Doch diese einheitliche Stellungnahme liegt nun offenbar nicht mehr vor. Die SPÖ-Landeschefs von Wien und Kärnten, Michael Ludwig und Peter Kaiser, haben angekündigt, nun doch zustimmen zu wollen. „Für mich ist ganz klar: Wien ist für eine Zustimmung Österreichs zur EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“, erklärte Ludwig Mittwochnachmittag.
Doch wäre damit der Weg frei für Gewessler in Brüssel?
Genau das ist der neue große Streit in der Koalition zwischen Umweltministerin Gewessler und EU-Ministerin Karoline Edtstadler.
Gewessler führt zuerst einmal an, dass für sie noch nicht klar sei, ob die beiden rot geführten Bundesländer Wien und Kärnten nun wirklich dagegen sind: Ludwig erklärte nämlich zusätzlich, einheitliche Länderstellungnahme vom November 2022 und vom Mai 2023 dahingehend abzuändern, dass die Bundesländer dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über die Wiederherstellung der Natur unter folgenden Bedingungen zustimmen: Für die damit einhergehenden Maßnahmen müsse eine ausreichende Finanzierung sichergestellt werden. Es bedürfe einer einheitlichen Auslegung einiger konkreter Gesetzesregeln und, es müsse die Ernährungssicherheit durch ausreichende landwirtschaftliche Produktionsflächen sichergestellt werden.
Klimaschutzministerin Gewessler will nun Landeshauptmann Ludwig und Landeshauptmann Kaiser rasch um Klarstellung bitten, ob die Bundesländer ihre Ablehnung hiermit aufheben und eine österreichische Zustimmung möglich machen: „Das ist der erste vernünftige Schritt zu einer Veränderung der österreichischen Position“, heißt es dazu aus dem Ministerium.
Aber darf Gewessler dann zustimmen?
Ja, heißt es aus ihrem Büro.
Gewesslers Kabinett zitiert dazu den Juristen Daniel Ennöckl, Vorstand des Instituts für Rechtswissenschaften der BOKU Wien: „Liegt keine bindende Stellungnahme der Bundesländer mehr vor, ist die Klimaschutzministerin in ihrem Abstimmungsverhalten in Rat aus verfassungsrechtlicher Sicht frei in ihrer Entscheidung. Sie kann dem B-VG zufolge auch ohne Zustimmung des Koalitionspartners der Verordnung zustimmen.“
Sieht das die EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler auch so?
Nein.
Der KURIER bat das Büro Edtstadlers um Stellungnahme. „Die Renaturierungsvorhaben der EU betreffen mehrere Ressorts, neben dem federführenden BMK etwa das Landwirtschaftsministerium. Weisungen zur Abstimmung im AStV (gemeint ist der Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel) müssen innerstaatlich im Einvernehmen aller zuständigen Resorts erfolgen", heißt es aus Edtstadlers Ressort.
Gewessler darf also aus Sicht der Volkspartei nicht alleine entscheiden.
Edtstadler folgt damit der Rechtsansicht des Innsbrucker Dekan Walter Obwexer, der bereits im KURIER am Mittwoch klarstellte: „Das Gesetzespaket zur Renaturierung betrifft ja mehrere unterschiedliche Bereiche, etwa die Landwirtschaft. Nach dem Bundesministeriengesetz braucht Ministerin Gewessler auch die Zustimmung der anderen zuständigen Ministerien, wie das auch beim Klimaplan NEKP der Fall ist. Das kann die Ministerin nicht alleine entscheiden.“
Den Klimaplan NEKP, zur Erinnerung, hatte Gewessler ohne Sanktus der Volkspartei nach Brüssel geschickt. Edtstadler hatte das erzürnt, weil es keine Einigung mit der ÖVP über Österreichs Klimaplan bis 2030 gibt, und veranlasste Österreichs Botschafter bei der EU, das Dokument zurückzuziehen. Bis Ende Juni muss Österreich diesen NEKP nach Brüssel schicken, andernfalls droht eine Vertragsverletzungsverfahren.
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