Veto der Länder gilt nach wie vor
Die Ministerin bat am Freitag beide Länder um eine "Klarstellung", ob sie sich davon distanzieren. In Wien stößt das auf Unverständnis. Man habe sich längst distanziert. Ludwig bekräftigte in einem Brief an Gewessler, dass er der EU-Verordnung zustimme, wenn der Bund die Renaturierung finanziere. „Ich bin verwundert, dass die Ministerin nach wie vor glauben kann, dass wir gegen die Verordnung sind. Wir haben maximal klargestellt, dass wir dafür sind", sagt Wiens Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) zum KURIER.
Am Freitag trafen sich die Umweltlandesreferenten in Kärnten. Wien brachte eine Stellungnahme ein, wonach das geltende Veto der Länder zu ändern sei. "Und die anderen Länder haben diese neue Stellungnahme bereits zur Kenntnis genommen", sagt Czernohorszky.
Das Problem: Um das Veto aufzuheben, müssten wohl zumindest fünf von neun Ländern einer neuen Stellungnahme zustimmen. Es sei definitiv zu wenig, wenn die Länder Wiens neue Stellungnahme lediglich "zur Kenntnis" nehmen, bestätigt der Innsbrucker Dekan Walter Obwexer gegenüber dem KURIER: "Die einheitliche Stellungnahme der Länder gilt weiter und die Ministerin ist daran gebunden."
Krach zwischen ÖVP und Grünen
Doch auch ohne Veto der Länder dürfte Gewessler wohl nicht im Alleingang zustimmen. Zumindest beurteilen das Verfassungsexperten und die ÖVP so. Und zwar mit Verweis auf Paragraph 5 im Bundesministeriengesetz (BMG). Demnach bräuchte Gewessler das "Ja" vom Landwirtschafts-, Finanz- und Europaministerium, um für die Renaturierung stimmen zu dürfen. Und die ÖVP ist gegen die EU-Verordnung. Bundeskanzler Karl Nehammer spricht von einem "dramatischen Beispiel für den Überregulierungswahn in Brüssel".
Gewessler hat wiederum Rechtsgutachten vorgelegt, die der ÖVP widersprechen. Die entsprechende Passage im BMG sei weder für die Vertretung im EU-Rat gedacht, noch dafür funktional. Es sei "langjährige und gelebte Praxis, dass die zuständigen Ministerinnen und Minister am Rat entscheiden und ich sehe auch keinen Grund, warum wir das hier anders machen sollten", sagte Gewessler im Ö1-Journal.
Laut Gewessler ist also die Haltung der Länder entscheidend. Was laut KURIER-Informationen feststeht: Sollte juristisch bis zum 17. Juni nicht klar ersichtlich sein, dass das Veto nicht mehr gilt, wird Gewessler dem Renaturierungsgesetz nicht zustimmen.
Zustimmung auch ohne Österreich möglich
Könnte ein Beschluss der Renaturierung auch ohne Österreichs "Ja" zustande kommen? Theoretisch schon. Nötig dafür ist eine „qualifizierte Mehrheit“ (55 % der EU-Staaten, 65 % der EU-Bevölkerung) zustimmt. Doch wer könnte da einen Unterschied machen?
„Die neue Regierung in Polen räumte dem Umweltschutz zumindest im Wahlkampf eine wichtigere Rolle ein als davor“, sagt André Prescher-Spiridon, EU Policy Officer bei Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), zum KURIER. Unter diesen Umständen hält er es nicht für unmöglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass Polen seine Meinung noch ändern könnte. Würde Polen dem Gesetz zustimmen, wäre die Stimme Österreichs nicht notwendig.
Seit dem letzten Abstimmungstermin haben außerdem die Niederlande neu gewählt. Mit einem "Ja" der Holländer ist wohl dennoch nicht zu rechnen: "Die Niederlande haben das Gesetz schon vor den Wahlen abgelehnt. Eine mögliche neue Regierung wird daran voraussichtlich nichts ändern", sagt Prescher-Spiridon. Laut Gerüchten könnte dafür die Slowakei ihre Meinung noch ändern und für die Renaturierung stimmen.
Verwunderung über Ungarn
Das Gesetz scheiterte nicht nur an der enthaltenen Stimme Österreichs, sondern auch am "Nein" Ungarns. Zuvor hatte Ungarn das Vorhaben zwei Jahre lang über unterstützt. "Dieser spontane Meinungswechsel ist höchst verwunderlich und wirft Fragen auf", so Prescher-Spiridon weiter. Es sei ungewöhnlich, dass ein Mitgliedsstaat seine Position so kurzfristig ändere.
"Es gibt derzeit viele Unsicherheiten", sagt der Experte. Dennoch sei in der Thematik aktuell "viel Bewegung drin“. Ein Zusage Österreichs würde die Verwirklichung des Gesetzes aber "haarscharf" ermöglichen.
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