Leben danach: Ex-Politiker sind kein Fall fürs AMS

Spitzenkandidatin Ulrike Lunaceks Zukunft ist auch noch offen
Der Abwahl der Grünen folgen Spott und Häme, auch bei der SPÖ zittern viele um ihre Jobs. Stempeln können Ex-Abgeordnete aber nicht gehen.

Was macht man eigentlich als Ex-Abgeordneter der Grünen? Sich erstmal auf dem Parlamentsbalkon einen Damenspitz antrinken – und dafür heftig Schelte kassieren.

Genau das hat Sigi Maurer erlebt. Die 32-Jährige, schon vor dem Aus der Grünen im Parlament ebenso beliebtes Ziel der Spötter wie ihre Kollegin Maria Vassilakou, wurde für ihr Twitter-Foto vom grünen Sektglas im Netz heftig angegangen: "Was haben Sie schon geleistet?", wurde gefragt, oder: "Jetzt beginnt für die Grün*innen wieder der Ernst des Lebens! Geldverdienen oder AMS!"

Allein: Das mit dem AMS ist nicht so einfach. Denn stempeln gehen können Abgeordnete nur, wenn sie ein zweites Standbein hatten – und das ist bei vielen Grünen, die das Mandat als Vollzeitjob ansahen, nicht der Fall. "Viele von uns haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld", sagt Berivan Aslan, die seit 2013 im Parlament saß. Was sie jetzt macht? "Keine Ahnung", sagt die Juristin; um ein Landtagsmandat werde sie sich bei der Wahl im Frühling , obwohl sie könnte, nicht bewerben.

Ähnlich unklar sind auch die Aussichten der anderen 20 Abgeordneten. Gabi Moser, Lehrerin im Brotberuf, wird wohl an ihre Linzer Schule zurückkehren; Dieter Brosz will sich "endgültig aus der Politik verabschieden", er macht sich im Bereich Verhandlungstraining selbstständig. Leichter hat es Harald Walser, der als Lehrer seinen Ruhestand antritt. Für Sigi Maurer und Pilz-Herausforderer Julian Schmid wird es schwieriger: Sie wechselten quasi von der Uni ins Parlament, müssen sich also völlig neu orientieren. Zeit dafür haben sie drei Monate lang, für diese Spanne bekommt man als Abgeordneter ohne Nebenerwerb nämlich eine 75-prozentige Fortzahlung des Gehalts – immerhin etwa 6500 Euro (brutto).

Sorge um Mitarbeiter

Was mit ihr passiere, sei allerdings nicht nur offen, sondern "völlig unwichtig", sagt Maurer – erstmal müsse sie sich um ihre Mitarbeiter kümmern. Das hört man auch von anderen Abgeordneten. Gut 90 Fachreferenten und etwa 20 Mitarbeiter in der Verwaltung hängen am Klub; sie wurden über ihre Kündigung informiert. "Das ist doppelt bitter, da sind auch einige behinderte Mitarbeiter dabei, die seit Jahrzehnten bei uns sind. Die werden es am freien Arbeitsmarkt besonders schwer haben", sagt Aslan.

Viele versucht man bei den Landesparteien oder grün-nahen Organisationen unterzubringen, schließlich will man ihre Expertise nicht verlieren. Das könnte aber durchaus passieren: Bei der Liste Pilz stehen die Türen offen, dort sucht man fähiges Personal. Aktiv anwerben wolle man allerdings niemanden vom Grünen Klub, heißt es dort; wenn jemand wechseln wolle, dann gerne.

Auch SPÖ zittert

Dramatisch dürfte auch das Ende der SPÖ in der Regierung sein, das sich abzeichnet. Weniger wegen der dann arbeitslosen Minister, Thomas Drozda oder Sonja Hammerschmid haben bereits angekündigt, ihr Mandat im Nationalrat anzunehmen. Vom Aus betroffen wären vor allem die politischen Kabinettsmitarbeiter, je Ministerium sind das rund zehn bis 20 Personen. Diese sind, ähnlich wie die parlamentarischen Mitarbeiter der Grünen, Bundesbedienstete mit außerordentlichen Verträgen – ihr Job ist an den Minister gekoppelt. Kündigungsfrist: ein Monat. Früher, erzählt ein roter Funktionär, habe man diese leicht Posten in staatsnahen Betriebene geben können. Das sei "viel schwieriger geworden".

Offener Klubstatus

Bei den Grünen ist indes noch offen, ob ihr Klub nicht doch weiterbesteht: Immerhin stellen sie noch vier Bundesräte und drei EU-Abgeordnete, das ist juristisches Neuland. Noch nie hatte eine Partei Bundesräte und EU-Abgeordnete, aber niemanden im Nationalrat.

Bis zur Sitzung der Klubdirektoren am 3. November soll das nun geklärt werden. Noch kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Grünen Klub in der Löwelstraße nicht an jemand anders übergeht – Peter Pilz und seine sieben Neuen.

Die Grünen wollen sich nach dem Debakel bei der Nationalratswahl und dem Rauswurf aus dem Parlament neu aufstellen. Dies kündigte der grüne Interimschef Werner Kogler am Freitag nach einem Treffen des erweiterten Bundesvorstands in Wien an. Erste Aufgabe sei es nun, die Schulden der Bundespartei abzutragen, danach gelte es das politische Profil der Grünen zu schärfen.

Pläne für den Schuldenabbau gebe es bereits, man werde demnächst mit den Banken reden, erklärte Kogler nach der sechseinhalbstündigen Marathonsitzung im Albert-Schweitzer-Haus. Details darüber oder auch über eine finanzielle Beteiligung der Landesorganisationen wollte Kogler nicht verraten. Der Schuldenstand der Grünen soll rund fünf Millionen Euro betragen.

Rück-, Tief- und Nackenschlag

Wie lange er an der Spitze der Grünen bleiben werde, ließ der interimistische Parteichef ebenfalls offen. Einen Bundeskongress werde es wohl erst im nächsten Jahr nach den Landtagswahlen - Kogler nannte Juni als möglichen Termin - geben. Erst im nächsten Jahr, "weil es in dieser Situation schon aus ökonomischen und möglicherweise auch insolvenzrechtlichen Gründen gar nicht anders möglich ist, die Organisation am Laufen zu halten".

"Das Wahlergebnis ist ein Rückschlag für die Grünen, ein Tiefschlag, fast ein Niederschlag. Aber keine Sorge, wir werden wieder aufstehen und neue Ziele anstreben", sagte Kogler und entschuldigte sich bei all jenen potenziellen Grün-Wählern, "denen wir es verunmöglicht haben, uns zu wählen". Er sprach von einem "schweren Versagen", weil die Grünen gerade jetzt gebraucht würden. "Wir haben's vernudelt."

Als Gründe für das schlechte Abschneiden bei der Wahl nannte Kogler die Themenlandschaft seit 2015, das taktische Wahlverhalten vieler potenzieller Grün-Wähler, die diesmal als Gegengewicht zu Schwarz-Blau die SPÖ gewählt haben, sowie eigene schwere Fehler. Das programmatische Profil der Grünen soll deshalb geschärft werden. "Die große grüne Idee lässt sich eh nicht umbringen", so Kogler. Nach Erfolgen bei den Landtagswahlen und der EU-Wahl in gut eineinhalb Jahren sei der Wiedereinzug ins Parlament das große Ziel. Man werde für die grüne Sache rennen und brennen.

Die Grünen und Peter Pilz

Ob mittelfristig auch eine Wiedervereinigung mit der Liste Pilz denkbar wäre, ließ Kogler offen. "Ich wär ein Holzkopf, wenn ich jetzt zu viel darüber sagen würden." Die Grünen seien derzeit mit sich und Peter Pilz mit seiner neuen Partei beschäftigt. Die Wege würden sich mit Sicherheit kreuzen, aber ob es solche Bemühungen geben werde oder was in ein paar Jahren passiert, könne er nicht sagen.

Der grüne Interimschef trat nach dem erweiterten Bundesvorstand, zu dem auch etliche grüne Politiker eingeladen waren, die dem Gremium nicht angehören, alleine vor die Presse. Andere Sitzungsteilnehmer gaben sich nach der Sitzung wortkarg und wollten die grüne Familienaufstellung nicht kommentieren. Die meisten hätten noch gar nicht wirklich realisiert, was da am vergangenen Wahlsonntag passiert ist, erklärte einer der Teilnehmer.

Leben danach: Ex-Politiker sind kein Fall fürs AMS
Werner Kogler

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