Wie kommt eine einheitliche Länderstellungnahme zustande?
Die erste Option ist die "Integrationskonferenz" der Länder. Sie kann einen Beschluss fassen, wenn mindestens fünf der neun Bundesländer zustimmen und sich die anderen vier zumindest enthalten. Stimmt ein Land dagegen, kommt keine Stellungnahme zustande. In der "Staatspraxis" gibt es laut Verfassungsdienst aber noch andere Wege, eine "einheitliche Stellungnahme" zu fassen – etwa über die Landeshauptleutekonferenz. Der Bund hätte diese auch "in der Vergangenheit als bindend akzeptiert", so der Verfassungsdienst.
Liegt eine einheitliche Stellungnahme vor?
Im Fall der Renaturierung wurden der Bundesregierung zwei einheitliche, ablehnende Stellungnahmen übermittelt. Und zwar über die Verbindungsstelle der Bundesländer. Deshalb sei "grundsätzlich davon auszugehen", dass tatsächlich eine solche Stellungnahme vorliege, so der Verfassungsdienst.
Wie kann eine einheitliche Stellungnahme aufgehoben werden?
Die Experten sind der Ansicht, dass eine "neue einheitliche Stellungnahme" beschlossen werden müsste, um die alte aufzuheben. Auch dieser müssten mindestens fünf Länder zustimmen, während sich der Rest zumindest enthält. Die SPÖ-geführten Länder Wien und Kärnten haben vor zwei Wochen verkündet, unter gewissen Voraussetzungen doch für die Renaturierung zu sein. Wien hat dann eine Abänderung des Länder-Vetos beantragt. Dieses lehnten sieben von neun Länder ab. Heißt: Die einheitliche Stellungnahme gilt weiterhin.
Gibt es keinen anderen Weg?
Gewessler verlangte zuletzt wiederholt eine schriftliche "Klarstellung" von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), dass die Hauptstadt nicht mehr hinter dem Veto stehe. Dann werde sie alles dafür tun, zustimmen zu können. Aber würde eine klare Distanzierung Ludwigs wirklich reichen, um eine einheitliche Stellungnahme aufzuheben? Der Verfassungsdienst widerspricht: "Keinesfalls kann einseitigen Erklärungen einzelner Länder hier eine rechtliche Relevanz zukommen." Demnach hatten Wien und Kärnten von Anfang an keine Chance, ihr "Nein" zur Renaturierung zurückzuziehen – trotz anderslautender Bekundungen.
Will Gewessler zustimmen, wenn die Länder ihr Veto aufheben?
Ja, auch ohne Sanctus der ÖVP. Sie verweist darauf, dass Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) beim EU-Rat ebenso dafür stimmte, Umweltstandards in der EU-Agrarpolitik abzuschwächen. "Es ist langjährige Praxis in der Regierung, dass auf den Ministerräten die Ministerinnen und Minister entscheiden", sagt Gewessler. Sie hat Rechtsgutachten vorgelegt, die ihre Argumentation stützen.
Aber darf Gewessler dann auch zustimmen?
Laut Gewesslers Rechtsexperten: Ja. Laut Verfassungsdienst: Nein. Dieser verweist auf das Bundesministeriengesetz (BMG). Es gibt Themen, die in den Wirkungsbereich verschiedener Ministerien fallen. Bei der Renaturierung: Klimaschutz, Landwirtschaft, Finanzen und Europa. Wann müsste Gewessler die Zustimmung anderer, in diesem Fall ÖVP-geführter, Ministerien einholen? Wenn betroffene Ministerien auch für die Renaturierung "zuständig" sind und deshalb "konkrete Maßnahmen" setzen müssten. Als Maßnahmen gelten hier etwa Gesetze oder Verordnungen. Der Verfassungsdienst sieht zumindest auch eine Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums, weil die Renaturierung Regelungen für die Agrar- und Forstpolitik sowie das Wasserrecht betreffe.
Hätte Totschnig nicht auch Gewesslers Zustimmung bei der Agrarpolitik einholen müssen?
Das müsste ausjudiziert werden. Gewesslers Ressort erkennt eine Zuständigkeit, die ÖVP ist anderer Ansicht.
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