U-Boot-Attacke auf Pipelines? "Infrastruktur auf dem Meeresboden ist ungeschützt"
Zwei Pipelines in der Ostsee, Nord-Stream 1 und 2, sind leck geschlagen – was geht das das Binnenland Österreich an?
Viel. Auf dem Meeresboden befindet sich hochsensible Infrastruktur in großen Mengen, deren Zerstörung auch Österreich beeinträchtigen würde. Dort liegen leistungsfähige Stromkabel, die zum Beispiel Offshore-Windparks mit bedeutenden Wirtschaftsregionen verbinden. Oder Internetkabel, über die jede Art von Kommunikation läuft: von globalen Finanztransaktionen bis hin zum militärischen Austausch zwischen europäischen (NATO-)Staaten und den USA.
Militärstratege Bernhard Gruber vom österreichischen Bundesheer analysiert im KURIER-Gespräch die Hintergründe des Anschlags in der Ostsee und die Auswirkungen auf Österreich.
„Normalerweise ist das Durchtrennen eines Kabels kein Problem, denn es gibt genügend Ersatzleitungen, um den Transfer von Energie oder Daten aufrechtzuerhalten“, sagt Oberst Gruber. Wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine sei die Lage derzeit aber nicht normal, sondern „sehr angespannt“.
Zwar sei ungeklärt, wer die Sabotage an den Nord Stream-Pipelines begangen habe. Aber, so Gruber: „Russland führt einen hybriden Krieg gegen den Westen. Die Beschädigung von wichtiger Infrastruktur ist eine gute Möglichkeit, seine Ziele durchzusetzen, ohne das Militär einzusetzen.“
Die Infrastruktur auf dem Meeresboden „ist ungeschützt, sie liegt einfach da“, sagt Gruber. „Es wird nicht ständig jedes Kabel überwacht, das geht nicht. Die Dimensionen sind für eine Überwachung viel zu groß.“
U-Boote "machen sich unsichtbar"
Es sei plausibel, dass ein U-Boot oder Spezialeinsatzkräfte die Sabotage ausgeführt haben könnten, ohne von den Anrainerstaaten entdeckt worden zu sein. „Es ist zwar richtig, dass U-Bootbewegungen beobachtet werden. Aber das Wesen von U-Booten ist, sich unsichtbar zu machen“, gibt Gruber zu bedenken. Nur wenn man wisse, dass sich ein feindliches U-Boot nähert, könne man die Marine einsetzen und darauf Jagd machen, um die Infrastruktur zu beschützen.
Für Gruber liegt das Ziel der Beschädigung der Nord Stream-Pipelines „auf der Hand“ und es sei klar, wem das schade: Europa.
Rückhalt für die Ukraine untergraben
Der Gaspreis, der bereits im Sinken war, wurde durch die Aktion erneut in die Höhe getrieben, und mit ihm der Strompreis – und das am Beginn der Heizsaison in Europa. Zweitens werde der Bevölkerung vor Augen geführt, dass es möglich ist, auch andere Pipelines zu beschädigen, etwa jene aus Norwegen, in denen Ersatz für russisches Erdgas fließt. „Der Zweck ist, möglichst viel Verunsicherung in den Bevölkerungen in Europa zu schüren, um die westlichen Regierungen unter Druck zu bringen, sodass sie die Ukraine nicht mehr mit Geld und Waffen unterstützen“, sagt Gruber.
Eine typische und sehr gefährliche Art von hybrider Kriegsführung sei die Manipulation und die Spaltung einer Gesellschaft durch Falschinformationen oder Halbwahrheiten, um den eigenen Zielen näher zu kommen, sagt der Oberst.
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