Türkis-Grün: Eine Frage des Klimas
Die Frage, die derzeit überall, von den Parlamentsklubs bis an jedem Stammtisch, diskutiert wird: Wer soll Österreich weiter regieren? Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird demnächst ÖVP-Chef und Wahlsieger Sebastian Kurz den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen.
Die zur Stunde am öftesten genannte Koalitionsvariante ist Türkis-Grün – aber ist sie auch realistisch? Da spießt es sich jedenfalls bei der Frage nach dem Aus für Öl, Gas und Kohle.
Die Grünen sind willig: „Wenn Kurz nicht anruft, rufe ich ihn an“, sagt Grünen-Chef Werner Kogler am Mittwoch. Das Wahlergebnis, so Kogler, sei „ein Auftrag“ – und er verspricht ein „Klimaprogramm, das seinen Namen auch verdient“. Dabei ließ er durchklingen, dass man dafür nicht unbedingt auf eine Regierungsbeteiligung angewiesen sei. „Man kann auch im Parlament Initiativen ergreifen. Vieles ist möglich.“
Werner Kogler über grüne Pläne und die Parteichefs bei Van der Bellen
Friedensangebot?
Kogler kam der Volkspartei aber offensichtlich entgegen: Elisabeth Köstinger hatte bereits gesagt, sie wolle wieder Umweltministerin werden – Kogler nimmt das „zur Kenntnis“, viel wichtiger sei ihm aber, dass das Ministerium generell aufgewertet wird, betont er. Und er fand durchaus lobende Worte für die frühere türkise Ressortchefin – er habe zuletzt Bemühungen gesehen, „in ein paar Punkten etwas weiterzubringen“.
Obwohl: Der Zugang zur Klimapolitik könnte sich fundamentaler kaum unterscheiden: Für die Grünen hat der Klimaschutz absolute Priorität, im ÖVP-Wahlprogramm war er lediglich Randnotiz.
Pochen auf CO2-Abgabe
Oberste Priorität für die Grünen ist eine ökosoziale Steuerreform inklusive einer CO2-Steuer (die auch CO2-Abgabe heißen kann). Denn eine Steuer lehnt die ÖVP strikt ab. Weil sie vor allem Pendler treffe. Gerade einmal die Ökologisierung des Pendlerpauschales steht auf der türkisen Vorhabensliste.
Davon abgesehen eint die Parteien lediglich die Forderung nach Klimazöllen für CO2-intensive Produkte an den EU-Außengrenzen. Ansonsten erschöpft sich das türkise Klimaschutzprogramm in der Verankerung des Klimaschutzes als Staatsziel in der Verfassung, der massiven Förderung von Wasserstoff als Energieträger und dem Verbot des Entsorgens nicht verkaufter Lebensmittel von Supermärkten.
Die Grünen fordern hingegen neben der ökosozialen Steuerreform unter anderem den Abbau umweltschädlicher Subventionen, eine deutliche Aufstockung der heimischen Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung oder einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs inklusive eines österreichweiten Öffi-Tickets für 3 Euro pro Tag.
Knackpunkt jeder kommenden Regierungsverhandlung wird außerdem, wie Österreich den Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 ganz konkret reduzieren will. Der Plan der alten Regierung wurde von Brüssel als zu wenig ambitioniert zurückgewiesen.
Verschärfte Ziele
Und Brüssel will noch mehr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits verkündet, die EU-Ziele bis 2030 deutlich verschärfen zu wollen, damit die EU-Staaten die Pariser Klimaschutzziele einhalten können.
Österreichs Klimawissenschaft begrüßt den Vorstoß aus Brüssel. Die Forscher haben über den Sommer einen Klimaschutz-Referenzplan nur für die Politik erstellt. Dieser sagt einerseits, dass – übereinstimmend mit den nun höheren EU-Zielen – die Latte viel höher gelegt werden muss, nämlich auf minus 59 Prozent Treibhausgase im Vergleich zu 2018. Eine „sozial-ökologische Steuerreform“ samt CO2-Steuer ist nicht nur enthalten, sondern für die Forscher sogar eine Grundvoraussetzung.
Wie Türkis und Grün auf dieser Basis zusammenfinden sollen, ist also mehr als fraglich. Denn für Kogler gilt: „Wir wollen die Welt besser machen, oder zumindest nicht schlechter.“
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