Vom Triumph ins Chaos: Die Geschichte der Liste Pilz

Vom Triumph ins Chaos: Die Geschichte der Liste Pilz
Die jüngsten Entwicklungen um Peter Pilz wecken erstmals Erinnerungen an das Team Stronach. Eine Chronologie der Ereignisse.

Der Politik mangelt es an Persönlichkeiten und großen Erzählungen, wird immer wieder moniert. Aber dann kam Peter Pilz, 63-jähriges Polit-Urgestein. Die Entwicklungen um ihn, seine ehemalige politische Heimat, die Grünen, und um seine neu gegründete Liste wirken im Vergleich zu gängigen Politmustern wie eine Mischung aus Heldensage, Problemfilm, Groschenroman und griechischer Tragödie.

Pilz gelang es im vergangenen Oktober, mit seiner Liste Pilz auf Anhieb in den Nationalrat einzuziehen, während die Grünen nicht zuletzt aufgrund der Parteispaltung den Wiedereinzug verpassten. Nun scheint aber auch sein eigenes Projekt nach wenigen Monaten auf der Kippe zu stehen. Die Rückkehr des Parteigründers in den Nationalrat könnte scheitern.

Die Entwicklungen nahmen vor nicht einmal einem Jahr ihren Lauf. Eine Chronologie:

25.6.2017 - Bundeskongress der Grünen in Linz: Peter Pilz tritt nach Listenwahl ab
Der grüne Sicherheitssprecher und Eurofighter-Aufdecker scheitert bei der Abstimmung um Platz 4 auf der Bundesliste für die Nationalratswahl gegen Julian Schmid (damals 28). Schon zuvor hatte Pilz angekündigt, sich um keinen anderen Platz bemühen zu wollen. "Das ist ein klare, eindeutige und demokratische Entscheidung", sagt Pilz unmittelbar nach der Abstimmung. "Ich nehme sie respektvoll zu Kenntnis." Für ihn beginne damit im Herbst ein drittes Leben, auf das er sehr gespannt sei. "Vielen Dank, auf Wiedersehen", so seine Abschiedsworte.

Die Abfuhr für Pilz wurde als Quittung dafür analysiert, dass er eine Ein-Mann-Show als Aufdecker der Nation betrieb, beständig querschoss und von den Grünen einen Kurswechsel verlangte.

VIDEO: Die letzte Rede von Peter Pilz bei den Grünen

26.6.2017 - Pilz lässt sich nicht umstimmen
Auch ein persönlicher Kontakt mit Ulrike Lunacek, die die Partei statt der im Mai zurückgetretenen Parteichefin Eva Glawischnig als Spitzenkandidatin in die Nationalratswahl führte, konnte Pilz nicht erweichen, doch noch zu kandidieren. "Er hat klar gesagt, dass für ihn die Entscheidung steht", berichtete sie nach dem "sehr wertschätzenden Gespräch".

27.6.2017 - Pilz denkt über Antritt mit eigener Liste nach
Bereits zwei Tage nach der folgenschweren Listenwahl bestätigt Pilz dem ORF-"Report" derartige Überlegungen.

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28.6.2017 - Pilz spricht von Bürgerbewegung und kritisiert Grüne als "Altpartei"
In der "ZiB2" hält er den Grünen vor, "leider inzwischen auch eine Altpartei geworden" zu sein - und liebäugelt mit einer "großen Bürgerbewegung", um Schwarz-Blau zu verhindern. Das wäre schon eine "große Herausforderung und Verantwortung". Chancen sieht er bei den vielen Menschen, die "die Nase voll haben vom alten politischen System" - dem er auch seine bisherige Partei zurechnet.

17.7.2017 - Pilz tritt aus Grünem Parlamentsklub aus
Beiden Seiten sei klar gewesen, dass die von Pilz überlegte Kandidatur mit einer eigenen Liste nicht aus dem grünen Parlamentsklub heraus organisiert werden könne. Pilz erklärte dazu, dass er über eine etwaige Kandidatur mit einer eigenen Liste noch keine Entscheidung getroffen habe.

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25.7.2017 - Peter Pilz gibt Kandidatur bekannt: Eigene Liste, aber keine Partei
Die für eine Kandidatur bei der Nationalratswahl am 15. Oktober nötigen drei Unterschriften von Nationalratsabgeordneten sind fix. Nach 31 Jahren als Mandatar der Grünen tritt Pilz nun mit einer eigenen Liste an. Ihm folgen mit Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl zwei weitere Ex-Grüne und die Ex-Rote Daniela Holzinger, die bis zur Konstituierung des neuen Nationalrats „wilde“ Abgeordnete sind.

Den Impuls für eine eigene Kandidatur habe Anwalt Alfred Noll gegeben. Dieser kandidiert ebenfalls und spendete in weiterer Folge fast 98.000 Euro. Weitere Wahlkampfgelder werden über Crowdfunding gesammelt. "Ja, es geht", die Kandidatur ist möglich, stellte Pilz fest. Eine Parteigründung sei dies allerdings nicht. Auch sei kein eigenes Parteiprogramm geplant, vielmehr repräsentieren die auf der Liste antretenden Kandidaten als „Personen die Programme“.

26.7.2017 - Liste Pilz ist nun eine "Partei"
Obwohl Pilz keine Partei im herkömmlichen Sinne gründen will, wurden aus formalen Gründen die Partei-Statuten der Liste Pilz beim Innenministerium hinterlegt. Ein findiger Wiener Unternehmer hatte sich da bereits die Internet-Domain www.listepilz.at gesichert, um einen Internetscherz zu treiben. Die Adresse führt direkt zum YouTube-Video "Never Gonna Give You Up" des britischen Pop-Sängers Rick Astley.

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1.8.2017 - Peter Pilz: Partei wird "nie zum Leben erweckt"
Die Liste Pilz hat neben Pilz als Obmann nur drei weitere Parteimitglieder – die Nationalratskandidaten Maria Stern (Stellvertreterin) und Peter (Kassier) sowie einen Rechnungsprüfer. "Bis auf ewige Zeiten wird diese Partei kein fünftes Mitglied haben", sagt Pilz. Bis auf die formal vorgesehenen Sitzungen werde sie keinerlei Aktivitäten entfalten. Pilz: "Diese Partei wird nie zum Leben erweckt."

5.8.2017 - Liste Pilz wird es "nur eine Zeitlang" geben
Pilz macht klar, dass sein politisches Engagement auch ein zeitliches Ablaufdatum hat. "Als Liste Pilz wird es sie nur eine Zeitlang geben. Dann wird sie einen Namen ohne Pilz haben", sagt Pilz.

31.8.2017 - Pilz sieht "neue Heimatpartei"
"Wir sind jetzt einmal die Kontrollpartei und die Gerechtigkeitspartei, auch die neue Heimatpartei", die gegen andere Parteien, gegen eine traditionelle und gescheiterte Politik antrete, steckt Pilz im Wahlkampf die Zielgruppen ab. Er wolle vor allem Nichtwähler zurückholen. Das gehe nur mit einer neuen Liste: "Es gibt eine Basis, um die Leute in die Politik zurückzuholen, das ist Vertrauen. Das ist das größte Kapital unserer Liste."

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15.10.2017 - Jubel bei der Nationalratswahl: Einzug ins Parlament mit 4,4 Prozent
Ein einziges Wahlplakat hatte die Liste Pilz gedruckt, nur um bekanntzugeben, dass man auf herkömmliche Plakatwerbung verzichtet. Zu den TV-Konfrontationen im ORF war der Spitzenkandidat nicht eingeladen, bei den Elefantenrunden aller Sender schon. Finanziell hinkt man den im Parlament vertretenen Parteien hinterher. Doch auch mit geringeren Mitteln schafft die Liste Pilz mit 4,4 Prozent auf Anhieb den Sprung ins Parlament und erringt acht Mandate. Die Grünen, die Pilz verlassen hatte, scheiterten hingegen mit 3,8 Prozent an der Vier-Prozent-Hürde und flogen aus dem Nationalrat.

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3.11.2017: Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen Peter Pilz
Die Freude über den politischen Erfolg währte nur kurz. Nur zwanzig Tage nach der Wahl berichten Profil und Presse am Freitag, dass Pilz sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Eine ehemalige Mitarbeiterin bei den Grünen hatte sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt. Sie soll rund 40 Fälle sexueller Belästigung dokumentiert haben. Die Vorwürfe reichen von unpassenden Anreden wie "Schatzi" über Aufforderungen, das "Höschen einzupacken" und mit Pilz auf Urlaub zu fahren, bis hin zu unsittlichen Berührungen. Pilz hatte parteiintern sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen.

4.11.2017, 8:30 Uhr: Weitere Vorwürfe tauchen auf
Samstagfrüh berichtet auch der Falter von einem angeblichen sexuellen Übergriff durch Pilz aus dem Jahr 2013: Im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach soll der Mandatar laut Zeugen eine EVP-Mitarbeiterin begrapscht haben. Im Falter kündigt Pilz bereits an, sich zurückzuziehen. "Ich habe in der Politik und im Parlament immer klare Maßstäbe gesetzt und diese gelten selbstverständlich auch für mich." Pilz will sich an die Vorfälle laut eigenen Angaben nicht erinnern. "Ich kann dazu nichts mehr sagen. Es tut mir leid. Aber wenn es zwei Zeugen dafür gibt, werde ich zurücktreten. Ich habe hohe Maßstäbe und diese gelten auch für mich."

4.11.2017, 11 Uhr: "Ältere, mächtige Männer": Pilz nimmt Mandat nicht an
In einer eilig einberufenen Pressekonferenz bestätigt Pilz wenige Stunden später, sein Mandat nicht annehmen zu wollen. Er erklärt, die im Falter erhobenen neuen Vorwürfe "äußerst ernst" zu nehmen. Pilz appelliert darüber hinaus ganz allgemein an die "Lernfähigkeit" von "älteren, mächtigen Männern", zu denen er sich selbst zähle. Es gehe nicht nur darum, was die Absichten sind, sondern auch, wie das ankomme.

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Die Vorwürfe der ehemaligen Grünen Mitarbeiterin bestreitet er allerdings und betont, dass er seit 2015 mehrfach ein öffentliches Verfahren gefordert habe, aber nie eines bekommen habe. Den Grünen unterstellt er indirekt Rache. "Fallen mit den Mandaten und mit den Jobs auch die Hemmungen weg?", stellt Pilz in den Raum. Die frühere Grünen-Chefin Eva Glawischnig weist daraufhin "den Vorwurf der politischen Intrige aufs Schärfste zurück". Peter Pilz sei mit den Vorwürfen der sexuellen Belästigung einer Mitarbeiterin detailliert konfrontiert worden - allerdings nicht schriftlich, weil die Betroffene dem nicht zugestimmt habe. Pilz erklärt, die von ihm gegründete Liste Pilz nun von außen zu begleiten und zu unterstützen. Wie es mit seiner Partei weitergeht, wisse er noch nicht.

6.11.2017, 7:00 Uhr: Pilz überlegt offenbar Rücktritt vom Rücktritt
Im Ö1-Morgenjournal positioniert sich Peter Pilz erneut als politisches Opfer. Er habe nicht Angst, dass da jetzt noch was rauskommt. "weil in meinem ganzen Leben Frauen nie sexuell belästigt habe, das immer verabscheut habe. Ich bin mir auch sicher, dass es in diesem Fall in Tirol nicht passiert ist. Aber ich brauch' einige Zeit, um das Ganze in Tirol zu rekonstruieren." Man wolle seine neue Partei gleich am Beginn schwer beschädigen, befindet Pilz: "Mir reicht´s, wie jetzt versucht wird, eine neue Liste kaputt zu machen. Ich bin mir nicht der geringsten Schuld bewusst. Ich weiß heute viel mehr, was hier politisch passiert ist." 

6.11.2017, 12:00 Uhr: Peter Pilz tritt doch zurück
Um 10:45 kündigt Pilz an, zu Mittag eine Erklärung abgeben zu wollen. Bei dem spontan einberufenen Hintergrundgespräch gibt Pilz bekannt, doch bei seiner Ankündigung vom Samstag zu bleiben, sein Mandat nicht anzutreten. "Aus, Schluss, ich will nicht mehr", sagt er. Dennoch geht der Listengründer nach den Vorwürfen in die Offensive. Der ehemalige Grüne bestreitet weiterhin sämtliche Anschuldigungen, nährt Spekulationen, es könnte politische Gründe geben und lässt medienrechtliche Schritte prüfen. Pilz setze auf das Vertrauen einer Viertelmillion Menschen, die ihn als Opposition gegen Schwarz-Blau gewählt hätten. Pilz werde jetzt einmal mit seiner Frau ein paar Wochen "fort" sein.

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7.11.2017 - Weitere Vorwürfe gegen Pilz
Laut einem Falter-Bericht gebe es weitere Frauen, die Pilz sexuelle Grenzüberschreitungen vorwerfen. Eine Lokalpolitikerin, eine grüne Delegierte und eine Frau, die ihn als junge Aktivistin auf einer Party kennenlernte, behaupten demnach in Protokollen gegenüber der Wiener Stadtzeitung solche Erfahrungen. Die Frauen wären auch bereit, diese Vorwürfe vor Gericht zu bezeugen.

8.11.2017 - Kolba wird interimistischer Klubobmann, Bißmann rückt nach
Die steirische Umweltaktivistin Martha Bißmann wird für Pilz als Mandatarin nachrücken und am 9. November gemeinsam mit den anderen sieben Mandataren angelobt. Nachdem Peter Kolba noch versucht hatte, Pilz zu einem Einzug in den Nationalrat zu überreden, wird dieser in einer Klubsitzung aber zum interimistischen Klubobmann gewählt. Interimistische Stellvertreter sind Stephanie Cox, Daniela Holzinger und Wolfgang Zinggl. Die Liste will sich nach dem vorläufigen Rückzug ihres Gründers Zeit nehmen, sich neu aufzustellen. 

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14.1.2018 - Ankündigung: Peter Pilz kehrt zurück, auch in den Nationalrat
Mitte Jänner ist die Auszeit für Peter Pilz vorbei. Er werde "sofort" in die Politik zurückkehren - und später auch sein Nationalratsmandat wieder annehmen. Wer von der Liste Pilz dafür weicht, werde in den nächsten Wochen entschieden, teilen Klubobmann Kolba und Abgeordneter Noll mit. Jedenfalls hätten sich alle in einer Klubklausur "einstimmig und einvernehmlich" für Pilz' Rückkehr ausgesprochen. Der Parteiname soll trotzdem geändert werden.

14.1.2018 - Kolba: Rückkehrprozess könnte länger dauern
Die Rückkehr Pilz‘ könnte laut Kolba noch bis Sommer oder sogar länger dauern. Der Grund ist, dass Pilz nicht unbedingt sein steirisches Mandat wieder annehmen muss, über das ihm Martha Bißmann folgte, sondern auch fünf andere Varianten über die Bundesliste beziehungsweise durch einen Wechsel von Bundes- und Landesmandaten möglich sind. Sechs der acht Listen-Abgeordneten kommen laut Noll in Frage. Nur Kolba und Daniela Holzinger bleiben sicher im Parlament. Bis die Entscheidung fällt, wird sich Pilz politisch "einmischen" und die Strukturen von Partei und Akademie, für die Kolba ab März mit Förderung rechnet, aufbauen.

16.1.2018 - Pilz: "Verzicht nur freiwillg"
Was würde passiert, wenn niemand für den Listengründer gehen will? "Wenn keiner Platz macht, muss ich damit leben", sagt Peter Pilz zum KURIER. "Das sind freie Mandatare, ein Verzicht muss freiwillig geschehen."

22.5.2018 - Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein
Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen Peter Pilz eingestellt. Ermittelt wurden drei "Themenkomplexe" - darunter die angebliche sexuelle Belästigung am Rande des Forums Alpbach und die Vorfälle zum Nachteil einer Mitarbeiterin des grünen Parlamentsklubs. Sowohl die betroffene Mitarbeiterin des grünen Parlamentsklubs als auch die Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei hätten der Anklagebehörde keine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Bei letzterem Fall wäre überdies eine "allenfalls stattgefundene sexuelle Belästigung" verjährt, erklärte die Anklagebehörde. Pilz' erster Kommentar gegenüber der Tiroler Tageszeitung: "Der Rückkehr ins Parlament steht jetzt nichts mehr im Weg." Er geht "fest davon aus, dass ich noch vor der Sommerpause meine Tätigkeit im Parlament wieder aufnehme".

27.5.2018 - Weitere juristische Fronten
Trotz Einstellung des Verfahrens wegen sexueller Belästigung ist es auf der juristischen Front für Pilz nicht wesentlich ruhiger geworden. Zum einen erreichte die Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), die auf den Straftatbestand der üblen Nachrede abzielt. Pilz hatte den Beamten in Zusammenhang mit einer Abschiebung "amtlichen Mordversuch" vorgeworfen. Zusätzlich dazu muss sich Pilz, der derzeit keine parlamentarische Immunität genießt, am 6. Juni tatsächlich vor Gericht verantworten. Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter hat persönlich die Fortsetzung eines Verfahrens wegen übler Nachrede im Zusammenhang mit der Causa Eurofighter beantragt. Der Jurist hatte die Anklage gegen Gernot Rumpold vertreten und musste sich von Pilz "Komplizenschaft" mit diesem nachsagen lassen.

27.5.2018 - Personelle Baustellen werden akut, Pilz: "Bin kein Frank Stronach"
Schon vor Wochen hat der interimistische Klubchef Kolba
- der die Funktion aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben will - bei der Parlamentsdirektion seinen Rücktritt eingereicht, spätestens am 1. Juni müsste seine Nachfolgerin oder Nachfolger übernehmen, bisher konnte keine Person dafür gefunden werden. Aber auch Regelungen zur Parteiakademie sowie zur Partei selbst stehen aus. Pilz wiederholte am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum" nur, dass die Entscheidung "demnächst" fallen soll, und dass er sicher rechtzeitig zu den Untersuchungsausschüssen wieder im Parlament zur Verfügung stehe. Auf die Frage, ob die Liste Pilz ein Team-Stronach-Schicksal ereilen könnte, antwortete Pilz knapp: "Ich bin kein Frank Stronach, mit Sicherheit nicht."

28.5.2018 – Bißmann lehnt Verzicht ab, spricht von "Watschen"-Aussage
Die für Pilz in den Parlamentsklub nachgerückte Martha Bißmann will nicht für den Listengründer Platz machen. Kolba bedauert die Entscheidung via Aussendung: "Die Situation ist dadurch nicht einfacher geworden und stellt uns vor neue Herausforderungen.“ Man habe in den vergangenen Tagen laufend verhandelt und den Eindruck gehabt, "auf einem guten Weg zu sein", berichtete Kolba. Bißmann habe eine Liste an Wünschen übermittelt, die man auch erfüllen habe wollen. "Leider ist Martha Bißmann darauf nicht eingegangen und hat davor bereits ihre persönliche Entscheidung getroffen, die wir zur Kenntnis nehmen", so der Klubobmann.

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Bißmann wiederum sprach gegenüber der Presse davon, intern und von außen großem Druck ausgesetzt worden zu sein. "Im Laufe der Verhandlungen gingen die Emotionen so hoch, dass so mancher auch der Meinung war, ich hätte eine Watsche für mein Verhalten verdient und dass ich aus dem Klub rausgeschmissen werden sollte, weil meine Forderungen so unverschämt seien."

28.5. - Kolba veröffentlicht Bißmanns Forderungen: Wollte Parteichefin werden
Laut einer von Noch-Klubobmann Kolba via Twitter veröffentlichten "Punktation“ waren die Forderungen Bißmanns für einen Mandatsverzicht sehr weitreichend. Sie wollte demnach geschäftsführende Parteiobfrau werden, Listenplatz 1 oder 2 bei der EU-Wahl, einen sicheren Listenplatz bei der nächsten Nationalratswahl - und verlangte sogar den Abgang Bruno Rossmanns.

Parteigründer Pilz sollte sich verpflichten, bei Übernahme der Klubobmannschaft die Obmannschaft in der Partei zurückzulegen - und im Fall, dass ein Mandat frei wird, Bißmanns Rückkehr über das steirische Mandat zu ermöglichen. Die junge Steirerin selbst, Daniela Holzinger-Vogtenhuber und Sebastian Bohrn Mena sollten als Mitglieder und Vorstand in die Partei aufgenommen werden - und "Bruno Rossmann verlässt die Partei als Mitglied und Funktionär". Außerdem sollte Wolfgang Zinggl den Vorstand der Parteiakademie zugunsten Bißmanns verlassen - und sie wollte ihre Funktion als Umweltsprecherin beibehalten, steht in der von Kolba als "ultimative Forderungen" bezeichneten Liste.

Dieses Angebot galt bis Montag, 12.00 Uhr, danach sollte es "unwiderruflich" erlöschen. Aber Bißmann entschied sich schon vorher anders, schildert Kolba auf Twitter: "Wir haben dem bis 11.00 entsprochen. Dennoch hat sie davor zu unserer Überraschung ihr Angebot das Mandat an Peter Pilz zurückzugeben, zurückgezogen." Wie der Parteigründer doch noch ins Parlament zurückkehren kann, ist unklar. Kolba: "Wir arbeiten an Lösungen."

29.5.2018 - Bißmann: Liste wurde gemeinsam ausgearbeitet
"Das Dokument gibt es tatsächlich", bestätigte Bißmann die Punktation. Dabei handle es sich um das Ergebnis jenes seit Tagen andauernden Prozesses, der die Struktur der Liste Pilz - neben dem Klub auch die Partei und die Akademie - erneuern soll. Ziel sei eine "große politische Vision" mit mehr Transparenz und Mitsprache. Viele Mitglieder seien mit den Änderungen einverstanden gewesen. Fünf Leute seien daran beteiligt gewesen, neben Bißmann auch Parteigründer Pilz.

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Martha Bißmann mit Peter Kolba, Wolfgang Zinggl und Bruno Rossmann (v.l.n.r.)

"Ich habe gedacht, dass es für mich wichtig ist zu bleiben", bestätigt nun auch Bißmann ihren Rückzieher. Von den in der Liste enthaltenen Änderungen seien ihr zudem nur wenige wirklich wichtig gewesen, etwa ein Rückkehrrecht in den Nationalrat, sollte ein Mandat wieder frei werden.

29.5.2018 - Deal wäre möglicherweise strafrechtlich relevant
Im KURIER ortet Politologe Peter Filzmaier bei dem Angebot an Bißmann auch einen strafrechtlich relevanten Aspekt. Eine Mandatarin ist vor dem Gesetz eine Amtsträgerin. Seiner Meinung nach wäre ausgerechnet Pilz’ Aufdeckerliste mit diesem Deal in den Verdacht der Korruption nach Paragraf 305 im Strafgesetzbuch gekommen.  Auch Parteienexperte Hubert Sickinger bestätigt Filzmaiers These: „Ausschlaggebend für die Gerichte wäre die Frage, ob der Positionswechsel als Vorteil im Sinne des Gesetzes gewertet werden kann.“ Aus Sicht von Sickinger hätte es für Bißmann realpolitisch einen großen Vorteil gegeben: "Frau Bißmann hätte einen legalen Putsch vollzogen." Allgemein sagt Filzmaier zur Zerreißprobe innerhalb der jungen Partei: "Die Liste Pilz benimmt sich schlimmer als klassische Parteien. So war es auch beim Team Stronach.“

29.5.2018 - Verfassungsrechtler äußern grundsätzliche Bedenken bei Pilz-Rückkehr
Laut einem Bericht der Kleinen Zeitung könnte Pilz selbst dann Ungemach drohen, wenn sich jemand findet, der auf sein eigenes Mandat verzichtet. Verfassungsrechtler wie Ludwig Adamovich und Christian-Bernhard Funk vertreten demnach die Meinung, dass der Verzicht auf ein Mandat, so wie Peter Pilz ihn getätigt hat, unwiderruflich ist. Funk erklärt, die Antwort auf die Frage, ob ein Mandatsverzicht unwiderruflich sei, sein ein klares "Jein". Funk: "Unser parlamentarisches Recht geht vom Grundsatz des freien Mandates aus. Das schließt es von der Grundtendenz her aus, dass über die Mandatsausübung quasi vertraglich disponiert werden kann."

Aufregung um Deal bei Liste Pilz

30.5.2018 - Noch immer keine Lösung in Kolba-Nachfolge
Weiterhin will niemand für Pilz auf sein Mandat verzichten. Akuter als die Frage, wie der Parteigründer zurück ins Parlament kann, ist Kolbas Nachfolge. Am Freitag müsste seine Nachfolgerin oder Nachfolger übernehmen. Bißmann verweist darauf, dass es mit Wolfgang Zinggl, Daniela Holzinger und Stephanie Cox ja Klubobmann-Stellvertreter gebe, die die Geschäfte fortführen können.

Werner Zögernitz, früherer ÖVP-Klubdirektor und Leiter des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen, gab im Ö1-"Mittagsjournal" zu bedenken, dass ein ordentlicher Klub nur bestehen kann, wenn ein Klubobmann oder geschäftsführender Obmann gewählt wurde. Eine Fraktion dürfe nicht ohne Klubchef sein - das wäre rechtliches Neuland und es stelle sich die Frage, ob der Klub dann nach der Geschäftsordnung überhaupt noch existiert. Seinen Angaben zufolge könnte ein Präzedenzfall geschaffen werden und der Fraktion vom Nationalratspräsidenten bzw. der Präsidialkonferenz eine zeitliche Frist gesetzt werden, um bis dahin den Vorsitz zu regeln.

Und was sagt die Satire?
Das Satireportal Die Tagespresse veröffentlichte am 29. Mai im Hinblick auf das Personalchaos bei der Liste Pilz eine fiktive Meldung mit dem Titel: "'Es reicht' - Peter Pilz will eigene Liste gründen". Und die Geschichte geht weiter.

 

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