbeschädigung wie - beschäftigung der SPÖ für sich nutzen will.
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