Schweine, Diesel, Wölfe: Zwist zwischen Grünen und ÖVP-Bauern verschärft sich

„Gemeinsam die Zukunft gestalten. Ideen säen – Vielfalt und Erfolg ernten“. Mit salbungsvollen Worten bewirbt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) anlässlich des Weltbauerntags am Samstag seinen Strategieprozess für die heimische Landwirtschaft.
Wenig Gemeinsamkeit war zuletzt innerhalb der Bundesregierung wahrzunehmen, wenn es um agrarpolitische Themen ging. Nach Jahren relativer Ruhe brechen am Ende der Regierungsperiode die Gegensätze zwischen den Grünen und der ÖVP bzw. ihrem Bauernbund offen auf. Ein Überblick:
- Vollspaltenböden: Nach einem Antrag des rot regierten Burgenlands hat der VfGH die bis 2040 vereinbarte Übergangsfrist beim Verbot von Vollspaltenböden in der Schweinehaltung gekippt. Diese sei zu lang. Seitdem streiten der zuständige grüne Minister Johannes Rauch und Bauernbund über die Reparatur der Regelung. Während die Bauernvertreter eine Frist bis 2036 für ältere bzw. bis 2040 für neuere Ställe fordern, wollen die Grünen eine bis lediglich 2030. Zuletzt warf der Bauernbund den Grünen vor, die Existenz der Schweinebauern zu gefährden. Rauchs Konter: „Wir sollten ernsthaft über Tierschutz reden, liebe ÖVP. Die Betonung liegt auf ernsthaft.“ Dies rief wiederum am Freitag Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger auf den Plan, der von einer „Verhöhnung“ der Bauern und Konsumenten durch Rauch spricht.
- Renaturierung: Seit Wochen tobt verknüpft mit der Frage, ob die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler im Alleingang im EU-Rat für Österreich zustimmen darf, der türkis-grüne Disput über den Inhalt der Verordnung. Totschnig sieht durch die geplanten Regelungen die Lebensmittelversorgung gefährdet. Wenn ihr diese ein Anliegen sei, dürfte sich die ÖVP nicht gegen Maßnahmen gegen die Bodenversiegelung wehren, dreht Gewessler den Spieß um.
- Agrardiesel: Eine Entlastung der Bauern von 20 Cent je Liter Diesel verkündete Totschnig Mittel Mai unter dem Applaus von Bauernbund und Landwirtschaftskammer. Was man beim grünen Koalitionspartner nicht nachvollziehen konnte. Handle es sich im Wesentlichen doch um ein schon länger beschlossenes Kompensationsprogramm im Zusammenhang mit der CO2-Bepreisung, die obendrein auch für Elektro- und Biodieseltraktoren gelten würde.
- Wolf: Ein innerkoalitionäres Dauer-Streitthema ist auch der Schutzstatus des Wolfes. Während zuletzt Totschnig und die Länder auf Initiative des nö. LH-Stellvertreters Stephan Pernkopf (ÖVP) auf dessen Senkung pochten, weil die Tiere Schafe und Rinder reißen würden, bleibt Gewessler auf der Bremse. Schon jetzt gebe es laut EU-Regeln die Möglichkeit zur Entnahme einzelner Tiere als Ultima Ratio. Zudem gebe es noch Potenzial bei der Förderung von Herdenschutzmaßnahmen, antwortete Gewessler im Februar auf die Länder-Initiative.
Tatsächlich seien die aktuellen Differenzen zum Teil auf die bevorstehenden Wahlen zurückzuführen, so die grüne Agrarsprecherin Olga Voglauer. So habe sich die ÖVP im EU-Wahlkampf entschieden, ein Zurückfahren des Green Deal zu fordern.

Olga Voglauer, Grüne
Sie ortet zusätzlich aber tiefergehende Diskrepanzen: Die gesellschaftlichen Ansprüche in Hinblick auf Lebensmittelqualität und Tierwohl würden steigen, ist Voglauer überzeugt. Umso wichtiger sei Transparenz, etwa in Form einer Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie. „Doch mit Transparenz tut sich die ÖVP schwer.“
„Die Landwirtschaft ist an einen Punkt angekommen, wo wir uns völlig neue Förderkriterien überlegen müssen. Da fehlt der ÖVP offenbar noch der Mut“, sagt die grüne Abgeordnete. „Stattdessen wettert man lieber gegen die vermeintliche Bürokratie, die aus Brüssel kommt.“
Bauernbund ortet grünen Schlingerkurs
Auch Bauernbund-Präsident und ÖVP-Agrarsprecher Georg Strasser ortet in den jüngsten Differenzen nicht nur Wahlkampf-Geplänkel. Er wirft den Grünen einen Schlingerkurs beim Tierschutz vor.

Bauernbund-Präsident Georg Strasser
So habe man das vor zwei Jahren beschlossene Paket mit Übergangsfristen beim Vollspaltenboden-Verbot bis 2040 noch bejubelt, im Vorjahr habe Rauch dann aber die hohen Lebensmittelpreise kritisiert. Jetzt fordere er Maßnahmen in der Schweinehaltung, die zu hohen Preisen führen würden. „Die Grünen reden nur über den Tierschutz, wir auch über die wirtschaftliche Situation der Bauern.“
Gleichzeitig kalmiert Strasser: „Wir sind in keiner Krise, sondern im Arbeitsmodus.“ Zumindest bei den Vollspaltenböden ließe sich noch eine Einigung erzielen, „wenn die Grünen zur Vernunft zurückkehren“.
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