Ex-Korruptionsjäger über Einfluss auf Justiz: "Das ist mittelalterlich"
Am Montag gibt es im Kanzleramt eine "Aussprache" mit Sebastian Kurz, Justizministerin Alma Zadic, EU-Ministerin Karoline Edtstadler und Justizvertretern. Anlass ist die Kanzler-Kritik, die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe eine parteipolitisch-rote Schlagseite. Der KURIER sprach mit dem ersten Chef der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Walter Geyer.
KURIER: Herr Geyer, als langjähriger Ex-Staatsanwalt: Wie ordnen Sie die Justizschelte von Kanzler Sebastian Kurz ein? Wie wirkt so etwas?
Walter Geyer: Ich sehe das als Angriff auf die Justiz mit dem Zweck, Druck aufzubauen, damit "sanft" ermittelt wird.
Sie haben als Staatsanwalt einst gegen Hannes Androsch ermittelt. Haben Politiker nicht immer über die Justiz gejammert, wenn sie betroffen waren? Ich erinnere mich an die SPÖ, als es um Sinowatz, Gratz, Blecha ging.
Es ist ein Unterschied, ob man das mit offenem Visier macht. In einem Hintergrundgespräch ist das einmalig. In Bezug auf die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat es das in meiner Zeit nicht gegeben. Vielleicht hatte man anfangs Respekt vor dieser neuen Behörde, die extra von Berichtspflichten entbunden wurde, um Korruption zu bekämpfen.
Berichtspflicht heißt: Die Behörde erzählt ihren Vorgesetzten nicht nur, was sie getan hat, sondern meldet auch, was sie vorhat, und muss sich die Vorhaben genehmigen lassen. Zum Verständnis für Nicht-Staatsanwälte – ist das so?
Richtig. Berichtspflicht ist wie eine Zensur. Und solche Berichtsprozeduren dauern oft ewig, ich habe von einem Fall gehört, in dem es angeblich vier Jahre dauerte. Das ist auch ein Grund, dass sich Verfahren so lange dahinschleppen.
Aber die Korruptionsbekämpfer haben ja nur eingeschränkte Berichtspflicht.
Anfangs gab es gar keine Berichtspflicht. Zuletzt wurden unter ÖVP-Justizministern die unsäglichen Berichtszügel wieder angezogen. Das war ja auch ein Hintergrund für den Streit zwischen Strafsektionschef Pilnacek und der WKStA.
Haben Sie als Jurist nicht auch Verständnis für Betroffene, die öffentlich durch den Kakao gezogen werden, oft auf Basis einer anonymen Anzeige, wo noch gar nicht klar ist, wie viel Fleisch am Knochen ist?
Wenn eine Sache anrüchig aussieht, muss die Justiz die sensible Entscheidung treffen, dem nachzugehen. Darum kommt sie nicht herum. Aber die Aufgeregtheit der Medien trägt dazu bei, dass man die Unterschiede zwischen einem ersten Anschein und einem erhärteten Verdacht nicht mehr wahrnimmt.
Sie sind einst für die Grünen im Nationalrat gewesen. Was erwarten Sie von der Aussprache beim Kanzler am Montag?
Für die Grünen ist die Korruptionsbekämpfung neben dem Umweltschutz ein Kernthema. Wenn sie jetzt hier nachgeben, wäre das ein Schuss ins eigene Knie. Das ist eine sehr gefährliche Situation für die Grünen.
Ist wirklich die Justiz in Gefahr, nur wenn ein Kanzler Kritik übt? Unsere Institutionen sind doch fest verankert, die müssten doch Kritik auch von einem Kanzler aushalten.
Sie haben Recht und Unrecht. Richtig ist, unser Rechtsstaat kann so etwas aushalten. Aber: Nur zwei EU-Länder haben die Gewaltentrennung noch nicht vollzogen, eines ist Österreich. Bei uns kann der Justizminister immer noch Einfluss auf Justizverfahren nehmen. Das ist mittelalterlich.
Was wären Alternativen?
Entweder ein Bundesstaatsanwalt als vorgesetzte Behörde der Staatsanwälte. Oder, wie in Italien, Staatsanwälte wie Richter weisungsfrei zu stellen. Berlusconi wurde von weisungsfreien Staatsanwälten vor Gericht gebracht und hat dann auch die Justiz als links beschimpft. Wie bei uns.
Haben Sie wirklich den Eindruck, die ÖVP will die Korruptionsstaatsanwaltschaft abwürgen? Sie haben dieses Kapitel bei den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP verhandelt. Wie war denn das?
Schwierig. Aber ich sage nichts, denn wir haben Vertraulichkeit vereinbart.
Das ist inzwischen wurscht, bestimmte Leute halten sich sowieso nicht daran.
Ich schon.
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