Silberstein-Affäre: Die meisten Fragen bleiben offen

Der interimistische SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter
SPÖ-Geschäftsführer Christoph Matznetter präsentierte sämtliche Rechnungen, die der umstrittenen Berater Tal Silberstein der SPÖ geschickt hat. Abgesehen vom saftigen Honorar des Beraters ging allerdings wenig Brisantes aus dem Bericht der SPÖ hervor.

Welche Gelder sind wofür an Tal Silberstein geflossen? Wie viel hat er für seine Beratertätigkeit für Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern bekommen? Am Donnerstag ging der nach dem Abgang von Georg Niedermühlbichler interimistisch als SPÖ-Bundesgeschäftsführer bestellte Christoph Matznetter in die Offensive. Auf der SPÖ-Homepage wurden der Vertrag und die Rechungen Silbersteins offen gelegt.

Die Verträge der SPÖ mit dem Skandal-Berater:

Daraus geht hervor: Der Israeli kassierte insgesamt 536.000 Euro von der SPÖ - 40.000 Euro davon wurden allerdings für die SPÖ Niederösterreich erbracht, dies werde die Bundespartei den Kollegen in St.Pölten in Rechnung stellen, erklärte Matznetter bei der Präsentation des Berichts. Abzüglich andere Leistungen beliefen sich die Kosten für SIlbersteins Leistungen für den Kanzler auf 390.000 Euro, erklärte Matznetter. Was Silberstein damit gemacht hat, weiß man in der SPÖ nicht - von Dirty Campaigning sei in den Verträgen jedenfalls keine Rede, schildert Matznetter. "Beratung, Konzepte und solche Sachen" seinen die AUfgabe Silbersteins gewesen, fügt er hinzu. Er geht davon aus, dass Silberstein seine Söldner-Truppe selbst und aus seinem Honorar bezahlt hat.

Einmal mehr stellte Matznetter in den Raum, die ÖVP könne etwas mit dem Aufkommen des Skandals zu tun haben. Allein, Beweise dafür nennt er keine. Matznetter betont jedenfalls, dass "Personen mit einer Nähe zu anderen Parteien" in Silbersteins Team waren - konkret meint er damit Peter Puller, der viele Jahre ÖVP-Pressesprecher war und später für die Neos arbeitete. Die SPÖ habe ihn noch nicht erreicht, auch mit Silberstein konnte Matznetter in den letzten Tagen nicht sprechen. Matznetter geht indes davon aus, dass die immer wieder an die Öffentlichkeit gespielten Interna von ein- und derselben Person gekommen sind.

Die meisten Fragen bleiben somit offen: Wer hat den Betrieb der Seiten nach der Verhaftung des Israelis finanziert? Gab es wirklich keinen Auftrag an Silberstein, Dirty Campaigning zu betreiben? Und: Wie gelangte der Skandal an die Öffentlichkeit?

Die offenen Fragen der roten Schmutzaffäre

Bereits bekannt ist: Am 23. November 2016 schickt Silberstein etwa ein vierseitiges Papier mit Ratschlägen für TV-Debatten an den Bundeskanzler. "Denken sie immer daran, wer die Leute sind, für die sie kämpfen, und was sie für sie erreichen wollen" und "Sprechen sie über sich nie in der dritten Person", hebt Silberstein dabei hervor. Das Land steht damals kurz vor dem dritten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahl, und Kern soll sich nach der Wahl gemeinsam mit Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner einem großen "Bürgerforum" im ORF stellen. Silbersteins Anleitungen lesen sich aber auch bereits als Vorbereitung für heraufdräuende TV-Wahlduelle.

Dolmetscherin ab Dezember aktiv

Im Dezember geht es in verschiedenen Mails um die Entwicklung von politischen Botschaften, unter anderem um das Thema Mindestlohn und Mindestsicherung. Auch jene Dolmetscherin, in der die SPÖ die mögliche Quelle des Informationslecks um Silberstein und ihren Parteivorsitzenden sieht, tritt in Erscheinung. "Da A. ab nächster Woche mit der Vollzeit-Arbeit für Dich beginnen wird, hab ich sie hier auf den Verteiler gesetzt, damit sie langsam einsteigen kann", heißt es in einem Schreiben der Termin- und Veranstaltungskoordinatorin des Kanzlers an Silberstein, das auch an den Kabinettschef des Bundeskanzlers sowie jenen inzwischen suspendierten Mitarbeiter der SPÖ-Parteizentrale geht, der als Bindeglied zur späteren Dirty Campaigning-Einheit Silbersteins gilt. Datiert ist dieses Mail mit 12. Dezember 2016.

Kommentar: Ein Befreiungsschlag sieht anders aus

Kerns Terminreferentin koordiniert für die Tage danach Silberstein-Termine mit Kern, ein Frühstück mit Kanzleramtsminister und SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda sowie mit einer Agentur. Für Mitarbeiter Silbersteins wird auch ein ÖGB-Termin organisiert. Die Silberstein-Truppe will dem Gewerkschaftsbund laut der APA vorliegenden Dokumenten eine Kampagne gegen die 1-Euro-Jobs-Initiative von Außenminister Sebastian Kurz schmackhaft machen. Die von den Silberstein-Leuten konzipierte Operation, die Kurz als Zerstörer von Arbeitsplätzen und "Selfie"-Politiker brandmarkt, erblickt freilich nie das Licht der Welt. Im ÖGB will man an den Aktivitäten gar nicht erst anstreifen, man bedankt sich für die Präsentation, Folgetermine werden nicht vereinbart.

Am 13. Dezember gibt Silberstein letzte Tipps für das Schlussstatement des Kanzlers im ORF-"Bürgerforum". Mit den ersten Entwürfen ist der SPÖ-Berater noch nicht zufrieden. "Its ok. but just ok" - "Es ist okay, aber nur okay", schreibt Silberstein. Dem Berater sind Kerns Botschaften zu traditionell sozialdemokratisch. Er wünscht sich einen konkreteren Kanzler. "Ich habe das gleiche schon 1.000.000 mal gehört und gesehen", schreibt Silberstein.

Das "Bürgerforum" gerät am Abend zum Desaster. Kern und Mitterlehner müssen sich von aufgebrachten Bürgern vor einem Millionenpublikum vorhalten lassen, dass die Regierung nur streite, nichts weiterbringe und das Land deshalb schlecht da stehe. Kerns und Mitterlehners Ärger über den Veranstalter ORF finden danach Eingang in diverse Medienberichte.

Strapaziertes Verhältnis zum ORF

Der Kommunikationschef des Bundeskanzlers empfiehlt tags darauf in einem internen Mail an das Kanzlerkabinett, das auch Silberstein erhält, eine schärfere Gangart gegen den öffentlich-rechtlichen Sender. Das Neujahrs-Interview mit der Zeit im Bild 2 wird abgesagt, im Gegenzug soll die Präsenz im Privatfernsehen massiv ausgebaut werden, so der Plan. "Damit ist aber auch klar: Neuwahlen sind erst möglich, wenn wir (wieder) ein geordnetes, vernünftiges Verhältnis mit dem ORF haben", betont Kerns Kommunikationschef.

In den Wochen danach geht es vor allem um die "Plan A"-Rede des Kanzlers und SPÖ-Chefs in Wels. Rund um den Jahreswechsel gibt es zur Vorbereitung des Auftritts mehrere Telefonate mit Silberstein. Am Vormittag des 11. Jänner, dem Tag der Rede, wird eine letzte Version in die Runde gemailt. Ende Jänner verlagert sich die Kommunikation zwischen Kanzleramt und Silberstein dann in Richtung Fokus-Gruppen, die Silberstein für die SPÖ betreut. Die Menschen in den Fokus-Gruppen sollen zu den Ergebnissen des gerade frisch ausverhandelten neuen Regierungsprogramms befragt werden. Eine der von Silberstein vorgegebenen Fragen: "Ist Bundeskanzler Kern siegreich aus dieser Krise herausgegangen?"

Parlamentarische Anfrage

Im Jänner tauchen erste Medienberichte über Silbersteins Beratertätigkeit für den Bundeskanzler auf. In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung wird Kern einige Wochen später am 23. März erklären, dass Tal Silberstein nicht für das Bundeskanzleramt, sondern für die SPÖ tätig ist. Keiner seiner Mitarbeiter ist für Wahlkampfvorbereitungen oder allgemeine Parteiarbeit der SPÖ abgestellt, betont der Kanzler. Die Frage, ob seine Termin-Chefin, die auf Grundlage eines Arbeitsleihvertrages mit dem Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband im Kabinett des Kanzlers beschäftigt ist, mit Silberstein zusammenarbeitet, umschifft Kern. "Sie ist zuständig für die Auswahl, inhaltliche Abstimmung und zeitliche Planung von Terminen und Veranstaltungen sowie die Koordinierung mit den jeweiligen Veranstalterinnen und Veranstaltern", so der Kanzler.

Kern musste sich damals gemeinsam mit Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner von aufgebrachten Bürgern vor einem Millionenpublikum vorhalten lassen, dass die Regierung nur streite, nichts weiterbringe und das Land deshalb schlecht da stehe. Kerns und Mitterlehners Ärger über den Veranstalter ORF fanden danach Eingang in diverse Medienberichte. Der Kommunikationschef des Bundeskanzlers empfahl tags darauf in einem der APA vorliegenden Mail an das Kanzlerkabinett, das auch an den damaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein ging, unter dem Titel "Weiterer Umgang mit dem ORF nach Bürgerforum" eine schärfere Gangart gegen den öffentlich-rechtlichen Sender.

"Alle im Folgenden angeführten Schritte müssen mit der ÖVP klar abgesprochen und GEMEINSAM getragen werden - also auch von ÖVP-Playern entsprechend gemacht werden", schrieb Kerns Kommunikationschef.

"1. Absage der Neujahrs-ZIB2-ITV von Kanzler und Vizekanzler. Und zwar ohne Ersatz zu nominieren.

2. Kein Besuch der Pressestunde

2.1. für HBK bedeutet das: Wir machen am 15.1. keine Pressestunde nach der New-Deal-Rede

2.2. Alternativ dazu: massiver Ausbau der Präsenz im Privat-TV

Für New Deal-Kommunikation bedeutet das: Wir erarbeiten mit Puls4 ein Format, in dem CK mit BürgerInnen über den New Deal spricht Defacto kein SeherInnen-Verlust, weil 100.000 Leute die Pressestunde sehen, das schaffen die in Puls4 auch.

3. Massive Intensivierung der Auftritte bei ATV, Puls4, Servus TV und oe24.tv

HBK besucht: Cafe Puls, Studiogast bei Nachrichten-Sendungen in ATV und Puls

Vorteil: all diese Sender sind relativ stark auch im Online-Bereich - Seher-Verlust ist also eher bei älteren Zielgruppen gegeben - bei Jüngeren weniger

4. ORF Radio sollten wir NICHT in diese Maßnahmen aufnehmen - teilen und herrschen wäre der Gedanke

5. entscheidend ist, dass wir das längerfristig durchhalten. Es bringt nichts, 2 Wochen rumzuzicken - Verhaltensänderungen produzieren wir nur durch Konsequenz. Damit ist aber auch klar: Neuwahlen sind erst möglich, wenn wir (wieder) ein geordnetes, vernünftiges Verhältnis mit dem ORF haben."

Mitterlehner zog nicht mit

Das Neujahrs-Interview mit der "Zeit im Bild 2" sagte der Kanzler dann tatsächlich ab. Da niemand aus der SPÖ ins "ZiB"-Studio zu Armin Wolf wollte, trat dort der SPÖ-Kenner und Politologe Anton Pelinka auf. Auch die vermehrten Auftritte im Privat-TV gab es. Bis zur "Pressestunde" am 15. Jänner dürfte der Haussegen zwischen SPÖ und ORF aber wieder einigermaßen gerade gebogen worden sein. Dort trat Kern dann nämlich entgegen der zunächst angedachten Pläne doch auf. Die ÖVP beteiligte sich übrigens nicht an den Boykottmaßnahmen. Der damalige Parteichef Mitterlehner absolvierte sein Neujahrs-Interview in der "ZiB 2".

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