Steuer auf Zufallsgewinne: Warum der große Aufschrei ausbleibt
Die Bundesregierung hat am Freitag ihr Modell für eine Steuer auf Zufallsgewinne präsentiert. Diese betrifft Energieversorger, die aufgrund der hohen Gaspreise teils außergewöhnliche Gewinne einfahren. Österreich setzt damit eine EU-Vorgabe um, trifft aber etwas strengere Regeln.
Warum Ökonomen die neue Steuer höchst unterschiedlich bewerten, die Energieunternehmen eher gelassen reagieren und Stromerzeuger an der Börse plötzlich sogar zulegen: ein Überblick.
Was jetzt besteuert wird
Der Staat will zwei bis vier Milliarden Euro über die Zufallsgewinnsteuer einnehmen. Das Modell: Bei fossilen Energieunternehmen, also Erzeugern oder Händlern von Öl und Gas, sollen 40 Prozent der Zufallsgewinne abgeschöpft werden. Die Abschöpfung gilt rückwirkend ab Juli 2022 und vorerst bis 31. Dezember 2023.
Was gilt als Zufallsgewinn? Sämtliche Gewinne, die 20 Prozent über dem Durchschnitt des Gewinns der vergangenen vier Jahre liegen. Die EU-Vorgabe sieht nur eine Abschöpfung von 33 Prozent vor. Diesen Wert können auch Österreichs fossile Erzeuger erreichen. Und zwar dann, wenn sie in Erneuerbare Energie investieren. Hier können auch bereits getätigte Investitionen angerechnet werden. Es scheint bei diesen weichen Regularien fraglich, ob überhaupt ein Unternehmen 40 Prozent bezahlen muss.
Bei den Stromerzeugern sieht das Modell etwas anders aus. Einnahmen, die über einem Preis von 140 Euro pro Megawattstunde (MWh) liegen, werden zu 90 Prozent abgedeckt. Wer in Erneuerbare investiert, darf etwas mehr verdienen, bevor der Staat zugreift, nämlich 180 Euro pro MWh. Die Regelung für Stromerzeuger gilt erst ab 1. Dezember.
Experten widersprechen sich
Die österreichische Regelung soll Energieunternehmen für Investitionen in Erneuerbare belohnen. "Die Ökologisierungs-Komponente halte ich für positiv. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Energieunternehmen diese Anreize auch nutzen", sagt WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller zum KURIER. Nun müssten verstärkt Energieeffizienzmaßnahmen forciert werden, so Schratzenstaller: "Dafür muss man die höheren Preise nun auch wirken lassen."
Von einer "populistischen Steuermaßnahme" spricht hingegen Franz Schellhorn, Direktor des wirtschaftsliberalen Think Tanks Agenda Austria, gegenüber dem KURIER. Es sei ein "Akt der politischen Willkür, dass der Staat die Energiebranche herausnimmt, sie höher besteuert und damit selbst festlegt, welche Gewinnhöhe moralisch und welche unmoralisch ist", so Schellhorn. Mit dieser Willkür komme der Staat in Teufels Küche: "Ist zum Beispiel ein Pharmaunternehmen, das in einer Pandemie ein Medikament entwickelt, das man gerade braucht, und damit hohe Gewinne einfährt, zu sonderbesteuern? Die Windkraftbetreiber, die Solarzellenhersteller, wer kommt da als nächster dran?"
Der Agenda-Direktor befürchtet einen Schaden für den Standort Österreich, der über den Ertrag hinausgeht, den die Zufallsgewinnsteuer einbringt. Und: Ein Großteil des Betrages wäre ohnehin beim Staat gelandet, der hohe Anteile an den heimischen Energieunternehmen hält. Das Signal an Investoren sei nun: "Geh mit deinem Geld woanders hin", meint Schellhorn.
Von einer "Übergewinnsteuer light" sprechen wiederum ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl laut einer Aussendung. "Die Regierung bleibt bei der Umsetzung der Übergewinnsteuer deutlich unter ihren Möglichkeiten." Das AK-ÖGB-Modell für eine "Übergewinnsteuer" hätte von 2022 bis 2024 gegolten, einen höheren Steuersatz gehabt und bis zu zehn Milliarden Euro gebracht.
So reagieren die Energieversorger
Der Verbund, Österreichs größter Stromproduzent, reagierte am Freitag gelassen auf die neue Steuer. Man habe Verständnis für die Maßnahme und bereite die Umsetzung nun vor. "Die Erlöse aus den Abschöpfungsbeiträgen müssen daher direkt in Entlastungsmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen fließen", so der Verbund.
Der teilstaatliche Mineralölkonzern OMV will die Regierungsmaßnahme nun analysieren. Das Geschäftsjahr sei noch nicht abgeschlossen, man befinde sich gegenwärtig in einem "sehr volatilen Umfeld", heißt es. Und: "Die rückwirkende Gültigkeit des Gesetzes sehen wir jedenfalls äußerst kritisch." Die OMV leiste bereits hohe Abgaben, etwa den stark angestiegenen Förderzins für die Öl- und Gasproduktion in Österreich.
Heimliche Freude bei Stromerzeugern?
Aus Sicht der Börsianer dürfte der staatliche Eingriff jedenfalls sehr sanft ausgefallen sein. Während sich an der Börse Titel wie die OMV am relativ unbewegt zeigen, konnten Stromfirmen wie Verbund oder EVN kräftig zulegen. Bis 11:40 Uhr konnten die Aktien des Verbund konkret um 7,6 Prozent, die Titel von EVN um 5,5 Prozent zulegen.
Auch erste Umgehungsstrategien deuten sich an. Experten in der SPÖ gehen etwa davon aus, dass die Stromerzeuger in den kommenden Wochen einfach mehr Strom auf den Future-Märkten verkaufen werden. Die Zufallsgewinnsteuer für Stromerzeuger gilt bekanntlich erst ab Dezember. Deutschland hat für Stromerzeuger eine Regelung getroffen, die rückwirkend bis September gilt, um solche Effekte zu verhindern.
Wofür das Geld verwendet wird
Der Staat hofft auf Einnahmen von bis zu vier Milliarden Euro. Die EU-Verordnung sieht vor, dass dieses Geld für Entlastungsmaßnahmen gegen die Teuerung verwendet wird. Österreichs Regierung verweist auf bereits getätigte Entlastungen, wie etwa die Strompreisbremse für alle Haushalte, die passenderweise rund vier Milliarden Euro kosten dürfte.
"Die Regierung hat für Haushalte und Unternehmen bereits sehr umfangreiche Entlastungspakete geschnürt", sagt Expertin Schratzenstaller. "Die zusätzlichen Einnahmen über die Gewinnabschöpfung wären also ein sehr willkommener Deckungsbeitrag, um einen Teil der Pakete gegenzufinanzieren. Zusätzliche Entlastungsmaßnahmen sind derzeit nicht nötig."
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